32 | Film schauen

Silas sagte die Fahrt über kein Wort, bis er seinen Blick öfters über meinen Körper wandern ließ, was mich völlig verlegen machte.

"Was ist?", fragte ich schließlich leise, weil ich den Grund für sein ständiges Starren erfahren wollte.
"Nichts, alles gut. Du... dir stehen meine Klamotten bloß."

"Oh, danke." Meine Wangen färbten sich rot, doch dann musste ich schmunzeln und verengte mit Absicht leicht die Augen. "Hast du dir gerade indirekt selbst ein Kompliment gemacht?"
"Oh eh... nein! Also, ich denke nicht", brummte er nachdenklich.
"Hm." Jaja! Mit einem Lächeln auf den Lippen drehte ich meinen Kopf zur Seite und stützte ihn anschließend ab, als ich aus dem Fenster schaute.

"Aber was ich gesagt habe, meine ich trotzdem ernst." Er umfasste das Lenkrad mit beiden Händen fester als zuvor, weshalb ich ein wenig nervös wurde. Es verunsicherte mich total, da ich ihn überhaupt nicht so kannte.

"Okay", murmelte ich. "Geht's dir gut?"

"Hm?" Ich sah mich kurz an und bemerkte dabei meinen festgehefteten Blick auf dessen Hände. Er lockerte diese sofort und fuhr sich schließlich mit der rechten durch sein Haar.
"Ja, alles gut."

Ich nickte darauf nur, weil ich ihn nicht noch weiter reizen oder nerven wollte und betrachtete derweil meine eigenen Hände.

Wenige Minuten später kamen wir bei Silas seinem Haus an und schnallten uns ab.
"Alles in Ordnung?"

"Ja, mir geht's gut", meinte ich nur und stieg dann zeitgleich mit ihm aus, nachdem er meine wenig überzeugende Aussage mit einem stummen Nicken akzeptiert hatte.

Er streckte sich leicht, wobei man seine Wirbelsäule knacken und ihn keuchen hörte.

"Altes Ding, du", schmunzelte ich amüsiert und er lachte deswegen leise.
"Hey! Nicht nett."

Ich grinste nur und folgte ihm dann zur Haustür, die er darauffolgend aufschloss.

"Home sweet home. Möchtest du etwas trinken?", fragte er mich beim Eintreten in den Flur. Ich nickte kurz, legte dann die Tüten auf die Kommode und zog anschließend Silas' Jacke aus, welche ich an einen Haken anhing.

Silas verschwand in der Küche und hantierte dort herum, bis er anschließend mit etwas in seiner Hand auf mich zukam. Er griff zum Kragen meines Oberteils und zog diesen anschließend zu sich, sodass er etwas kaltes in das T-Shirt fallen lassen konnte. Eis!

Ich zuckte zusammen und packte den Stoff meines Oberteils, das ich anschließend aus der Jeans zog, damit der Eiswürfel frei nach unten auf den Boden fallen konnte. Silas lachte leise.

"Sehr witzig", meinte ich trocken und hockte mich hin, um den Eiswürfel aufzuheben. Dann schaute ich nachdenklich zu ihm auf.
"Hast du... hast du eigentlich Freunde?"

"Ja, schon. Wenn du willst, stell ich sie dir mal vor. Obwohl... nein, noch nicht. Aber bald."
Er zuckte ein wenig unbeholfen mit den Schultern. "Und natürlich nur, wenn du willst."
"Wieso noch nicht?", wollte ich verwirrt wissen.
"Sie naja... zweifeln daran, dass ich auf Frauen stehe. Was ich aber tue, also... denke ich", meinte er stirnrunzelnd.

Das war klar, was hatte ich sonst anderes erwartet? Betrübt schaute ich auf den Boden und schluckte leise, wollte mir nicht ansehen lassen, dass es mir auf eine gewisse Weise einen Stich ins Herz versetzte.
"Ich- ich weiß...", stammelte ich schließlich, als ich aufstand.

"Nein, du weißt es nicht." Er wandte sich von mir ab und kehrte in die Küche zurück.
"Ich tu es auch nicht...", flüsterte er eher zu sich selbst, doch ich hörte es trotzdem.

Ich sah Silas hinterher als dieser erneut in der Küche verschwand und kurze Zeit später wiederkam. Dann nahm ich ihm stumm, aber dankbar nickend das Glas ab und ließ auch gleich meinen Eiswürfel dort hineinfallen.

"Willst du was bestimmtes jetzt machen? Film? Oder Essen?"
"Essen vielleicht?", antwortete ich sofort, da ich ziemlich Hunger hatte, und trank dann einen kleinen Schluck von dem kalten Wasser.
"Okay, hast du einen Wunsch? Pizza? Fisch? Pasta?"
"Pizza?" Ich hob meine Stimme leicht und unbeabsichtigt an, da ich mich so freute umd folgte ihm zur Küche. Das ließ Silas schmunzeln, während er zwei Pizzen aus dem Tiefkühlfach nahm, die Verpackungen öffnete und nebenbei den Ofen schon mal vorheizen ließ.

