25 | Freiheit mit Fast Food genießen

Mein Anwalt verabschiedete sich außerhalb des Gebäudes von uns und wünschte mir viel Glück. Dann kam Dr. Myers auf mich zu und schüttelte mir ebenso die Hand.
"Glückwunsch, Alexander."
Ich nickte leicht und dann spürte ich seine andere Hand auf meiner Schulter, weswegen ich zu ihm aufschaute.
"Du kannst den Anzug im Übrigen behalten", lächelte er freundlich.
"Danke, Doktor."
"Gut. Und ich werde Mr. Maddrox in den nächsten Tagen anrufen, wenn ich den ersten Termin ausgemacht habe."
Wieder nickte ich und drehte mich zu meinem - jetzt ehemaligen - Sozialarbeiter um. In dessen Augen blitzte ein Anflug von Eifersucht auf, als er sich neben mich stellte und meinen Therapeuten anfunkelte. Ich räusperte mich leise. Was war denn jetzt los?

Dr. Myers schien dies zu spüren, doch er schmunzelte nur. Er schmunzelte, dieser Idiot! Ich wollte gar nicht wissen, was er in den letzten Tagen alles herausgefunden hatte.
"Bis dann, Alex. Mr. Maddrox."
Der Ältere löste sich von mir, nickte Silas kurz zu und ging schließlich mit großen, anmutigen Schritten zu seinem silbernen Wagen. Ich vermutete, dass es ein Audi war und nicht gerade einer von der alten oder billigen Sorte.

"So, dann gehen wir erstmal deine früheren Sachen abholen und dann zu mir, oder?", wandte sich Silas zu mir.
"Was für Sachen denn?", erwiderte ich verwirrt.
"Ich glaube nicht, dass ich noch etwas habe."
"Nichts? Keine persönlichen Gegenstände? Was ist mit deinen Zeugnissen oder deiner Geburtsurkunde?"
Nervös strich ich mir durch die Haare und zuckte leicht mit den Schultern. Daran hatte ich überhaupt nicht gedacht.
"Ich- ich weiß nicht, ob sie die aufgehoben haben."
"Hm... dann werde ich mal, wenn ich wieder dort bin, nachsehen." Er zog seine Autoschlüssel aus der Jackentasche.
"Dann würde ich sagen, fahren wir los, oder?"
"Okay."
"Und hey, jetzt heb' die Mundwinkel mal an, du bist draußen." Er lächelte mich an, bevor er zu seinem schwarzen Wagen lief und diesen aufschloss. Es handelte sich um eine Marke, die ich nicht kannte.
"Jaja", murmelte ich und ließ meine Schultern hängen, als ich ihm dann hinterher ging. Dabei schaute ich mich gründlich und aufmerksam um, um herauszufinden, ob sich auch auf den Straßen etwas verändert hatte. Währenddessen lief ich auf dem Bürgersteig beinahe gegen eine Laterne und konnte noch knapp ausweichen, indem ich zur Seite sprang.
"Verdammt", brummte ich und schaute dabei ziemlich düster drein. Und da hörte ich ein bekanntes Lachen, denn Silas hatte mich beobachtet. Ich warf ihm einen Blick zu, der böse sein sollte, jedoch gelang mir dies überhaupt nicht. Stattdessen fuhr ich mir erneut durch meine Haare und sah mich peinlich berührt um, um festzustellen, ob es irgendjemand gesehen hatte, was dann wohl aber doch nicht der Fall war. Die vorbeigehenden Menschen waren viel zu sehr in ein kleines, flaches Ding in ihren Händen vertieft. Keinen blassen Schimmer, was daran so besonders war. Ich kannte es eigentlich auch nur, da Silas es öfters auf seinem Schreibtisch zu liegen hatte, wenn wir einen Termin hatten.
Seufzend und in Gedanken schwelgend, erreichte ich endlich den Wagen. Ich stieg ein und Silas tat es mir gleich. Nachdem ich mich zurückgelehnt hatte, schaute ich zum Armaturenbrett des Autos und zog meine Augenbrauen zusammen, als ich erkannte, dass der Schlitz für Kassetten und für CD's verschwunden war. Silas schnallte sich an, schien meinen Blick zu bemerken und schmunzelte.
"Was ist?", fragte er, während er den Motor startete und den Wagen dann auf die Straße und somit in den flüssigen Verkehr lenkte.
"Wenn du willst, kannst du Musik anmachen."

