28 | Gemeinsames Frühstück
Die Sonnenstrahlen fielen am Morgen hell in das Haus, sodass ich relativ früh wach wurde. Nach mehrfachem Blinzeln, konnte ich meine Augen ganz offen halten und den verschlafenen Blick auf einen leise schnarchenden Silas richten. Er war wirklich die ganze Nacht hier gewesen und hatte auf mich aufgepasst. Es brachte mich ungewollt zum Lächeln, ihn so zu sehen.
Ich setzte mich auf und strich mir durch die dunklen Haare, von denen ich sowieso wusste, dass meine Anstalten, sie in Ordnung zu bringen, nichts bringen würden, da sie sowieso völlig durcheinander sein mussten. Mit einem leisen Seufzer und der Decke um meinen Körper geschlungen, lief ich zu Silas hinüber, den ich anschließend an seiner nackten Brust antippte. Dabei biss ich mir auf die Unterlippe und musterte ihn ausgiebig. Er hatte dunkle Brusthaare, die der Sehne folgten, die sein Sixpack teilte, bis nach unten zu seinem Bauchnabel, unter dem sie dann noch dunkler wurden und letztendlich ganz im Hosenbund verschwanden.
Am liebsten hätte ich mich auf dessen Schoss gesetzt und- Stopp! Sowas sollte ich überhaupt nicht denken. Ich schluckte nervös und hörte dann ein leises Schmatzen.
"Hmh", gab der aufwachende Silas brummend von sich. Er streckte sich langsam und blinzelte, wobei die Decke von seinen Beinen auf den Boden glitt. Dann schaute er zu mir hoch.
"Oh, hey. Ist alles gut?" Seine kehlige Stimme klang rau und dunkel.
"Hi", antwortete ich ganz unschuldig und nickte dann. "Ja, alles ok."
"Okay, ehm..." Er schaute sich nach einer Uhr um, die über dem Fernseher an der Wand hing. Es war erst halb neun.
Silas rieb sich erst die Augen und fuhr sich dann durchs Haar, während er mich schließlich wieder verpeilt und schlaftrunken anschaute.
Ich ging zur Couch und legte die Decke weg, die ich die ganze Zeit vor meinem Körper festhielt.
"Okay, ich geh mich eben einmal abduschen, oder nein, du gehst als erstes und dann mache ich uns Frühstück", sagte Silas als er aufstand und seine eigene Decke hochhob, um sie auf das Sofa zu schmeißen.
"In Ordnung?"
"Ehm, okay." Ich nickte leicht und erhaschte noch kurz einen Blick auf dessen Oberkörper, ehe ich zum Bad losging oder eher flüchtete.
"Bedien dich ruhig bei dem Shampoo und den anderen Dingen. Ich hab im Schrank auch einen neuen Rasierer liegen, falls du einen brauchst", rief er mir noch nach und ich fing deshalb an zu lächeln, weil ich mich freute, wie Silas riechen zu können.
Im Bad warf ich einen kurzen Blick in den Spiegel und zog eine Augenbraue skeptisch hoch als ich mein Gesicht analysierte. Eine Rasur wäre vielleicht keine so schlechte Idee gewesen. Bei Silas sah es toll aus, aber an mir mochte ich diesen kratzigen Bart nicht.
Während ich mich gerade auszog und die Klamotten über die Badewanne legte, hörte ich Silas vor der Tür.
"Ich bin eben Milch und Brötchen kaufen! Brauchst du etwas besonderes? Etwas, was du gerne haben möchtest?"
Mein Herz schlug schnell, weil ich für einen Moment Angst hatte, dass Silas hereinkommen würde und meine Narben sehen könnte. Zum Glück blieb er aber auf dem Flur stehen und wartete meine Antwort ab. Ich räusperte mich leise und ging näher zur Tür, damit wir nicht so schreien mussten.
"Ich... keine Ahnung, nein."
"Kein bestimmtes Essen?", fragte er überrascht.
"Nein." Mir fielen nur Gerichte ein, die ich damals gegessen hatte und assoziierte mit diesen eigentlich nichts gutes mehr.
"Können wir das nachher machen? Ich meine... wir wollten doch einkaufen", murmelte ich letzteres, in der Hoffnung, dass er es nicht hörte.
"Klar, dann fahr ich eben zum Discounter und hole die zwei Sachen. Tob dich da schön aus." An seiner Tonlage konnte ich merken, dass er grinsen musste.