"Wie geht es deinen Wunden und Prellungen?" Er lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Arbeitsfläche und musterte mich.

"Eh- ganz gut", meinte ich, verwirrt über die plötzliche und unerwartete Frage. Und als ich so darüber nachdachte, hob ich eine Hand zu meinem Hals, um mit den Fingern über die grünen und gelblichen Hämatome zu fahren. Mein Blick richtete sich währenddessen auf meine andere, mit alten Narben und Nähten verzierte Hand. Ich fragte mich, wann diese mal gezogen werden mussten und seufzte schwermütig.

"Okay, klingt ja gut." Silas schob die Pizzen in den Ofen und deutete anschließend auf meine Fäden.
"Wann hast du wieder einen Termin?"
"Weiß ich gar nicht... Ich glaube, mir wurde nichts gesagt. Oder ich erinnere mich einfach nicht."
"Nicht schlimm. Ich kann morgen mal anrufen und nachfragen." Er schnappte sich sein eigenes Glas und trank einen Schluck. "Willst du jetzt den Film schauen?"
"Danke", nickte ich lächelnd und blickte dann Richtung Wohnzimmer. "Von mir aus."
"Dann mal los."

Wir nahmen beide im Wohnzimmer auf der Couch Platz, als Silas mich fragte, was für ein Film-Typ ich wäre.
"Magst du Romantik, Drama, Krimi oder eher Action? Vielleicht auch Horror oder Musicals?"

Ein wenig überfordert antwortete ich ihm dann. "Keine Ahnung... Action? Dann aber Klassiker."
"Hm, wie wäre es dann mit Léon - Der Profi?" Er lehnte sich vor, um die Fernbedienung zu erreichen und dann mit dieser den Fernseher anzuschalten. Dann ging er zu seiner DVD Sammlung und suchte den Film heraus.

"Hab ich schon mal gehört, aber noch nie gesehen", murmelte ich und zog eine Decke über meinen Körper, während Silas den Film einlegte und anschließend wieder zu mir kam, um sich zu setzen.

"Es geht um einen Auftragskiller und ein kleines Mädchen, dessen Familie getötet wird, als sie gerade den Einkauf erledigt. Nach kurzem Zögern nimmt Léon die Kleine dann bei sich auf und beschützt sie vor den Mördern."
Silas drückte auf Play und lehnte sich gemütlich zurück.
"Er wird dir sicherlich gefallen."

Ich nickte leicht und richtete meinen Blick gespannt auf den Bildschirm. Und Silas hatte recht, er gefiel mir wirklich. Wir aßen im Lauf des Films unsere Pizza und schwiegen dabei.

Vor allem liebte ich es, dass Léon's bester Freund eine Pflanze war! Er konnte Menschen einfach nicht leiden, außer Mathilda natürlich.

Doch das Ende schockierte und berührte mich zugleich, als das Lied Shape Of My Heart von Sting zu spielen begann. Mein Körper war von einer Gänsehaut übersät und ich musste schwer schlucken.

"Oh. Das ist-" Mir fehlten einfach die Worte.
"Belehrend, faszinierend, erschütternd?", beendete Silas meinen angefangenen Satz und ich nickte daraufhin kurz.
"Ja, etwa in der Reihenfolge."
"Ich liebe diesen Film." Der Ältere lächelte und machte dann den Fernseher aus, als auch der Abspann ein Ende fand.
"Ich denke, ich jetzt auch."

Silas brachte die Teller in die Küche, wo er sie in die Spüle stellte. Ich trank derweil mein Glas leer, stieß die Decke von meinem nun warmen Körper und erhob mich auch von der bequemen Couch.

"Ich... gehe schlafen, Silas."
"Jetzt schon?", fragte der Angesprochene überrascht aus dem anderen Raum des Hauses. "Es ist doch erst Viertel vor neun."
"Ja, aber ich bin müde." Ich zuckte mit den Schultern. Das musste noch am Tagesrhythmus aus dem Gefängnis liegen, denn normalerweise läge ich jetzt schon auf meinem Bett und würde darauf warten, dass das Licht ausgemacht werden würde.

"Achso, okay. Ich werde noch in meinem Arbeitszimmer sein, wenn etwas ist", sagte er lächelnd, als er aus der Küche kam und mit einer Hand in die Richtung des besagten Zimmers deutete.
"Na dann... gute Nacht, Alex."

"Gute Nacht." Darauf verschwand ich erst für eine Viertelstunde im Badezimmer und im Anschluss in meinem Zimmer, wo ich meine verschiedenen Tabletten schluckte und mir die gemütlichen Sachen von vorheriger Nacht anzog, die ich sowieso nur zum Schlafen nahm.

Ich holte mir anschließend ein Buch aus dem Regal und legte mich damit ins Bett. Nach einiger Zeit des Lesens, hörte ich Silas seine Schritte auf dem Flur und war mir sicher, dass er jetzt auch schlafen würde. Also machte ich meine Nachttischlampe aus, legte das Buch daneben und drehte mich auf die Seite, um eine geeignete Position zu finden. Es dauerte nicht lange, bis ich schließlich schlief.

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