"Nichts. Es hat sich nur einiges verändert", meinte ich so unbekümmert wie möglich und schnallte mich dann auch an.
Anschließend ging ich seinem Vorschlag nach und lehnte mich leicht vor, um den richtigen Knopf für das Radio zu betätigen.
"Sieht ziemlich neu aus", kommentierte ich nebenbei.
"Du wirst dich sicher daran gewöhnen." Er schaute einen kurzen Augenblick in meine Richtung.
"Ja, er ist jetzt aber schon stolze drei Jahre alt."
"Hmh", machte ich nur, suchte einen Sender, der gute Musik hatte und lehnte mich wieder zurück. Dann betrachtete ich aus der Fensterscheibe die Gegend.

Wir fuhren an einem kleinen Park vorbei, an einem Kino und anderen Gebäuden, denen wahrscheinlich irgendwelche reichen Geschäftsleute gehörten. Ich kannte mich hier kein Stück aus, da es nicht mein Heimatort war.
Wir schwiegen für ungefähr zehn Minuten, wenn man der Digitaluhr in diesem Wagen glauben konnte, bis Silas wieder das Wort ergriff.
"Und du willst sicher nichts essen?"
Ich antwortete ihm bloß mit einem Schulterzucken, doch er vernahm es trotzdem.
"Burger? Pizza? Pasta? Chinesisch?", zählte er wie aus der Kanone geschossen, verschiedene Dinge auf. Und dabei bekam ich wirklich Hunger, da ich am liebsten alles hätte ausprobieren wollen.
"Entscheide du", murmelte ich.
"Nope, diese Schiene hier fährt nicht", grinste er, ehe er weitersprach, "leg los, Alex. Wir können auch alles zu mir nach Hause bestellen und dabei etwas gucken."
"Wieso?", entgegnete ich bestürzt und mit der Situation sichtlich überfordert.
"Weil du derjenige bist, der solche Dinge nicht mehr allzu oft zu Gesicht bekommen hat."
Er hatte recht, weshalb ich mich kurzerhand geschlagen gab.
"Ich... ich würde lieber erstmal irgendwo hingehen."
"Gut, dann entscheide dich mal schnell." Er schmunzelte immer noch vor sich hin und manchmal dachte ich, dass er mich auslachte. Doch dann fiel mir wieder ein, dass er ja eine verdammte Grinsebacke und ein unerträglicher Optimist war.

"Okay... ehm-" Ich überlegte lange und gründlich, wobei ich sogar meine Augen schloss. Die Antwort war dann jedoch ziemlich einfach und vorhersehbar. Ich wollte FastFood.
"Burger?"
"Sehr gute Wahl", nickte Silas und lächelte fröhlich darüber, dass ich überhaupt auf das Ganze eingegangen bin.

Wenige Minuten später hielt er vor einen Diner neben mehreren Motorrädern an, welches aufgrund der dunkelroten Ziegelsteinen und der riesigen Fensterfront ziemlich vielversprechend aussah. Vor diesem befand sich außerdem eine Terasse mit Stühlen und Tischen aus dunkelbraunen Holz, das dem ganzen eine einladende und gemütliche Wirkung verlieh.

"Hier ist es am besten!", grinste Silas, als er sich abschnallte und meinen neugierigen Blick bemerkte.
"Komm." Er stieg aus und ich folgte ihm sofort, während er sichtlich entspannt zur Eingangstür ging. Schließlich hielt er mir diese Tür sogar auf, weshalb ich die Stirn runzelte.
"Hereinspaziert."
"Du musst das nicht tun", murmelte ich beim Hineingehen und schaute dabei auf den Boden.
"Ich weiß", entgegnete er unbeeindruckt.
"Ans Fenster? Oder mittig?"
"Fenster", antwortete ich, ohne groß darüber nachzudenken und suchte mir sofort einen freien Platz an der Glasscheibe. Ich wollte einfach nicht in der Mitte sitzen, wo man von allen Seiten angestarrt werden konnte.
Silas nickte und folgt mir, nachdem er sich eine Karte von einem anderen Tisch geklaut hatte, damit ich die nehmen konnte, die auf unserem Tisch lag. Also nahm ich sie mir und betrachte kurz das Cover. Es war dunkelgrün mit einem kleinen Schwein in der unteren Ecke. Daraufhin zog ich die Augenbrauen zusammen und drehte die Karte dann nachdenklich auf die andere Seite, um mir die Adresse des Diners anzusehen. Der Name des Ortes kam mir bekannt vor, was bedeutete, dass ich von der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen war, nicht weit entfernt sein konnte.

