5. Kapitel
Nach der zweiten und somit auch letzten Vorlesung für den heutigen Tag, eilte Dave mit schnellen Schritten die Steintreppen des Gebäudes hinunter und die Flure mit hellem Laminatboden entlang, bis er sich schließlich draußen befand und dort weiter Richtung Parkplatz lief, wo er sich Julia zu sehen erhoffte.
Doch alles, was er zunächst sehen konnte, waren andere Studenten, die in kleinen Gruppen zusammenstanden und sich über den neusten Tratsch unterhielten. Eines der Mädchen, welches er kannte, hielt ihren Hefter mit beiden Händen fest und drückte diesen an sich. Sie warf Dave einen verstohlenen Blick zu und strich sich gespielt schüchtern eine blonde Haarsträhne hinter das Ohr als er an ihr vorbeiging. Er hatte mal etwas mit ihr, jedoch ging dies zugrunde als er ihre wahre billige Persönlichkeit entdeckte. Nun war sie ein völlig fremder Mensch, der immer noch so tat, als hätte er nie jemanden verarscht.
Seinen Blick abwendend und Kopf schüttelnd, bog er um die Ecke ab und lief nun über den Bürgersteig zum Parkplatz, auf dem Julia bereits mit verschränkten Armen an ihrem roten VW Jetta - ein eher neueres Modell - angelehnt wartete. Dave sein schwarzer Oldtimer - der Lincoln Continental Mark aus dem Jahre 1978 - war dagegen schon ein echter Hingucker. Sein Vater hatte ihm diesen für einen guten Preis bei einem Arbeitskollegen abgekauft, um ihn Dave zum 18. Geburtstag zu schenken. Und das ist jetzt schon fünf Jahre her.
Mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht, da er so in Gedanken versunken war, trat er nun langsam an den Wagen und somit auch an Julia heran. Diese richtete sich auf und musterte den Studenten kurz.
"Hey", begrüßte sie ihn schließlich, was er mit einem Nicken erwiderte.
"Wartest du schon lange?"
Darauf schüttelte sie den Kopf und ließ ihre Arme locker neben ihrem Körper hängen, sodass diese keine Abwehr und Desinteresse mehr symbolisierten. "Vielleicht fünf Minuten."
"Na, dann hast du ja nichts dagegen, wenn du noch fünf weitere wartest." Verschmitzt grinsend stellte er sich ihr gegenüber und somit an seinen Wagen, dann lehnte er sich mit dem Gesäß an.
"Hm, und was wenn ich etwas dagegen habe?", spielte sie mit und schmunzelte dabei leicht. Ihr Blick wanderte an ihm von unten nach oben hinauf, während sie sich nachdenklich über den rechten Arm strich und sich ihre Lippen leicht teilten. Ihr Gegenüber trug ein hellblau kariertes Hemd im Kontrast einer dunklen Jeans und schwarzen Boots.
"Ich denke nicht, dass du etwas dagegen hast", meinte Dave plötzlich selbstbewusst und strahlte sie förmlich an als er merkte, wie sie ihn betrachtete.
"Ach ja?" Da sie keine bessere Antwort parat hatte, schürzte sie trotzig die vollen Lippen, brach den Blickkontakt kurzzeitig zu ihm ab und verschränkte währenddessen die Arme.
"Hmh." Dave kam gar nicht mehr aus dem Grinsen heraus. "Denkst du jetzt immer noch, dass ich so scheiße bin?"
Langsam begann sie mit dem Kopf zu schütteln, wobei ihre Haare hin- und herschwankten.
"Nein", antwortete sie darauffolgend leise, was dem Studenten einen Stein vom Herzen fielen ließ. Hätte sie nichts erwidert oder im schlimmsten Fall sogar nicht verneint, dann wüsste er nicht, was er noch hätte versuchen können.
"Gut", lächelte er. "Du meintest vorhin, du willst nach Hause. Aber ich dachte du hast hier in der Nähe ein Zimmer, wie jeder andere auch?"
