4. Kapitel

Als Dave am nächsten Tag zum College fuhr, hielt er gezielt nach dem Wagen der Studentin aus, von der er immer noch nicht den Namen kannte.

Nachdem er das kleine, rote Auto erblickt hatte, parkte er mit einem leichten Grinsen auf den Lippen schließlich so, dass es ihr unmöglich sein würde, einfach aus der Parklücke herauszukommen, wenn Dave seinen Wagen nicht wieder zur Seite fuhr. Dann stieg er aus und ging zu einer seiner Vorlesungen, in der er sich einen Vortrag über Biochemie und Genetik anhörte.
Er holte seinen Hefter heraus und machte sich in diesem Notizen. Mit seinen Gedanken war er jedoch ganz woanders, weshalb er auch nicht bemerkte, wie sein Nachbar ihn ansprach. Erst als dieser ihn mit seinem Ellbogen anstieß, reagierte Dave und und sah irritiert zu ihm herüber.
"Was denn?"

"Eh- kannst du mir mal deinen Radierer leihen?", fragte der Typ flüsternd.

Ernsthaft? Wieso strich er es nicht einfach durch und schrieb auf der nächsten Zeile weiter?
Dave seufzte, nahm jedoch seinen Radiergummi und gab ihm diesen anschließend.
Und da jetzt sowieso aus seinen Gedanken gerissen wurde, konzentrierte er sich wieder auf die Vorlesung.

Als diese endlich vorüber war, stand er auf und verließ mit zügigen Schritten den Raum, nachdem er von dem Kerl seinen Radierer zurückbekommen hatte. Mit einer Hand durch sein braunes Haar fahrend, steuerte er auf die Ausgangstür zu, um draußen eine Zigarette zu rauchen.
Dort angekommen, lief er die Treppen hinunter und stellte dann seinen Rucksack auf den Boden ab und nahm eine Zigarette heraus, die er sich anzündete. Während er genüsslich an dieser ziehen wollte, hörte er, wie sich jemand weibliches ganz in seiner Nähe aufregte.

Dave hob seinen Kopf an und suchte den Parkplatz mit seinen grünen Augen ab, der sich vor ihm befand. Da fiel ihm kein gewisseres Mädchen auf, als das vom vorherigen Tag.

"Hey", brachte er, mit der Zigarette zwischen seine Lippen geklemmt, hervor als er auf sie zuging.
"Was hast du denn?"
Mit einem unschuldigen Blick musterte er sie. Heute trug sie eine hellfarbene Bluse, einen kurzen Rock und schwarze Strumpfhosen mit Ballerinas.
Süß.

Sie stöhnte kurz genervt auf und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr, die sich aus ihren, mit einem Haargummi zusammengebundenen Haaren gelöst hatte.
"Was willst du von mir?"

Er schluckte leise. "Nichts. Also, ich-", stammelte Dave auf einmal los, doch als ihm keine Ausrede einfiel, verstummte er wieder. Verbittert drückte er die Lippen aufeinander. So würde das doch nie etwas werden. Es schien ihm sogar schon total lächerlich, auf solch eine verzweifelte und hoffnungslose Weise um ein Mädchen zu werben.

"Du?", fragte sie erst, winkte dann aber ab. "Naja, egal."
Wieder blickte sie angestrengt auf den Parkplatz; dabei zog sie ihre feinen Augenbrauen zusammen, sodass sich ein kleines V zwischen diesen bildete, und presste die rosa Lippen zu einer dünnen Linie aufeinander.

Nach langem aufmerksamen Beobachten der Studentin und unendlich wirkendem Schweigen, fing Dave wieder an, ein Gespräch aufzubauen.
"Was ist denn los?"

"Ach nichts, ich versuche bloß herauszufinden, wer mir sein Auto so blöd in den Weg gestellt hat. Ich muss nachher doch noch nach Hause fahren!", sagte sie aufgebracht, wobei der letzte Teil wahrscheinlich nicht mehr an Dave, sondern an sie selbst, gerichtet war.

Daraufhin verkniff sich Dave ein amüsiertes Grinsen und seine Augen glänzten vor Freude.
"Nur einmal darfst du raten."