"Alles gut?", fragte Silas und holte mich dadurch aus meinen Gedanken.
"Eh... ja." Etwas irritiert legte ich die Karte wieder weg und lehnte mich zurück.
Dann hob mein Gegenüber die Hand, um eine Kellnerin auf sich aufmerksam zu machen. Diese kam dann auch nach wenigen Sekunden an unseren Tisch geeilt und zückte ihren schwarzen Notizblock. Sie schenkte uns ein kokettes Lächeln, während sie Silas und auch mich ausgiebig musterte. Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her, da es mir unangenehm war.

Silas bestellte sich ein Steak mit einer Cola und ich meinen lang ersehnten Burger und Pommes frites mit dem gleichen Getränk. Dann verschwand sie auch schon wieder und warf dabei ihr blondes Haar nach hinten. Wir ignorierten sie jedoch gekonnt.

"Was möchtest du morgen machen?
Nachdem ich einkaufen war natürlich."
Ich kratzte mich verlegen am Hinterkopf und schaute auf den Tisch. Er wollte einkaufen?
"Ich- ich weiß nicht."
"Erstmal etwas an die Freiheit gewöhnen oder sofort die Sau rauslassen?"
"Das Erste, schätze ich."
"Also einen ruhigen Tag mit Filmen und so etwas?", schlug er lächelnd vor und lehnte sich dabei in meine Richtung.
Ich zuckte leicht mit den Schultern.
"Und du gehst einkaufen?"
"Ja, ein paar Sachen für dich. Du kannst es mir dann zurückzahlen, sobald du einen festen Job gefunden hast. Auch, wenn du das nicht musst. Ich schenke es dir gerne."
"Was? Wieso? Aber... wäre es nicht besser, wenn ich mit dabei bin?" Mit einem besorgten Stirnrunzeln betrachtete ich dessen Gesicht, ließ meinen Blick dann aber weiter nach unten gleiten. Wir passten mit unseren Anzügen so gar nicht in den Laden hier hinein. Es war eher etwas für Lederjacken und karierte Holzfällerhemden.
"Kauf lieber etwas für dich selbst... für mich kannst du das später immer noch tun", murmelte ich und wollte mich so aus dem Ganzen herausreden.
"Ja, du kommst mit." Dann schüttelte er den Kopf.
"Ich brauche nichts", versicherte er mir mit einem angedeuteten Lächeln.
"Von mir aus..." Ich seufzte, stützte mich mit den Armen auf dem Tisch ab und sah anschließend müde zur Seite.
"Hey, Kopf hoch."
"Was?", meinte ich verwirrt. "Mir geht's gut."
Dann legte ich meinen Kopf ab und schloss die Augen, während ich Silas Blick auf mir spürte. Ich atmete leise durch und wollte einfach nur noch schlafen. Nun wusste ich auch, was ich als erstes bei Silas tun würde.

Nach kurzer Zeit hörte ich, wie jemand zu uns kam und etwas auf unseren Tisch abstellte. Deswegen hob ich meinen Kopf wieder an und setzte mich richtig hin. Es war die Kellnerin mit unseren Getränken und dem Essen. Es roch einfach nur köstlich.

Ich bedankte mich wie Silas, als sie uns einen guten Appetit wünschte. Dann ergriff Silas sein Besteck und ich meinen Burger mit der bloßen Hand.
"Geil", sagte er fasziniert, während er sich ein Stück von seinem Steak abschnitt und ich einen Bissen von meinem Burger nahm.

