Chapter Eight
Julian
16.10.2020, Bremen
Nervös biss ich auf meiner Unterlippe herum und beobachtete die mir vertraute Gegend, durch die Kai mein Auto steuerte. Mein Bein wippte auf der Fußmatte auf und ab und ich war mir sicher, dass ich kläglich scheiterte bei dem Versuch, nicht so nervös zu wirken. Aber ich war es. Ich war zu einhundert Prozent nervös. Es war ein großer Tag für mich und Kai und unsere Beziehung.
Es war nicht so, dass Kai meine Familie nicht schon kannte. Meine Eltern, vor allem meine Mutter, liebte ihn und meine Brüder sahen ihn auch als guten Freund. Meine Mutter hatte sogar schon öfters ein paar Andeutungen gemacht, doch als sich die Wege von uns getrennt hatten, hatte sie aufgehört. Wahrscheinlich hatte sie Angst, dass sie mich verletzten würde, denn es war bei meiner Familie kein Geheimnis, dass ich mit dem Abschied zu kämpfen hatte.
Eine Hand auf meinem Oberschenkel, die dort etwas Druck ausübte, und somit meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Mein Blick ging rüber zu Kai und ich legte fast automatisch meine Hand auf seine Hand. Seine blauen Augen musterte mich kurz, bevor er sie wieder auf die Straße lenkte und mich offenbar gemustert hatte. „Sei nicht so nervös, Juli.", murmelte Kai und ich seufzte leise. Ich wusste ja, dass meine Eltern nicht schlimm reagieren würden, immerhin wussten sie, dass ich auf Männer stehe, aber trotzdem hatte ich wirklich schiss. Immerhin würde ich meinen Eltern meinen Freund offiziell vorstellen. Nun Ja, vorstellen nicht im dem Sinne, denn die kannten Kai, immerhin hatte er schon Weihnachten mal bei uns verbracht, aber damals eben nur als mein bester Freund und jetzt als mein Partner. Das war schon ein unterschied und deswegen war ich wahrscheinlich auch so nervös. „Ich versuch's.", lächelte ich leicht und verwob unsere Finger miteinander.
Zwischen Kai und mir herrschte während der restlichen Fahrt angenehmes Schweigen. Das Autoradio spielte die zusammengestellte Playlist meines Freundes und ich entspannte mich etwas mehr, was allein schon durch Kai's beruhigende Worte so war. Das Haus meiner Eltern lag in einer ruhigen Gegend und während ich durch die Straßen fuhr, fielen mir immer mehr Kindheitserinnerung ein, die ich Kai natürlich sofort mitteilen musste. „Guck mal da!", rief ich euphorisch und deutete auf einen Spielplatz, der eigentlich nur aus einer Rutsche und einer Schaukel bestand. Kai's Blick ging sofort dorthin, bevor er wieder lächelnd auf die Straße blickte. „Damals sind Jascha, Jannis und ich immer dahin gegangen und dann ist Jannis einmal von der Schaukel geflogen.", lachte ich und erinnerte mich noch so gut an diesen Tag, als wäre es gestern gewesen. Auch Kai lachte und blickte mit einem belustigten Strahlen im Gesicht zu mir. „Dass kann ich mir bei ihm perfekt vorstellen.", murmelte Kai und ich nickte bekräftigend.
„Oder dort!", zeigte ich auf den Italiener an der Ecke. „Wir sind da zu allen unseren Geburtstagen hingegangen und einmal hat Jascha sein Essen versehentlich vom Tisch geworfen. Er ist so rot wie eine Tomate angelaufen.", kicherte ich und hatte das ganze Geschehen wieder vor mir. Ich hatte hier viele schöne Erinnerungen, die meine Kindheit auf schöne Art und Weise geprägt hatten. Jedes Mal wenn ich meine Eltern besucht hatte, prasselten diese auf mich ein und zauberten mir den ganzen Tag ein Lächeln ins Gesicht.
