𝟏𝟖. 𝐖𝐢𝐧𝐭𝐞𝐫𝐩𝐚𝐫𝐚𝐝𝐢𝐞𝐬
✧ 𝐋𝐈𝐋𝐘 𝐏𝐎𝐓𝐓𝐄𝐑 ✧
"𝐇𝐮𝐦𝐚𝐧𝐬 𝐚𝐫𝐞 𝐣𝐮𝐬𝐭 𝐥𝐢𝐤𝐞 𝐰𝐢𝐧𝐭𝐞𝐫. 𝐓𝐡𝐞𝐲 𝐦𝐚𝐲 𝐚𝐩𝐩𝐞𝐚𝐫 𝐜𝐨𝐥𝐝 𝐨𝐧 𝐭𝐡𝐞 𝐨𝐮𝐭𝐬𝐢𝐝𝐞, 𝐛𝐮𝐭 𝐮𝐧𝐝𝐞𝐫𝐧𝐞𝐚𝐭𝐡 𝐭𝐡𝐚𝐭 𝐭𝐡𝐢𝐜𝐤 𝐥𝐚𝐲𝐞𝐫 𝐨𝐟𝐢𝐜𝐲 𝐬𝐧𝐨𝐰, 𝐭𝐡𝐞𝐫𝐞 𝐢𝐬 𝐚 𝐛𝐞𝐚𝐮𝐭𝐢𝐟𝐮𝐥 𝐥𝐚𝐧𝐝𝐬𝐜𝐚𝐩𝐞, 𝐰𝐚𝐢𝐭𝐢𝐧𝐠 𝐭𝐨 𝐛𝐞 𝐝𝐢𝐬𝐜𝐨𝐯𝐞𝐫𝐞𝐝."
Die Zeit war gekommen, sich von Narzissa zu verabschieden. Weinend umarmte Lily sie im Büro der Schulleiterin und wollte sie am liebsten nie wieder loslassen. Sie umschloss Narzissa so fest mit den Armen, dass man meinen hätte können, sie wolle sie erwürgen, sowie eine Schlange es mit ihrer Beute tat. Doch alles hing nur mit den Gedanken in Lilys Hinterkopf zusammen.
Wenn Narzissa jetzt bald hinter grünen Flammen verschwand, würde sie Lucius allein ausgesetzt sein. Mit keinem, der sie mitten in der Nacht vom Esszimmerboden auf das Sofa im Wohnzimmer trug und mit Schokolade und Wasser versorgte. Aber aus irgendeinem Grund, den Narzissa versucht hatte, Lily und Draco zu erläutern, wollte sie ihr eigenes Wohlbefinden riskieren. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen und, obwohl Lily es sich mehr als alles wünschte, würde sich die Malfoy nicht umentscheiden.
Zudem schlichen sich Narzissas letzten Worte immer in ihr Gehirn. „Wenn die Zeit gekommen ist und er zurückkehrt, kannst du auch deine treffen. Das Gleiche gilt für dich, Lily." Was hatte sie damit gemeint, dass das gleiche für Lily galt? Jeder wusste doch, dass Lord Voldemort nie die Schwester von Harry Potter in seine Truppen aufnehmen würde. Und wenn, würde Lily ihm niemals beitreten. Außer... außer sie könnte dasselbe Spiel wie Narzissa spielen. So tun wie eine treue Todesserin, nur um den dunklen Lord im entscheidenden Moment zu verraten. Aber selbst das konnte sie sich niemals vorstellen.
„Ich werde dich vermissen", schluchzte Lily, bevor sie sich von Narzissa löste. Danach schloss die Malfoy auch ihren Sohn in die Arme und Lily dachte, einen Moment lang Tränen in Dracos Augen zu sehen, bevor er blinzelte und sie verschwunden waren. Wie immer blieb Draco stark, obwohl er innerlich bestimmt zusammenbrechen konnte.