"Ach, guten Hunger übrigens", meinte er grinsend und ich nickte.
"Hm... ja dir auch", murmelte ich hinter meinen Händen und dem Burger. Dann schluckte ich herunter, nahm mein Getränk und trank einen großen Schluck.
Silas kam aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus. "So gut?"
"Jap", lächelte ich kurz und aß dann unbekümmert weiter, während Silas leise lachte und seinen Kopf schief legte.
"Was ist?" Ich schaute verwirrt. Amüsierte es ihn etwa, mich essen zu sehen?

"Nichts, alles gut." Er schüttelte den Kopf und begann dann auch endlich mal zu essen, als ich meinen Burger nach wenigen Bissen schon aufgegessen hatte. Dann nahm ich mir die Pommes mit Ketchup vor und schob mir eine nach der anderen in den Mund.
"Hatte schon ganz vergessen wie sowas schmeckt."
"Hab ich mir schon fast gedacht", grinste er.
"Was war damals dein Lieblingsgericht?"

"Ich... weiß es nicht. Es hat nie jemand gekocht oder... sowas in der Art." Meistens stand ich alleine am Herd und hatte mir etwas zusammengebraut. Magenprobleme und eine fast abgefackelte Küche waren da vorprogrammiert. Bilder von einem kleinen Jungen auf einem Hocker flackerten vor meinem inneren Auge auf, da er nicht groß genug war, um an die Töpfe heranzukommen. Ich wurde von einem kalten Schauer ergriffen und schüttelte meinen Kopf, wollte mich nicht daran erinnern und die Gedanken in die hinterste Ecke meines Gehirns drängen.

"Oh, das eh... tut mir leid. Aber wir können von mir aus gerne mal etwas kochen, was du schon immer probieren wolltest."
Verdammt.
"Ja, okay", meinte ich nur und schaute bedrückt woanders hin.
"Okay. Und Alex? Es wird alles gut, glaub mir." Er lächelte sanft.
Doch ich war mir da nicht so sicher.
"Ich... komme gleich", gab ich von mir, ohne auf sein Gesagtes einzugehen, stand auf und ging anschließend Richtung Toiletten.

Ich wusch mir die Hände und das Gesicht und trocknete mich dann mit den Tüchern ab. Währenddessen versuchte ich mein Spiegelbild zu ignorieren, da es mich regelrecht erschrak. Wie konnte man nur so fertig sein!

Verzweifelt wandte ich mich ab, verließ die Toilette und setzte mich schließlich Silas gegenüber, der in der Zwischenzeit aufgegessen hatte.

"Geht es?", fragte er, woraufhin ich ihn verwirrt ansah. Warum sorgte er sich andauernd? Es machte mir verdammt Angst, dass er mich immer so anschaute, als wenn ich jeden Moment zerbrechen würde.

"Ja... und guck mich nicht so an."
Er blinzelte verwundert und hob die Augenbrauen an.
"Oh, ja sorry."

"Bist du fertig?", fragte ich anschließend, während ich meine Hände und die Nähte betrachtete.
"Hast du keinen Hunger mehr?" Er klang etwas gekränkt.
Ich schüttelte aber dennoch den Kopf und blickte schließlich zu ihm auf.
"Können wir gehen?"

"Ehm, ja ich bezahle eben. Du kannst schon mal zum Wagen gehen und warten, wenn du willst", sagte er, bevor er sein Glas leertrank. Ich starrte dabei wie hypnotisiert auf seinen Adamsapfel und musste selbst schlucken.

Dann stellte er das Glas ab, woraufhin ich mich räusperte und dann zu meinem eigenen Glas griff, um etwas abzulenken. Ich trank es in wenigen Zügen leer.
"Okay", murmelte ich danach, stand von dem Stuhl auf und eilte nach draußen.

Silas kam nach wenigen Minuten ebenfalls hinaus und überreichte mir mit seinem 1000-Watt-Lächeln eine Box aus weißem Schaumstoff.
"Was ist das?", fragte ich verwirrt und blickte hinab. Es fühlte sich warm an.
"Na dein Essen." Er öffnete den Wagen und wartete, dass ich einstieg, und bevor ich das tat, murmelte ich noch ein Danke, welches er mit einem stummen Nicken akzeptierte.

Er schloss meine Wagentür und ging auf die andere Seite, wo er dann schließlich auch einstieg. Und im nächsten Moment befanden wir uns im stressigen Feierabendverkehr der Stadt.

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