Kai parkte das Auto vor meinem Elternhaus und blickte zu mir. Seine blauen Augen strahlten leicht und seine Hand drückte meine. „Jetzt bin ich doch etwas nervös.", lächelte er verschmitzt und ich kicherte leise. „Sie lieben dich doch schon, dass wird sich jetzt bestimmt nicht ändern.", war nun ich es, der ihm Mut machte. „Na dann, auf geht's.", lächelte er euphorisch und stieg aus.
Seine Hand verwob sich sofort wieder mit meiner, als wir durch den kleinen Vorgarten gelaufen waren und jetzt vor der Haustür standen. Noch ein letztes mal legte ich meine Lippen auf seine, spürte Stromwellen durch meinen Körper schlagen und meine Lippen pulsierten, bevor ich die Klingel betätigte. Es dauerte etwas, bis man Schritte auf der anderen Seite hörte und sich kurz darauf die Tür öffnete. Meine Mutter steckte ihren Kopf durch den Türspalt und fing sofort an breit zu Lächeln. „Julian.", strahlte sie mir entgegen und zog mich sofort in eine knochenbrechende Umarmung. Doch ich ließ mir davon nichts anmerken und legte meine Arme einfach auch fest um sie. Ich genoss es endlich mal wieder bei meiner Familie zu sein, viel zu lange hatte ich sie nicht mehr besucht.
„Oh Kai.", stieß sie überrascht aus, als sie meinen Freund hinter mir erblickte. Schüchtern lächelte er ihr entgegen, was mich leicht grinsen ließ. Doch ich wurde sofort von meinem Vater in eine Umarmung gezogen, weswegen ich mich nicht mehr auf das Geschehen bei ihnen konzentrieren konnte. „Ich wusste gar nicht, dass du auch kommst.", hörte ich meine Mama allerdings noch sagen und sofort wurde ich etwas nervös. Auch mein Papa begrüßte Kai und wir liefen hinter meiner Mama ins Wohnzimmer, wo meine beiden Brüder grinsend auf der Couch saßen. Natürlich musste ich mir bei den beiden Idioten sofort ein paar dumme Sprüche anhören, aber Kai und ich ließen uns schließlich neben ihnen auf der Couch nieder. Meine ganze Familie saß im Zimmer verteilt und schauten gespannt zu uns beiden. Keiner ergriff das Wort und es entstand kurz eine unangenehme Stille, bis Jannis mit auf die Schulter schlug. „Also jetzt nicht gegen dich Kai, aber wir dachten alle, dass Jule seinen Freund mitbringen würde.", sagte er und mein Herz klopfte sofort unfassbar schnell. „Du hast es so gesagt, als ob du niemanden kennenlernen möchtest, weil es da jemanden gibt.", schob Jascha noch hinterher und ich spürte wie sich meine Knochen verspannten. In meinem ganzen Körper machte sich plötzlich eiserne Angst breit und ich spürte ganz klar die Panik in meinem Körper.
Eine warme Hand, die sich unauffällig auf meinen Rücken legte und die ich Kai zuordnen konnte, beruhigte mich dann doch wieder und spendete mir den nötigen Mut um etwas dazu zu sagen. „Na Ja, eigentlich gibt es da auch jemanden.", murmelte ich, was alle Blicke auch mich lenkte. „Was? Wen denn?", fragte Jannis sofort nach und ich blickte kurz durch die Gesichter der anderen. Meine Eltern lächelten mich auffordernd an und meine Brüder grinsten mich an. „Kai und ich...wir sind zusammen.", sagte ich dann schließlich und ließ die Bombe platzen.