"Bis gleich."
"Okay." Ich kratzte mich verlegen am Nacken und legte die Stirn in Falten.
Als ich nichts mehr seinerseits hörte, ging ich davon aus, dass er das Haus verlassen hatte, weshalb ich mich auch von der Tür entfernte und zu einem Schrank ging, um nach Handtüchern zu suchen. Nachdem ich eines gefunden hatte, legte ich dieses neben die Dusche und stellte mich anschließend gleich unter diese. Ich ließ das warme und lindernde Wasser über meinen Körper fließen und schaute nach unten auf meine Seiten. An manchen Stellen waren noch immer Blutergüsse zu sehen, die aber nicht mehr blau, sondern grün waren.
Ich nahm mir anschließend die Shampoos einzeln vor und suchte nach einem, was mir besonders gut gefiel. Mit diesem seifte ich mich schließlich ein und schaltete zwischendurch immer mal wieder das Wasser aus, um zu sparen.
Danach tastete ich mit zusammengekniffenen Augen nach dem Regler, da der Schaum von den Haaren über mein Gesicht lief und ich nicht wirklich auf brennende Augen scharf war.
Nachdem ich abgeduscht war, lehnte ich mich aus der Dusche heraus und schnappte mir das Handtuch. Und weil ich nicht alles nass laufen wollte, trocknete ich mich an Ort und Stelle ab und hing es danach zum Trocknen weg. Zudem war die Luft ziemlich stickig und schwül, weshalb ich zum Fenster lief und dieses ankippte.
Dann ging ich zum Spiegel und drehte diesem meinen Rücken zu, welchen ich über meine Schulter hinweg betrachtete. Relativ breite Narben, die kreuz und quer über meinen Rücken - und teilweise Hüftknochen - verliefen, zierten diesen. Jedoch hatte ich auch tiefere Krater-mäßige Narben, die auf Gewalteinwirkung mit einer Gürtelschnalle hinwiesen, und mehrere Schnitte an Oberschenkeln, Knien und oberhalb meiner Brust.
"Wieder da!", rief Silas plötzlich gut gelaunt, weshalb ich leicht zusammenfuhr und dadurch in das Hier und Jetzt zurückgeholt wurde. Mein Zeitgefühl war total verloren gegangen und ich wunderte mich, wie lange ich hier schon herumstand.
"Okay!", antwortete ich und zog mir dann die Sachen von gerade eben an. Nachher konnte ich mir ja immer noch neue nehmen.
Ich überlegte kurz, da ich wusste, dass es noch irgendetwas zu erledigen gab und als ich einen nachdenklichen Blick in den Spiegel warf, fiel es mir wieder ein. Mein Bart musste weg.
Deshalb suchte ich den Rasierer aus einem Schrank, den Silas zuvor erwähnt hatte, und stellte mich vor den Spiegel.
Nach wenigen Minuten war der Bart fort und ich musste zugeben, dass ich so gleich fünf Jahre jünger aussah.
Als ich auf dem Weg zur Küche war, kam mir ein Geruch von Speck und den Brötchen entgegen und mich überkam ein unglaubliches Hungergefühl.
Silas stand am Herd und rührte mit einem Kochlöffel in einer Pfanne herum, es sah aus wie Rühreier.
"Hey", begrüßte ich ihn leise, um ihn nicht zu erschrecken.
"Was machst du?"
"Hi." Er drehte sich schmunzelnd zu mir um, dabei ließ er seinen Blick über mein Gesicht wandern.
"Brötchen, Speck mit Eier, und Obst", meinte er und deutete auf die Obstschalen auf dem gedeckten Tisch.
"Riecht toll", komplimentierte ich ihn und lächelte dabei leicht.
"Danke. Und? Wie fühlt man sich so frisch geduscht und rasiert? Ohne Zeitlimit natürlich."
"Gut...", erwiderte ich, während ich mir mit der Rückseite meiner Finger über den Kiefer fuhr.
"Hab die Zeit ganz vergessen."
"Sehr gut", grinste Silas, als er die Pfannen mit dem Rührei und Speck von dem nun ausgeschalteten Herd nahm und mir und sich selbst eine Portion auf zwei Teller machte.
"Magst du Ananas?", fragte er nebenbei und schaute mich dann prüfend an. Da mich dieser Blick jedoch einschüchterte, musste ich mich zwingen, wegzusehen.
