16. Entzugsanstalt
"Wo bringst du mich hin?"
"In eine Klinik."
"Was?! Das kannst du nicht tun!"
"Doch, kann ich. Du stellst nicht nur eine Gefahr für dich, sondern auch für andere dar. Und glaub mir, ich möchte dich nicht nochmal bewusstlos auf deinem Wohnzimmerboden vorfinden! Zwischen zerbrochenen Bierflaschen und deinem Erbrochenem."
Die Fahrt dauerte anderthalb Stunden und das war auch gut so. Es gab den beiden Zeit zum stillen Nachdenken.
Winter kam aus seinem alten Umfeld heraus - weg von ihrem Haus, dem Friedhof, seinen Eltern, die er sowieso schon länger nicht mehr gesehen hatte, weg von der Unfallstelle.
Monate vergingen, in denen sich Lennie täglich bei Winter meldete. Jedes Wochenende kam er ihn in der Klinik besuchen, ging mit ihm spazieren oder saß mit ihm im Gemeinschaftsraum, unter Beobachtung der Pfleger, und hoffte darauf, Fortschritte zu erkennen.
Winter machte tatsächlich den Anschein, über einiges hinweggekommen zu sein. Die stimmungsaufhellenden Medikamente halfen jedenfalls und schlugen bei ihm bereits nach einigen Wochen an.
Aber jede Therapieform hatte seine negativen Seiten.
"Und? Wie geht es dir mittlerweile?"
"Man bekommt hier verdammt gute Drogen, Lennie!"
Sein Gegenüber seufzte leise und murmelte etwas unverständliches vor sich hin.
"Aber mir wird von dem Mist auch schlecht, ich bin dauerhaft müde und mein verdammter Schwanz macht nicht das, was ich will! Ich bin noch jung und keine neunzig, scheiße ey-"
"Hast du denn verschiedene Medikamente ausprobiert?"
"Natürlich. Was dachtest du denn? Aber was soll's. Die besten sind immer noch die Beruhigungsmittel!"
"Ja?"
Winter nickte überzeugt.
"Ohne diese Dinger würde ich kein Auge zubekommen."
"Hm, wie lange musst du noch hierbleiben?"
"Ein paar Wochen, wieso?"
"Nur so. Ich habe deine Bude aufgeräumt und einiges aussortiert."
"Aussortiert?"
Er klang verbissen und daran erkannte Lennie, dass Winter wohl immer noch nicht ganz über die Vergangenheit hinweg war.
"Für einen Neuanfang, Winter. Anders funktioniert es nicht."
"Genau die gleiche Scheiße hat meine Therapeutin auch gesagt. Aber so einfach ist das nicht!"
"Ich weiß, Winter."
"Nein."
Sie schwiegen sich einige Minuten an, ehe sich Lennie von seinem Stuhl erhob. Im Gehen klopfte er seinem Freund auf die Schulter.
"Ich rufe dich morgen an, Winter. Bis dann."
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