Erstmal reagierte keiner. Keine Regung war in ihren Gesichtern zu sehen, doch dann sprang meine Mama fast schon auf und zog meinen Freund in eine feste Umarmung. „Das freut mich so für euch beide!", rief sie euphorisch und auch mein Vater kam zu uns. „Na dann, willkommen in der Familie.", lächelte dieser und auch meine Brüder zogen uns in eine Umarmung. „Wir freuen uns auch für euch, aber Kai, wenn du ihn nur irgendwie verletzten solltest, dann kommen wir beide höchstpersönlich zu dir und reißen dir deine Klöten ab.", warnte der Ältere meiner Brüder und hob warnend seinen Zeigefinger. Kai nickte und lächelte mich danach an. „Keine Sorge, ich hatte nicht vor ihn zu verletzen.", sagte Kai und ich drehte mich glücklich zu ihm. Meine Lippen legte ich kurz glücklich auf die Wange von meinem Freund und hörte meine Mama sofort leise quietschen.
Überglücklich, ich konnte gar nicht genau beschreiben, welche Gefühle durch meinen Körper strömten, aber pures Glück war definitiv auch dabei, saß ich jetzt wieder neben Kai im Auto. Mein Herz hämmert heftig und mir wurde mit jeder Minute des heutigen Tages immer klarer, dass ich Kai wirklich über alles liebte. Ich konnte mir kein Leben ohne ihn vorstellen und das wurde mir aller spätestens nach diesem Tag bewusst. Der Tag war perfekt gewesen und ich war vollkommen entspannt. Mein Blick ging verträumt zu Kai, welcher sein Blick auf die Straße gerichtet hatte und konzentriert durch die Abenddämmerung fuhr. Ich musterte ihn. Seine braunen, lockigen Haare. Seine blauen, strahlenden Augen und seine reine, fast schon makellose Haut. Mein Herz, welches sich bei jedem Zentimeter seines Gesichts überschlug, hatte schon seit Anfang an ihm gehört und meine Finger, die begannen zu Kribbeln, allein wenn ich daran dachte, dass ich mich bald wieder an ihn kuscheln konnte, verwob das ch ganz sachte mit seiner.
„Was?", lachte Kai leise, als er meinen Blick bemerkte und schaute kurz zu mir. Meine Wangen wurden warm, doch ich blickte weiterhin zu ihm. „Du bist wunderschön.", lächelte ich vorsichtig und griff nach seiner Hand. „Und ich bin unheimlich froh, dass du mein Freund bist.", fügte ich noch hinzu, drehte mich leicht, damit ich ihn besser ansehen konnte. Gespannt beobachtete ich wie die Wangen von Kai rosa wurden und er mich mit so viel Liebe in den Augen ansah, dass es mir eine Gänsehaut über den Körper jagte. „Jule...", murmelte er leise und drückte meine Hand. „Du machst mich so unfassbar glücklich, weißt du das. Und vorhin, als du mir von deinen ganzen Kindheitserinnerung erzählt hast, da ist mir klar geworden, dass ich das auch mal mit dir haben möchte. Eine Familie, Kinder mit denen wir schöne Erinnerungen schaffen können und eine traumhafte Zukunft zusammen haben.", äußerte er mir und lehnte sich, als wir an einer Ampel halt machten, kurz zu mir hinüber und presste seine Lippen auf meine. Sofort wurde mir warm, meine Haut begann zu Kribbeln und meine Augenlieder flackerten zu. „Darauf würde ich mich freuen.", lächelte ich ihn an.
Leise Gähnte ich und drückte meinen Kopf tiefer in den Sitz hinter mir. Ich hatte mich mit einer Jacke von Kai zugedeckt, welche mir zu groß war, und immer öfter fielen meine Augenlieder zu. „Schlaf etwas, Jule. Ich mach dich wach, wenn wir zu Hause sind und dann können wir noch einen schönen Film gucken und etwas im Bett kuscheln.", lächelte er zu mir und ich tat sofort das, was er vorgeschlagen hatte. Ich driftete in einen ruhigen Schlaf und vielleicht würde ich ja von unserer Zukunft träumen.
[1630 Wörter]
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top