"Bestimmt... ja." Nervös strich ich mir über den Nacken und setzte mich dann an den Tisch.
"Noch nie probiert?", sagte er eine Spur sanfter, als er meine Verlegenheit bemerkte.
"Nein", antwortete ich kopfschüttelnd und bekam wenig später ein Stückchen Ananas vor den Mund gehalten.
"Probier."
"Okay", nuschelte ich und starrte dabei auf dessen gepflegte Hand. Ich wollte mir gar nicht erst ausmalen, was sie alles mit einem anstellen- Nein, halt! Energisch schüttelte ich den Kopf und räusperte mich dann. Errötet nahm ich ihm schließlich das Ananasstück weg und schob es mir sogleich in den Mund.
"Hmh, ja lecker", sagte ich nach einiger Zeit des Kauens und Schluckens. Ungewöhnlich aber lecker.
Silas sah mir während des Ganzen gespannt und grinsend zu.
"Sehr gut."
"Ja, wann gehen wir einkaufen?"
"Nach dem Frühstück dusche ich mich noch und ziehe mich an, danach können wir ruhig gehen, wenn du willst." Er holte die Brötchen aus dem Ofen und legte uns jeweils eines hin. Die Restlichen legte er auf einen extra Teller. "Falls du noch eins willst, nimm es dir einfach."
"Okay", lächelte ich und beobachtete, wie er neben mir Platz nahm.
"Dann mal guten Appetit."
Ich nickte leicht, nahm mir dann ein Brötchen und mein Messer und schnitt es in zwei Hälften auf. Danach strich ich konzentriert Butter auf beide Hälften, die sofort anfing zu schmelzen, und legte anschließend Rührei drauf.
"Er hat die Konzentration an erster Stelle", sagte Silas hinter seiner Hand und imitierte so einen Stadionsprecher. An den Augenfältchen konnte ich jedoch erkennen, dass er sich zutode grinste. Ich boxte ihm leicht gegen die Schulter. "Hey! Nicht witzig."
Er lachte jedoch und ließ es sich gefallen. "Genieß es in vollen Zügen."
Nickend biss ich endlich ab und schloss kurz die Augen, um es zu genießen, da es einfach fantastisch schmeckte.
Silas, der mich die ganze Zeit über immer noch beobachtet hatte, fing an, gefälscht zu keuchen, weshalb ich sofort wieder die Augen aufmachte und erneut rot anlief.
Doch ich kriegte mich schnell ein und zog die Brauen zusammen, sodass sich an meiner Nasenwurzel ein V bildete. Dann schaute ich mit einem Blick zu Silas hinüber, als wenn dieser nicht von dieser Welt wäre.
"Dir geht's aber gut, oder?", fragte ich ganz cool und gelassen, obwohl in meinem Inneren ein Sturm tobte.
"Klar, freu mich nur", meinte er grinsend und wandte sich dann seinem eigenen Teller zu.
"Hm, okay." Daraufhin machte ich zwei weitere Bisse, wodurch ich das Brötchen letztendlich aufgegessen hatte, nahm mir dann meine bunte Obstschale vor und stocherte darin herum.
"Wie geht es dir gerade?", hörte ich Silas fragen, der einen Kaffee trank.
"Keine Ahnung, was ich darauf antworten soll." Mit den Schultern zuckend, griff ich zu meinem eigenen Glas und nahm einen großen Schluck.
"Hm." Silas runzelte nachdenklich die Stirn, während er in seine nun leere Kaffeetasse hineinschaute.
"Bist du fertig?"
Ich nickte. "Ja, danke."
"Okay, du kannst dich ruhig schon mal in Ruhe stadttauglich machen." Dann stand er auf und räumte den Tisch ab.
"Eh... und wie?", fragte ich etwas überfordert und erhob mich ebenfalls von meinem Stuhl, um ihm mit dem Geschirr zu helfen, was ich dann auch tat.
"Ach ja, ich muss dir noch die Sachen geben", murmelte er, scheinbar in Gedanken und stellte manche Dinge in die Spülmaschine und andere in den Kühlschrank.
"Okay, einen Moment." Er lief los und kam dann mit einem riesigen Plastiksack wieder.