Nachdem Narzissa beide umarmt hatte, trat sie in die grünen Flammen, bevor sie hinter ihnen verschwand. Höchstwahrscheinlich würde Lily sie erst in den Sommerferien wiedersehen, weshalb sie in Tränen ausbrach. Sofort war Draco bei ihr und umarmte seine beste Freundin fest. Verzweifelt vergrub Lily ihren Kopf in seiner Brust, während er ihre roten, leicht gewellten Haare auf beruhigende Weise streichelte.
„Ich weiß", flüsterte Draco, der wie immer verstand, was in Lilys Gehirn vor sich ging. Wann würde sie Narzissa wiedersehen? Würde sie noch dieselbe Person sein, die für sie all die Jahre als Mutterfigur gewirkt hatte? Wie oft und wie schlimm würde Lucius sie foltern?
Irgendwann verließen die beiden das Büro und gingen auf ihre Zimmer. Dort legte sich Lily in ihr Bett und machte sich keine Mühe, den Wasserfall von Tränen zurückzuhalten. Währenddessen verfluchte sie Gott, oder wer auch immer da oben war und all dem einfach zusah, was Narzissa angetan wurde, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Dann verfluchte sie Lucius und schwor, ihn für immer zu hassen. Und Lily wusste, dass sie dieses Versprechen halten konnte.
Eine Woche später stand sie gekleidet in Skiausrüstung vor der Schule, wo sich alle Zweit-, Dritt- und Viertklässler trafen, die bei der Skiwoche teilnahmen. Ohne den Wärmezauber hätte Lily es vermutlich selbst unter mindestens zehn Schichten Gewand nicht in dieser Kälte ausgehalten.
„Bitte folgt mir in Zweierreihen zum Bahnhof!", rief Herr Professor Kattner, welcher zu den Lehrern zählte, die die Schüler auf dem Skikurs begleiten würden.
Wie erwartet gelang es nicht allen Schülern, bis zwei zu zählen, sodass einige Dreier- oder sogar Vierergruppen entstanden. Lily ging neben Celina, da Draco bei seinem Jahrgang sein musste, und unterhielt sich mit ihr über die Wintersportart, die die Engländerin bald kennenlernen würde.
„Ich liebe Skifahren, meine Eltern haben mich schon als kleines Kind mit auf den Berg genommen", schwärmte Celina, „Es ist ein so schönes Gefühl und man hat immer eine wunderschöne Aussicht."
„In England fährt man nicht so viel Ski und in Österreich war ich vor diesem Jahr noch nie", gab Lily zu. Ein wenig aufgeregt – oder eher nervös – war sie über die Tatsache, dass sie eine komplette Anfängerin war.
„Das ist nicht schlimm, die teilen uns in Gruppen ein, je nachdem, wie gut wir fahren. Du wirst dann einfach bei den Anfängern sein", erklärte Celina, „Es gibt tatsächlich Österreicher, die nicht Skifahren, mehr als man glaubt. Nicht jedem sind die Berge ganz geheuer."
„In welcher Gruppe bist du wahrscheinlich?", fragte Lily, „Und wie heißen eigentlich alle?"
„Es gibt Anfänger, Fortgeschrittene, sehr Fortgeschrittene und Profis", sagte Celina und zählte dabei mit den Fingern mit, „Ich bin wahrscheinlich bei den sehr Fortgeschrittenen dabei."
Mittlerweile hatten sie bereits den kleinen Bahnhof erreicht, bei dem die Schüler in einen Zug steigen würden, der sie in eines der vielen Skigebiete bringen würde. Es gab kein Gebäude, sondern lediglich einen Bahnsteig, an dem eine marineblaue, alt aussehende Dampflokomotive platziert war. Lily atmete den bekannten Geruch der Züge ein, der sie stark an den Hogwartsexpress erinnerte.