"Ja, habe ich ja auch", murmelte sie und richtete den Blick wieder auf ihn. "Meine Mutter will mich dennoch mal wieder sehen." Mehr wollte sie ihm nicht darüber verraten. Und eigentlich ging es ihn ja auch nichts an, weshalb er nicht weiter nachbohren wollte. Er nickte stattdessen also nur, schob seine Hände in die Hosentaschen und schaute kurz auf den Boden.
"Was ist das eigentlich für ein Wagen?", wollte sie wissen und an der Art und Weise, wie sie sprach und ihn dabei ansah, konnte man ihre Neugier deutlich spüren. Dave blickte auf und runzelte die Stirn, ehe er achselzuckend antwortete.
"Ein Lincoln Continental Mark, Oldtimer. Hat mir mein Vater damals geschenkt."
"Oh, nett von ihm." Sie biss sich sanft auf die Unterlippe, während sie den, in der Nachmittagssonne, glänzenden Wagen musterte.
"Ja, finde ich auch", stimmte er nickend zu. Jedoch war er der Meinung, dass sein Vater dies nicht hätte tun müssen, da sie sowieso schon immer wenig Geld besaßen. Doch es war in dieser Familie so üblich, dass man von seinem Vater einen Wagen geschenkt bekam oder zusammen einen aussuchen ging. Wahrscheinlich hätte es ihn verletzt, wenn sich Dave später selbst einen geholt hätte. Und er wollte auf gar keinen Fall das bisschen Stolz und die Würde, die sein Vater noch in sich trug, zerstören.
"Hmm, machst du mir den Weg jetzt frei?", fragte Julia schließlich und blickte wieder zu dem Studenten hoch, welcher abwesend in die Luft starrte und erst reagierte, als sie vor dessen Gesicht mit einer Hand winkte. Er blinzelte kurz und verdrängte somit sein Tagträumen.
"Okay, ja dann wollen wir mal." Dave lächelte ein wenig, und nachdem er dies gesagt hatte, ging er zur Fahrerseite, welche er mit dem Schlüssel aufschloss. Wenige Sekunden später saß er hinter dem Steuer, ließ den Motor losbrummen und legte den Rückwärtsgang ein. Mit dem rechten Arm nach hinten auf die Rückenlehne gestützt, drehte er seinen Oberkörper leicht zur Seite, um hinter sich die Lage zu analysieren. Es war kein Student zu sehen, also fuhr er langsam los und lenkte den Wagen dabei so, dass er keinen der anderen berührte. Denn die Kosten für eine Reparatur konnte er sich auf keinen Fall leisten.
Wieder normal in einer Parklücke stehend, zog er den Schlüssel ab, wodurch der Motor verstummte. Er stieg aus dem Wagen aus, schlug die Tür eher sanft zu und lief dann wieder zu Julia, die noch brav auf ihn wartete.
"Zufrieden?", grinste Dave sie an und er konnte erkennen, dass sie sich ihres verkniff.
"Ja, in der Tat." Julia deutete ein bestätigendes Nicken an, griff dann in ihren kleinen Rucksack und holte ihren Schlüsselbund heraus, an dem nicht nur der Autoschlüssel hing, sondern auch der für ihr Zimmer im College und der für das Haus ihrer Mutter.
Dann öffnete sie die Beifahrertür, um ihren Rucksack auf dem Sitz abzulegen. Nachdem sie sich wieder aufgerichtet hatte, drehte sie sich zu Dave um und lächelte.
"Ich fahre dann jetzt."
Der Angesprochene hob den Kopf ein wenig und zog seine Augenbrauen verwirrt zusammen.
"Eh- was? Achso, ja", sagte er schnell und strich sich nervös durch das Haar. Anscheinend hatte sie nicht bemerkt, wie er ihr auf den Allerwertesten geschaut hatte, als sie ihren Rucksack in den Wagen legte. Gott sei Dank.
"Ich auch", murmelte er dann, worauf Julia nickte und schließlich um ihren Wagen ging, um einzusteigen.
Er beobachtete sie dabei kurz, wartete bis sie losfuhr und ging dann selbst zurück zu seinem Wagen, in den er einstieg. Kurze Zeit später ließ er den Motor anspringen und lenkte den Wagen dann vom Parkplatz in den fließenden Verkehr.
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