𝖼𝗁𝖺𝗉𝗍𝖾𝗋 𝟥𝟢
Namjoon PoV
Wie ein Irrer sprintete ich die Treppe runter und legte dabei fast einen Sturzflug hin, doch fing mich noch rechtzeitig am Geländer auf, was mich nicht verharren ließ, sondern ich meinen Weg sofort fortsetzte.
Als ich dann völlig außer Atem am Aufzug ankam, öffneten sich schon dessen Türen und offenbarten den Blick auf ein riesiges Paket in Kookies Armen.
„HYUNG ICH HABS GESCHAFFT!", grinste dieser aufgeregt und hüpfte überglücklich aus dem Aufzug.
„Wow!! Ich freu mich so für dich!
Aber was ist damit?", ich zeigte auf das riesige Ding, welches der muskulöse Jungkook mühelos mit einem Arm hielt.
Er grinste aufgeregt und drängte sich an mir vorbei.
Verwirrt über die nicht existente Antwort folgte ich ihm in die Küche.
Er kramte nach einem Messer und schlitzte damit das Klebeband auf.
Vorsichtig nahm er das ganze Füllmaterial raus und enthüllte eine wunderschöne Holzgitarre.
„Hab ich mir direkt geholt, als ich die Zusage bekommen hab!", erklärte er stolz.
„Woah..! Die sieht ja gut aus. Darf ich mal?", gerade wollte ich nach dem dunkelbraun gemusterten Holz greifen, als dessen glücklicher Besitzer energisch meine Hand wegschlug.
„Diese unfassbar ungeschickten Hände berühren dieses Meisterwerk von Holz nur über meine Leiche, hast du verstanden?", seine eben noch so fröhliche Ausstrahlung wurde auf einmal todernst und er durchbohrte mich förmlich mit seinem stechenden Blick. Verdutzt nickend erhob ich meine Hände und lief langsam rückwärts aus der Küche, während sein starrer Blick stets auf mich gerichtet war.
Plötzlich spürte ich etwas an meiner Hand und nur eine Sekunde später ertönte ein schallendes Klirren.
„Siehst du? Genau deshalb."
Endlich entspannten sich seine Gesichtszüge und er half mir, die Scherben aufzuheben, bevor Jin kommen würde, um mir die Hunderttausendste Standpauke zu erteilen, dass ich mal besser aufpassen solle, da er langsam schon Angst bekäme, ernsthaft verletzt zu werden. Seine Laune hatte man für heute schon genug strapaziert.
Danach lief ich mit sicherem Abstand zu Jungkook und seiner Gitarre die Treppe nach oben.
Dieser lief vor mir und bog nach links ab, um in Taehyungs Zimmer zu verschwinden.
Die Beiden verstanden sich wohl gut. Sie verbrachten oft Zeit miteinander.
Jungkook PoV
Die glatte Oberfläche meiner neuen Errungenschaft fühlte sich gut in meinen Händen an und jeder Akkord den ich spielte, erklang so unfassbar rein und voll, dass ich einfach nur in Taes Bett lag und ihm lauschte.
Er selbst saß am Schreibtisch und arbeitete still an seinem Moodboard.
Ich genoss es, mich einzig auf den Klang zu konzentrieren. Wie er sanft die Stille durchbrach und eine entspannte Atmosphäre schuf.
„Das hört sich schön an. Willst du nicht mal ein Lied spielen und singen, das war ja eigentlich schon fast abgemacht", Tae drehte sich auf seinem Stuhl um und streckte sich, da er bereits seit einigen Stunden genau so am Schreibtisch saß.
„Naja, so gut kann ich noch nicht spielen. Yoongi will mir helfen es zu lernen. Aber wenn du unbedingt willst, werde ich was singen", zufrieden nickte er und legte sich zu mir aufs Bett. Er schien ziemlich erschöpft zu sein, denn er legte sich mit geschlossen Augen auf sein Kissen und wartete darauf, dass ich singen würde.
Erst sang ich das Lied, das sich seit Tagen ununterbrochen in meinem Kopf abspielte.
Nothing like us.
Erneut überkam mich diese Erleichterung und Vorfreude, endlich sorgenlos in diesen neuen Abschnitt meines Lebens zu starten.