"Warte- was?" Sie sah zwischen ihrem Auto und Dave mehrmals hin und her, welcher seine Zigarette auf dem Boden warf und auf diese trat, um sie auszumachen. Dabei drehte er seinen Fuß leicht.
"Was soll das?", fragte sie ihn schließlich empört und ihre braunen Augen funkelten ihn währenddessen wütend an. Jedoch kümmerte ihn dies nicht. Stattdessen zuckte er also mit den Schultern und lächelte unschuldig.
"Ich weiß nicht."

"Okay, es reicht. Fährst du deinen Wagen eventuell von dort weg?" Sie drehte sich zu ihm und verschränkte ihre zierlichen Arme vor der Brust.
Und da kam Dave auf eine Idee, die seiner Meinung nach gar nicht mal so schlecht war und auch funktionieren musste.
"Vielleicht. Aber erst, wenn du vorher mit mir in die Cafeteria gehst."

"Was? Aber ... Ich muss lernen. Ich-", seufzend ließ sie ihre Schultern hängen und blickte nachdenklich zur Seite. Ihr Gegenüber verdrehte die Augen.
"Na und? Das kann warten."

Sie atmete laut aus und schaute ihn dann mit ernstem Blick an.
"Zwanzig Minuten in der Cafeteria und dann gehe ich lernen, okay?"
Dave sein Gesicht nahm sofort heitere Züge an, sodass er wenige Sekunden später anfangen musste zu grinsen.
"Gut, komm mit."

Er nahm seinen Rucksack, setzte ihn sich auf und lief schließlich die Treppen zur Eingangstür hinauf, die er dann aufstieß und so lange offenhielt, bis die Studentin durch diese ging.
Infolgedessen senkte sie den Kopf und Dave hätte meinen können, dass ihre Wangen ein wenig an Farbe gewannen. Aber das war bestimmt bloß Einbildung.

In der Cafeteria nahmen sich schließlich beide ein Tablett, auf die sie sich jeweils etwas zu essen legten. Dann gingen sie schweigsam zu einem Tisch und setzten sich gegenüber.
Dave räusperte sich leise.
"Also, wie heißt du eigentlich?", fing er an und erhoffte dabei, dass sie ihm mal nicht schnippisch antworten würde. Zu seinem Glück tat sie dies auch nicht. Vielleicht hatte er sie die ganze Zeit über falsch eingeschätzt?
"Julia", meinte sie leise und lächelte dann ein wenig.
"Oh. Das ist ja wie in-"
"Ja, wie in Shakespeares Drama. Ich weiß", unterbrach sie ihn schnell. Womöglich war es ihr peinlich, da andere es ebenso schon mal mit ihr in Verbindung gebracht haben könnten.
"Und du?"

"Dave", antwortete er breit lächelnd, während er ihr dabei in die Augen sah und etwas wie Freude wahrzunehmen schien.
"Du redest nicht viel, was?"
Nachdem er ihr diese rhetorische Frage gestellt hatte, nahm er sich seinen Apfel vom Tablett und biss in diesen hinein.
"Wenn ich kein Thema habe, dann nicht", antwortete sie trotzdem und beobachtete ihn eine Weile. Dann aß sie ebenfalls los.
Dave nickte, erwiderte aber nichts darauf. Was für eine Standard-Ausrede.

Sie aßen einige Minuten schweigend bis Julia wissen wollte, was Dave studierte. Dieser war gerade dabei einen weiteren Bissen seines Apfels zu nehmen, hielt aber inne und richtete den Blick auf das Mädchen vor sich, welches ihn interessiert musterte.
"Mathematik, dazu Naturwissenschaften und Biologie."

Überrascht zog sie ihre Augenbrauen in die Höhe und schob sich die letzte Portion ihres Salates in den Mund. Dave musste grinsen.
"Ja, und was ist mit dir?"

"Medizin, das war es auch schon."
Schulterzuckend senkte sie den Blick und schaute vor sich auf den Tisch, den einige andere Studenten mit Kugelschreibern oder Bleistift bekritzelt hatten.
"Du redest ja so, als ob das nichts wäre", meinte Dave darauf und runzelte leicht die Stirn. "Was möchtest du werden?"

"Kinderärztin." Sie lächelte ein wenig vor sich hin - so, als würde sie bereits davon träumen und es sich genau in diesem Moment vorstellen.
"Hmm, Kinder können echt nervig sein", neckte Dave und riss sie somit aus ihren Gedanken. Infolgedessen lachte Julia leise und hielt sich die Hand vor den Mund.
"Ja, können sie."