„Zweitklässler bitte in den ersten, Drittklässler in den zweiten und Viertklässler in den dritten Wagon! Euer Gepäck lässt ihr bitte hier stehen, es wird in den Gepäckwagon gebracht!", rief eine Lehrerin über das Gemurmel der Schüler, die sofort begannen, sich in die Wagons zu drängen, um sich einen guten Platz verschaffen zu können. Dieses Gedränge war Lily nicht gewöhnt, denn in England stellte man sich selbst beim Einsteigen in einen Bus brav in einer Reihe an.
Geduldig wartete sie, bis nicht mehr viele Schüler am Bahnsteig waren und stieg in den Zug ein. Da es Celina gelungen war, ziemlich am Anfang einzusteigen, hatte sie ein Abteil ergattern können.
„Wie hast du es bitte geschafft, dich da durchzudrängen?", fragte Lily verwundert.
„Das ist nicht so schwer, man darf einfach keinen an sich vorbeilassen", Celina zuckte mit den Schultern, als wäre es das normalste der Welt.
„In England hätten wir uns in einer Reihe aufgestellt", meinte die Rothaarige.
„Tja, das würde bei 50 Zweitklässlern etwas kompliziert werden." Da hatte Celina allerdings recht. Bis 50 Schüler in einer Reihe aufgestellt waren, könnte es Ewigkeiten dauern – wenn es ihnen überhaupt gelang. Immerhin kam es schon zu Komplikationen, wenn eine Zweierreihe gebildet werden sollte – wie eben erst vorhin.
In dem Moment wurde die Schiebetür des Abteils geöffnet und drei weitere Schülerinnen aus Lilys Klasse blickten hinein. „Können wir uns zu euch setzen?", fragte eine Schwarzhaarige, deren Namen Elina lautete.
„Ja, natürlich", nickten Lily und Celina und gestikulierten dabei auf die noch freien Sitzplätze. Ihre drei Mitschülerinnen bedankten sich, ehe sie sich niedersetzten.
„Joa, wie geht's eich so?", fing Emilia, ein Mädchen mit dunkelblonden Haaren und blauen Augen, ein Gespräch an. Mit ihr verstand sich Lily ziemlich gut, denn Emilia konnte einen immer zum Lachen bringen.
„Mir geht's gut, aber es ist etwas kalt", antwortete Lily.
„Ja, das hat der Winter so an sich", sagte Emilia, „Und euch?" Die anderen meinten ebenfalls, dass es ihnen gut ginge.
Lily verstand nicht, wieso auf diese Frage selten ehrlich geantwortet wurde. Denn wenn sie ehrlich war, ging es ihr nicht unbedingt „gut". Zwar war sie physisch gesund, aber in ihrem Hinterkopf spukten immer noch Lucius' grausame Taten herum. Jedoch wurde fast erwartet, dass man immer mit einem „gut" antwortete, unabhängig davon, wie man sich wirklich fühlte.
Die fünf Mädchen unterhielten sich die Zugfahrt, welche eineinhalb Stunden dauerte, miteinander. Dadurch verging die Zeit relativ schnell, sodass es Lily fast schreckte, als der Zug immer langsamer wurde, bis er endgültig stehenblieb. Die Mädchen rappelten sich auf, verließen das Abteil und stiegen aus dem Zug in die kalte Luft.
Der Anblick, der sich ihnen bot, verschlug allen den Atem. Es sah aus wie ein Winterparadies, mit dem Schnee auf den Dächern der kleinen Hütten, sowie den vielen Weihnachtsdekorationen, die noch im Jänner hingen. Auf den ersten Blick erkannte Lily, dass es von einem Skigebiet für Zauberer handelte, denn die Gondeln waren nirgends befestigt, sondern flogen in alle möglichen Richtungen, als ob sie von Thestralen gezogen wurden.
Die Lehrer forderten die Schüler dazu auf, zum Gepäckwagon zu gehen und ihr Gepäck zu holen. Also tat Lily wie geheißen und marschierte zum Ende des Zuges, wo ein Schaffner gerade die ganzen Koffer und Skisachen auf den Bahnsteig stellte. Lily fand ihr Gepäck schnell und verkleinerte es mit Reducio, sodass es in ihre Jackentasche passte.