Dann überlegte ich, bevor ich das sang, was sonst niemand jemals außer mir gehört hatte. Es war nicht einmal ein ganzes Lied. Ich hab es nie fertig geschrieben und würde es wahrscheinlich auch nie.
Decalcomania
Als ich verstummte, blieb Tae jedoch still liegen und ich fragte mich, ob er wohl eingeschlafen ist. Diese Vermutung bestätigte sich, als er auch keine Reaktion auf mein wiederholtes Flüstern seines Namens zeigte.
Vorsichtig stieg ich aus dem Bett, darauf bedacht, ihn nicht zu wecken.
Doch bevor ich das Zimmer verließ, wollte ich aber unbedingt noch sehen, was Tae so begeisterte. Was er einfing, wenn er stundenlang mit seiner Kamera herumlief und sie überall hin mitnahm, um bloß keinen schönen Moment zu verpassen.
Trotzdem fühlte ich mich etwas schuldig, als ich nach der Kamera griff, wie sie so verlockend auf dem Schreibtisch lag und förmlich nach mir rief.
Ging das nicht etwas zu weit?
Würde ich damit seine Privatsphäre missachten?
Immerhin war ich mir sicher, dass sich darauf mehr als nur Bilder verbargen.
Das ist so eine Sache mit einer Leidenschaft. Es ist mehr, als es scheint. Man steckt seine Gefühle hinein. Für einige, ist es die einzige Art auszudrücken, was sie empfinden. Es ist sehr intim und ich würde ohne sein Einverständnis in seine Gefühlswelt eintauchen.
Doch die Neugier war zu groß. Ich warf einen Blick auf Tae, der immernoch fest am Schlafen zu sein schien.
Deshalb griff ich nach der Kamera und öffnete etwas nervös die Galerie, die ganze Zeit darauf bedacht, Tae nicht aus den Augen zu lassen.
Einige wunderschöne Bilder von der Stadt, wie sie leuchtete in den goldenen Strahlen der untergehenden Sonne. Ein Schmetterling, in den schönsten Farben, so bunt wie die Menschenmenge auf dem nächsten Bild.
Jedes Bild löste andere Emotionen in mir aus und überbrachten mir auf eine geheimnisvolle Weise Botschaften. Es war pure Inspiration und ich bewunderte Tae, wie er diese Schönheit, von sonst so alltäglichen Dingen einfangen kann. Von Dingen, die wir sehen, aber irgendwann aufgehört haben, sie wahrzunehmen. Die Bilder zeigten eine Perspektive auf die Dinge, als wäre das ganze Leben eine Reise der Farben, der Gefühle. Ich nahm alles auf diesen Bildern intensiver wahr und nahm mir fest vor, mein mehr Leben zu genießen. Die „kleinen" Momente zu schätzen, die eigentlich nicht klein sind. Das sind sie ganz und garnicht.
Lange Zeit verstand die ganzen Sprüche über das Leben nicht. Von wegen ,das Leben sei kurz' oder ,you only live once', doch jetzt verstand ich es. Und es war schon fast etwas absurd, als ob ein paar Bilder so etwas erreichen könnten. Aber das ist in diesem Moment geschehen.
Ich wollte noch mehr sehen. Ging weiter in der Galerie, als ich erschrak.
Eine völlig andere Art von Fotografien kam mir entgegen. Es war eine Nahaufnahme von einer Person. Von mir.
Überfordert legte ich einfach die Kamera zurück auf den Tisch und verließ überrumpelt das Zimmer.
Völlig durch den Wind huschte ich durch den Flur in mein Zimmer, glitt an dessen Tür hinunter und starrte aus dem Fenster, auf der anderen Seite des Zimmers.
Was hab ich da gerade gesehen? Wann hat er die gemacht?
Und plötzlich fühlte ich mich noch schuldiger. Ich war nicht sauer, dass er Bilder von mir gemacht hatte. Es war mir nur unangenehm und ich fühlte mich einfach schuldig, denn diese Bilder waren nicht dazu bestimmt von mir gesehen zu werden und ich hatte ganz sicher seine Privatsphäre verletzt.
Frustriert atmete ich aus und legte meinen Kopf auf die Knie.
Sollte ich jetzt einfach so tun, als hätte ich das nie gesehen?
Es schien mir die beste Lösung zu sein, aber ich war mir nicht sicher, ob ich dazu in der Lage wäre.
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