Dave stimmte in ihr Lachen mit ein, sodass sich ein paar der Studenten zu ihnen umdrehten. Daher verstummte Julia schlagartig mit einem Stirnrunzeln und richtete den Blick starr auf ihr Tablett.
"Lass die doch glotzen", meinte ihr Gegenüber Augen verdrehend, woraufhin sie nur mit den Schultern zuckte.
Er schüttelte langsam den Kopf - fassungslos darüber, dass sie sonst immer so selbstbewusst schien und nun komplett das Gegenteil war -, stützte diesen anschließend auf einer Hand ab und begann Julia zu beobachten. Wie sie sich abermals eine braune Haarsträhne hinter das Ohr klemmte, auf ihrer Unterlippe herumkaute bis sie rot wurde und wie ihr Blick gedankenverloren durch den gesamten Raum schweifte, bis er sich letztendlich auf Dave legte, was dieser zunächst gar nicht bemerkte.
"Was ist?", fragte sie plötzlich und ihre zarten Wangen nahmen dabei einen rosafarbenen Ton an.

"Oh, eh- nichts!", sagte er schnell als er blinzelte und wieder eine normalere Sitzposition einnahm, indem er sich aufrichtete.
Wie spät war es eigentlich? Egal!
Hoffentlich schaute sie nicht auf eine Uhr, da ihr sonst auffallen würde, dass sie noch lernen wollte und die zwanzig Minuten schon längst vergangen waren.
"Okay", murmelte sie. "Erzähl mir etwas von dir, Dave ... Bitte."
Er legte seine Stirn in Falten. "Und was? Über mich gibt's nicht viel zu sagen."
Aber das wollte sie nicht einfach so stehen lassen, da sie unbedingt mehr über ihn erfahren wollte.
"Hmh. Warum genau bist du hier?"

"Na, ich möchte Lehrer werden", antwortete er lächelnd, was Julia sofort erwiderte.
"An einer High-School?", fragte sie interessiert und stützte sich dabei mit ihren Ellenbogen auf dem Tisch ab, als sie sich zu ihm vorbeugte.
Er nickte und zwang sich seinen Blick von ihr abzuwenden, da er ihr sonst unverschämt auf das Dekolleté gestarrt hätte. Und er wollte ja nicht, dass sie falsch von ihm dachte.
"Dort gibt es aber auch Kinder. Zwar größere, aber trotzdem", grinste sie ihn fröhlich an und entblößte dabei eine gerade Reihe weißer Zähne.
"Mhm", brummte er als Antwort. "Ich weiß. Aber mit denen werde ich schon fertig, keine Sorge."

"Glaube ich dir sofort." Ihre Lippen umspielte wieder ein sanftes Lächeln, welches selbst ihre Augen erreichte.
Und Dave war sich sicher, dass sie die Zeit vergessen hatte, weshalb er sie daran erinnern wollte. Ansonsten würde dies hier nie ein Ende nehmen und sie würde ihm vermutlich den Kopf abreißen, wenn sie keine Zeit mehr zum Lernen hätte. Zudem musste er noch zu einer zweiten Vorlesung, welche gleich begann.
"Ja, naja - musstest du nicht noch lernen?"

"Oh, Scheiße!", fluchte sie ganz leise und als sie dies realisierte, sah sie sich in der Cafeteria vorsichtig um. Bereute sie etwa, dieses Wort gesagt zu haben?

Dave schüttelte erneut den Kopf und erhob sich dann langsam mit beiden Tabletts in den Händen.
"Geh schon mal. Ich bring das hier weg", schlug er locker vor.
"Und wir sehen uns nachher nochmal, richtig?" Er fing an schelmisch zu grinsen, was Julia erst mit einem verwirrten Blick erwiderte. Dann klärte er sie aber auf.
"Auf dem Parkplatz wegen deines Wagens."

"Oh", stieß sie flüsternd aus und ihre Gesichtszüge wurden eine Spur ernster.
"Ja! Und wehe, wenn nicht." Dies konnte Dave nur belächeln, da ihn Julia's Bemühung, wieder mutiger zu wirken, amüsierte. Sie wirkte auf ihn eher schmollend und trotzig.
"Jaja, und jetzt geh' endlich."
Dann machte er sich auf den Weg und brachte die leer geputzten Tabletts weg. Julia sah ihm nickend hinterher, machte ebenso kehrt und verschwand nach wenigen Sekunden aus der Cafeteria.

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