Chapter Four

Julian
27.09.2020, London

Mein Herz raste und ich spürte deutlich wie nervös ich war. Ich stand in London, vor Kais Haustür, und wollte meinen besten Freund zum einen Überraschen und zum anderen mit ihm zu sprechen, um unsere Freundschaft irgendwie wieder zu retten.
Mein Finger zitterten stark, als ich die Klingel betätigte und mir klar wurde, dass es jetzt kein zurück mehr gab. Die Sekunden, bis Kai die Tür öffnete und ich ihn endlich, seit Wochen, wieder anders sehen konnte, als nur im Fernseher, schienen endlos lang zu sein.

„Jule?", fragte er verwirrt und seine blauen Augen schauten verwirrt in meine.

„Hey Kai.", begrüßte ich ihn, hatte wirklich etwas Angst vor seiner Reaktion. Wollte er mich vielleicht gar nicht sehen? Würde er mich vielleicht gleich wegschicken? Würde er sauer auf mich sein, weil ich hier war? Ich hatte keine Ahnung und es machte mir wirklich zu schaffen, dass er keine Reaktion zeigte.
Ich verknotete meine Finger, nur um sie direkt danach wieder zu lösen und ich wiederholte den Vorgang immer wieder; das tat ich immer, wenn ich nervös oder aufgeregt war.

Plötzlich, für mich kam es völlig überraschend, zog Kai mich ins Innere des Hauses und zog mich in seine Arme. Nur im Hintergrund hörte ich, wie er die Tür zuschmiss und seine starken Arme fest um mich legte. Zum ersten Mal seit langem zog ich fest den Geruch von Kai ein, spürte wieder diese Wärme in meinem Körper, die nur er auslösen konnte. Ich klammerte mich an meinen besten Freund, als wäre ich kurz vor dem Ertrinken und er der letzte Felsbrocken, der mich davor bewahren könnte. Viel zu lange musste ich diese Gefühle missen, dieses Kribbeln und die Stromschläge, die durch meinen Körper schlugen. Mein Herz klopfte schnell und mein Körper bildete eine Gänsehaut, als ich den Atem von Kai in meinem Nacken spüren konnte.
Diese Situation überforderte mich Emotional, ich hatte Kai in den letzten Wochen so sehr vermisst und ihn jetzt wieder dicht an mir dran zu spüren, die Wärme die von seinem Körper ausging zu spüren und endlich wieder diesen unfassbar guten Geruch von ihm wahrzunehmen, trieb mir Tränen in die Augen.

Leise begann ich in seine Schulter zu schluchzen, drückte meinen Kopf weiter in die Halsbeuge von dem Jüngeren. „Ich hab dich vermisst.", krächzte ich leise und strich mir einmal über die Augen, bevor ich leicht hochsah und direkt in Kais blaue Augen schaute. „Ich dich auch Jule.", erwidertet Kai meine Worte und strich sich selber über die Wange, um sich die Tränen, die nun auch bei ihm liefen, von dieser zu wischen. Scheiße hatte ich ihn vermisst. Es fühlte sich zum ersten Mal seit langem wieder so an, als ob sich mein Herz zusammensetzen würde. Als ob all die Teile meines Herzens, die bei Kais Abreise und bei der Zeit danach, ohne den wir wirklichen Kontakt hatten, abgesplittert und verloren gegangen waren, wieder da waren und mein Herz wieder zusammensetzten.
„Du weißt gar nicht, wie sehr ich dich vermisst habe.", hauchte Kai mir nochmal ins Ohr und strich durch meine Haare.

Ich erkannte in seinen Augen nichts als Schuldgefühle und Reue und das war der Moment in dem mir klar wurde, dass auch er wusste, dass wir dringend sprechen mussten. Ich spürte deutlich wie sehr ich Angst vor diesem Gespräch hatte. Ich wollte ihn nicht verlieren, brauchte Kai doch in meinem Leben genauso wie die Luft zum Atmen und das dies vielleicht bald ein Ende haben könnte, machte mich verrückt.
Ich saß neben ihm auf der Couch, schaute ihn aufmerksam an und schluckte kurz, bevor ich die Frage stellte, die mir schon seit Wochen auf der Zunge lag.

