07. Rückwärts gehen
September, 2002
"Ich habe dir zwar versprochen, ab und zu mit dir dorthin zu gehen. Aber nicht, dass es zur Gewohnheit wird, Winter."
"Wen interessiert das denn! Mir geht es gut; ich habe alles unter Kontrolle. Komm schon. Es sei denn du willst, dass ich mir den Drecksalkohol demnächst nach Hause schicken lasse. Meinen Postboten wird das sicherlich freuen, wenn er sich vorher selbst noch eine verdammte Flasche aus dem Paket herausklaut."
"Mich, verdammt! Mich interessiert es! Und du hast rein gar nichts unter Kontrolle", knurrte Lennie ihm entgegen. "Ständig sitzt du nur an Theken dran und feierst deine Nächte durch mit allem, was du kriegen kannst. Hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel gesehen? Deine Augenringe sprechen Bände."
"Ständig? Ein paar Wochen ... höchstens. Also jetzt beruhige dich doch mal, Lennie", lachte Winter amüsiert.
Lennie erkannte in dessen Worten und diesem bloßem Verhalten nicht den jungen Mann wieder, den er damals kennengelernt hatte und mit dem er bereits etliche Male durch Dick und Dünn gegangen war.
"Monate, Winter. Ach was rede ich da, natürlich dein halbes Leben lang! Bevor du ihn kennenlerntest, warst du ein Wrack! Nicht nur die Schule, sondern vor allem auch deine Familie hat dazu gewaltig beigetragen. Die Familie, die dich nicht so akzeptierte, wie du warst; die dich zu einem bestimmten Menschen formen wollte, der du nie hättest sein können. Der du auch nie geworden bist - zum Glück, muss ich sagen."
Winter starrte ihn an - sekundenlang, minutenlang, ohne ein einziges Wort zu sagen. Er brodelte innerlich vor gemischten Gefühlen, doch vor allem vor Wut. Er war wütend auf Lennie, auf seine zerstrittene Familie, auf die bittere Wahrheit und ganz besonders auf sich selbst.
"Spar dir deine Spucke, Lennie."
Winter zog sich in kurzer Zeit seine Jacke über und verließ seine Wohnung, um die nächstbeste Bar aufzusuchen. Zurück zu alten Verhaltensweisen, zu alten Mustern.
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