Als ihre Freunde ebenfalls ihr Gepäck gefunden und verkleinert hatten, kehrten sie zu den Lehrern zurück. Der Wärmezauber ließ langsam nach und hier war es noch kälter als in St.Endor, weshalb Lily langsam etwas ungeduldig wurde. Hoffentlich mussten sie nicht mehr lange auf die restlichen Schüler warten.
Glücklicherweise standen kurze Zeit später alle Teilnehmer der Skiwoche wieder bei den Lehrern, weshalb die große Gruppe losmarschierte. Beim Besteigen eines Hügels war Lily unglaublich dankbar, dass sie nicht – wie Muggel – ihr ganzes Gepäck in der normalen Größe durch den Schnee schleppen musste.
Wenig später erreichte die Gruppe drei Hütten, die offensichtlich als ihre Pensionen dienten. Mit den hölzernen Fassaden und dem Schnee, der sich auf den Dächern aus scharlachroten Ziegeln gesammelt hatte, sah es wie alles andere in diesem Skigebiet sehr weihnachtlich aus, obwohl das größte Fest des Jahres schon vorbei war.
Die Lehrer teilten den Schülern Zimmer zu und gaben ihnen die dazugehörigen Schlüssel. Lily und Celina hatten das Glück, dass sie zu zweit ein Zimmer teilten und, sobald sie ihren Schlüssel erhielten, betraten die beiden die mittlere Hütte. Sofort fühlte sich Lily wohl, denn in einem Kamin prasselte ein Feuer und sorgte für Wärme, die sie in letzter Zeit unglaublich vermisst hatte. Sie atmete einen wunderbaren Duft ein, den sie heißer Schokolade zuordnete.
„Wollen wir uns eine heiße Schokolade holen?", schlug sie vor.
„Ja, gerne, das brauche ich jetzt", willigte Celina ein. Also spazierten die beiden ein wenig durch den unteren Stock, an zahlreichen gemütlich-aussehenden Sofas und noch stehenden Weihnachtsbäumen vorbei, bis sie schließlich ein kleines Café erreichten. Sie gingen zur Theke, wo sie von einer freundlich aussehenden Frau begrüßt wurden.
„Griaß eich, willkommen in unser'm magischen Skigebiet! Woit's ihr irgendwos zum Tringan oder Essen?", fragte sie mit einem warmen Lächeln.
„Zwei heiße Schokoladen, bitte", antwortete Lily, die langsam lernte, die verschiedenen österreichischen Dialekte zu verstehen.
„Kummt sofort", meinte die Frau, bevor sie die Getränke zubereitete. „So, I hoff' sie schmeck'n", fügte sie hinzu, als sie den Schülerinnen zwei Tassen reichte. Gerade wollte Lily ihre Geldbörse herausnehmen, doch die Frau schüttelte mit dem Kopf, während sie sagte: „Getränke san gratis, Essen a. Ihr zoilt schließlich dafir."
Dankend verabschiedeten sich Lily und Celina von ihr und machten sich auf den Weg in ihr Zimmer. Während des Treppensteigens erinnerte sich Lily an den letzten Satz der Frau, dass sie schließlich dafür zahlten. Dadurch dachte sie wieder an Narzissa und Lucius, denn die Malfoys hatten sich dazu bereiterklärt, den Skikurs für Lily zu finanzieren. Dies hatten sich Draco, Lily und Narzissa überlegt, damit Lucius keinen Verdacht schöpfte, dass die Mauern in Narzissas Gehirn gefallen waren. Lucius hatte natürlich sofort eingewilligt, vermutlich aus demselben Grund. Er wollte nicht, dass Draco und Lily Vermutungen über das momentane Verhältnis des Malfoy Ehepaares aufstellen. Jedoch wussten sie bereits alles. Er war nämlich der Ahnungslose.
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