„Warum hast du mich in der letzten Zeit so ignoriert?", fragte ich und beobachtete jede Regung in seinem Gesicht. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Wie meinst du das?", fragte Kai vorsichtig nach. War das jetzt sein Ernst? „Na Ja, vielleicht meine ich, dass du alle Anrufe von mir ignoriert hast und mir an einigen Tagen nicht mal mehr geschrieben hast.", fuhr ich ihn schroff an. Er öffnete seinen Mund, aber ich ließ ihn verstummen, indem ich einfach weiter sprach. „Weißt du Kai, ich dachte wirklich, dass wir unsere Freundschaft aufrecht erhalten können. Ich habe wirklich daran geglaubt und auch nach deinen aufbauenden Worten am Flughafen habe ich wirklich geglaubt, dass wir das schaffen können, dass unsere Freundschaft das aushält.
Aber seitdem du hier bist ignorierst du mich. Und du weißt nicht wie sehr du mich damit verletzt, dich interessiert es gar nicht. Ich habe dir jeden verdammten Tag geschrieben, habe dich angerufen und war nichtmal böse, als du mich immer und immer wieder einfach ignoriert hast. Ich habe mir immer eingeredet, dass du dich hier erstmal neu einleben musst, aber eine Nachricht am Tag wäre doch nicht zu viel verlangt oder?
Und als du dein erstes Spiel hattest, Gott, ich war so stolz auf dich Kai. Du hast so gut gespielt und ich habe jedem stolz erzählt, wie gut du gespielt hast. Ich habe in Dortmund jedem deine Tore gezeigt und alle waren genervt von mir, aber ich hab mich so für dich gefreut. Und...und deine Nachricht die hat mir wieder richtig Hoffnung gegeben. Es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass du mich offenbar auch vermisst, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich das nicht gespürt. Ich hatte zwar gehofft, dass unser Kontakt wieder etwas regelmäßiger wurde, aber du hast mir manchmal ein paar Tage nicht geantwortet. Und das hat mich in Dortmund kaputt gemacht. Ich wusste nicht, was ich falsch gemacht habe oder warum du jetzt so plötzlich keinen Kontakt mehr haben willst. Ich...ich", schluchzte ich und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Kai schaute geschockt zu mir, doch strich mir über den Rücken und beruhigte mich etwas.

„Es tut mir so leid, Jule. Ich–scheiße ich hatte keine Ahnung, dass dich das so mitnimmt. Ich wollte dich nie so verletzten.", hauchte er in mein Ohr und strich weiter über meinen Rücken. Mein Körper wurde warm bei seinen Worten und aufgrund der Nähe zu ihm spürte ich Schmetterling in meinem Bauch fliegen. Aber mein Körper wurde noch immer von Schluchzern erschüttert. Meine Hand verkrampfte sich vollkommen in seiner und ich spürte auch so etwas wie Erleichterung, als ich endlich alles gesagt hatte, was mir seit Tagen auf dem Herzen lag.
So langsam spürte ich wie gebrochen ich war, wie sehr mich die letzten Wochen mitgenommen hatten. „Ich wollte das alles nicht, Jule.", hauchte Kai wieder leise in mein Ohr und ich spürte seine weichen Lippen für eine kurze Zeit auf meiner Stirn. Ich blickte ihn in die Augen und erkannte auch in ihnen einen glasigen Schimmer. „Aber warum hast du es gemacht? Warum hast du mich so verletzt?", bebte mein Körper und die Tränen liefen unaufhaltsam über meine Wange. Ich verstand es wirklich nicht, er war doch mein bester Freund.

„Jule das...ach...ist schwer. Ich wollte das alles nicht, aber du würdest mich nicht verstehen. Ich versteh mich manchmal schließlich selber nicht.", erklärte er und strich durch meine Haare. Ich schaute ihn verwirrt an und langsam spürte ich auch Wut in mir aufkommen. „Du kannst mir alles sagen Kai. Du konntest doch immer mit mir sprechen, was ist passiert, dass du mir nicht mehr vertraust?", fragte ich und löste mich aus seinen Armen. Vielleicht war meine Wut auf ihn etwas übertrieben, aber ich verstand es einfach nicht. Er ignorierte mich mehrere Wochen, er verletzte mich und jetzt war es zu kompliziert?
„Nein, Jule. Es ist kompliziert. Ich vertraue dir, dass weißt du doch. Ich habe dir immer vertraut!", erklärte Kai mir, wollte meine Hand nehmen, doch ich blockte ab. „Es fühlt sich aber nicht so an, als ob du mir vertraust. Du hast Geheimnisse vor mir, verletzt mich obwohl du mir versprochen hast, dass es so bleiben würde wie in Deutschland.
Verdammt Kai, du glaubst gar nicht was das mit mir macht. Zu wissen, dass die Person der ich am meisten Vertraue, die Person die ich liebe, mir nicht vertraut tut scheiße weh. Du tust mir weh und das seitdem du hier bist. Und dich juckt es einen Scheißdreck.", maulte ich ihn aufgebracht an und beobachtete, wie sein Gesichtsausdruck plötzlich geschockt wurde.

Er blinzelte schneller und starrte mich ungläubig an. „Du...du liebst mich?", fragte er leise und ich riss meine Augen noch weiter auf. Ich ließ das eben von mir gesagte nochmal Revue passieren, bis ich merkte was ich da von mir gegeben hatte. Panisch sah ich zu ihm und konnte nicht mehr klar denken. Das einzige was ich wusste war, dass ich hier raus musste!
Schnell sprang ich auf und lief einfach schnell in den Flur und trat zu Flucht an. Die Rufe von Kai ignorierte ich, denn ich rannte einfach. Ich rannte durch den Regen in den Londoner Straßen, wollte einfach alleine sein und mit einem Schlag wurde mir bewusst, dass ich alles verloren hatte. Alles hatte ich verloren und das nur, weil meine Gefühle mich mal wieder mitgenommen hatten und ich nicht mehr klar denken konnte.

Ich hatte ihn verloren, ich hatte Kai verloren.

[1510 Wörter]

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top