"So. Das alles hab ich ein halbes Jahr lang schon oben stehen. Jetzt gehört es dir", meinte er schmunzelnd und ich wusste, dass es sich um Klamotten handeln musste, weshalb ich große Augen machte.
"Was- so viel?"
"Es hat sich mit der Zeit so angesammelt. Ich war damals dünner und schmaler, also so in deine Richtung und da ich jetzt zugenommen hab wegen des Sports und der Muskeln, passt nichts mehr", gab er schulterzuckend von sich.
"Hey, ich hab auch Muskeln!", protestierte ich beleidigt gegen dessen Aussage und schaute anschließend an mir herunter. Ich hab doch nicht ohne Grund jahrelang im Gefängnis trainiert! Zwar sollte ich mich abreagieren, doch ich wollte auch kein Streichholz sein.
"Aber du bist ein wenig kleiner", meinte Silas zu seiner Verteidigung und grinste dann überragen. Doch ich runzelte nur die Stirn, weil er in diesem Punkt recht hatte.
"Dann such dir mal etwas Nettes heraus."
Silas ließ mich alleine, und ich ging auf den Berg von Klamotten zu und packte diesen, da ich ihn erstmal aus der Küche tragen wollte. Dann öffnete ich ihn im Wohnzimmer und fing sofort an, darin herumzukramen. Währenddessen suchte ich erst eine dunkle Jeans heraus, welche ich in die Luft hob, kurz betrachtete und dann zufrieden neben mich auf den Boden legte. Nach weiterem Suchen, fand ich eine schwarze Feldjacke und ein graues Shirt.
Mit diesen Sachen und dem Sack, ging ich schließlich die Treppe nach oben und stellte ihn an das Fußende meines Bettes. Ich konnte es überhaupt nicht leiden, wenn etwas unordentlich war. Womöglich weil ich damals immer dazu gezwungen wurde, die gesamte Wohnung aufzuräumen.
Ich zog schließlich die Sachen an, die mir gut passten und legte die Bequemeren zusammengelegt auf das Bett. Die Hose war mir ein wenig zu lang, weshalb ich sie unten mehrmals umkrempelte und anschließend einen Gürtel suchte, den ich einfädelte und dann zumachte.
Als ich mir sicher wahr, dass Silas mit dem Duschen fertig sein musste, ging ich nach unten zum Bad. Tatsächlich hörte ich kein Wasser mehr laufen.
"Silas?"
Die Tür öffnete sich und Silas steckte seinen Kopf heraus, ehe er schließlich ganz aus dem Bad hinauskam.
"Ja?", fragte er und musterte mich dann schmunzelnd.
"Wow, sieht gut aus."
Ich lief rot an und schaute hinab, dabei streckte ich die Arme ein wenig von mich.
"Hm, passt. Machen wir dann los?"
"Jap, bin bereit." Er lief Richtung Flur und schnappte sich sein Handy und Portmonee.
"Also, erstmal paar neue Klamotten für dich, dann Essen."
"Okay", murmelte ich, während ich ihm wie ein Hund folgte.
"Hast du alles?"
"Ehm, ja."
Silas lächelte und ging dann hinaus zu seinem Wagen. Er öffnete mir die Wagentür und machte eine einladende Handbewegung.
"Sir."
"Ha-ha", meinte ich kurz lächend und stieg dann auch schon ein, was Silas mir nach einigen Sekunden gleichtat. Ich wartete, dass er losfuhr, doch er tat es nicht.
"Alex?"
"Hm?", ich drehte meinen Kopf in dessen Richtung und schaute ihn aufmerksam an. Doch er deutete nur nach unten und ich verstand es immer noch nicht.
"Was denn?"
Mit einem leisen Seufzen, lehnte er sich zu mir herüber und kam mir dabei unglaublich nah, weswegen ich meinen Atem anhielt und ihn einfach nur anstarren konnte.
"Anschnallen", sagte er mit seiner tiefen Stimme, sodass sich meine Härchen am ganzen Körper aufstellten. Ich konnte nichts anderes tun, als kurz zu nicken und zuzusehen, wie er meinen Gurt zu sich zog und sich dabei langsam wieder von mir entfernte. Dann hörte ich das Einrasten des Sicherheitsgurtes und atmete hörbar laut ein.
"Okay", meinte ich kleinlaut. "Vergessen."
Er nickte darauf nur und grinste ein wenig schelmisch, bevor er den Motor starten ließ und losfuhr.
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