Nymphadora Tonks X Vernon Dursley || Wegen eines Briefes
An einem relativ warmen Tag Anfang Mai blickte ich zum gefühlt hundertsten Mal auf einen Brief. Jenen Brief hatte ich schon so oft durchgelesen, dass ich den Inhalt fast auswendig konnte. Dennoch las ich ihn immer und immer wieder genau durch, als ob ich vielleicht etwas übersehen hatte. Ein wichtiges Detail, das den ganzen Sinn des Briefes ändern könnte. Doch jedes Mal standen dieselben, ärgerlichen Worte drauf.
Vor ungefähr zwei Jahren war dieser Brief in meinem Briefkasten gelegen. Damals hatte ich mir keine Gedanken darüber gemacht, ihn zwei Jahre später immer noch zu lesen. Ich hatte ihn für einen stinknormalen Brief wie jeder andere gehalten. Jetzt wusste ich, dass es anders war. Wer auch immer die Worte geschrieben hatte, musste dafür büßen. Man veräppelte Vernon Dursley nämlich nicht so leicht.
Folgende Wörter waren ihm in einer wunderschönen Schrift geschrieben worden:
Sehr geehrter Vernon Dursley!
Mit Freude darf ich Ihnen mitteilen, dass Sie die Shortlist für Englands am besten gehaltenen Garten erreicht haben.
Kommen Sie am 6.August in den Hide Park in London, wo der endgültige Gewinner ausgelost wird.
Mit freundlichen Grüßen
Dora Tok
Damals hatte ich mich unglaublich gefreut und sofort meiner Frau davon erzählt. Am 6.August waren wir wirklich in den Hide Park gefahren, nur um zu erfahren, dass es diesen Wettbewerb gar nicht gab. Jemand hatte uns ausgetrickst. Und wir waren in die Falle gestolpert.
Als wir wieder zuhause angekommen waren, hatte es keine Spur von Harry gegeben. Wer auch immer den Brief geschrieben hatte, musste meinen schrecklichen Neffen also mitgenommen haben. Wieso, konnte ich nicht verstehen. Wieso wollte man freiwillig diesen schrecklichen Jungen, genauer gesagt Zauberer, sehen?
Seit dem Tag hatte ich versucht, diese Person zu finden. Damit ich es ihr heimzahlen konnte. Mich und meine Familie auszutricksen war ein riesiges Verbrechen. So etwas musste bestraft werden.
Ich hatte bei vielen Türen geklingelt und gefragt, ob sie diesen Namen kannten. Doch zwei Jahre lang hatte keiner eine Ahnung gehabt. Vor ein paar Tagen hatte ich mich überwinden können, mit der alten Nachbarin Mrs Figg zu reden. Auch wenn ich aufpassen musste, nicht an dem Gestank nach alten Menschen zu ersticken oder über ihre vielen Katzen zu stolpern. Doch das Ertragen des Geruches hatte sich ausgezahlt. Denn sie hatte mich über die Schreiberin des Briefes aufklären können.
Die Schreiberin hieß nicht Dora Tok, sondern Nymphadora Tonks. Anscheinend lebte sie in der kleinen Stadt Widecombe, welche in dem Nationalpark Dartmoor lag. Dorthin wollte ich heute reisen, um mich für die Veräppelung zu rächen. Damit nie wieder jemand auf die Idee kam, mich auszutricksen!
Die Sonne schien, als ich die Türschwelle nach draußen überquerte. Unser graues Auto reflektierte das Licht, sodass ich kurz wegschauen musste. Vorsichtig, nicht geblendet zu werden, stieg ich in den Wagen und machte die Türen zu.
Nun wurde mir allerdings doch etwas unwohl bei der Sache. Diese Nymphadingsta, oder wie auch immer sie hieß, war doch eine Hexe. Sie konnte mir unschwer mit ihrem Holzstab wehtuen. Doch jetzt hatte ich mich schon entschieden, nach Dartmoor zu fahren, also würde ich meine Entscheidung nicht ändern. Denn wenn ich etwas entschlossen hatte, hielt ich es auch ein. Egal, was dazwischen kam, ich musste meine Ziele erreichen.
Die Fahrt verging ohne große Probleme. Auf den Straßen herrschte wenig Verkehr, nur hin und wieder musste ich in Staus warten. Jene lösten sich zu meiner Freude allerdings sehr schnell wieder auf, sodass ich nicht grantig wurde.
Zu Mittag kam ich im Nationalpark an. Überall, wo ich hinsah, erkannte ich Hügel. Auf manchen befanden sich hohe oder niedrigere Felsen. Ich erkannte Menschen, die auf diesen kletterten, andere, die vermutlich einen Wandertag machten. Einige versuchten sogar die Ponys zu streicheln, welche hier wild herumliefen. Wenn man mich fragte, war das eine schlechte Idee. Denn es waren Wildponys und somit unberechenbar. Aber die Leute sollten machen, was sie wollen, sie würden schon aus ihren Fehlern lernen.
Ich fuhr ein bisschen weiter, bis ich Widecombe erreichte. Dies war ein kleines Dorf, in dem alles sehr englisch aussah. Die Häuser, bei denen man die Steinmauern genau erkannte, die kleinen Geschäfte und, natürlich, die Menschen. Alle trugen kurze Hosen und kurze T-Shirts, obwohl es hier für den 2.Mai nicht so warm war, wie ich es mochte. Zudem regnete es ziemlich stark, weshalb ich mit den Augen rollte, als ich aus dem Auto stieg. Ich hasste Regen.
Soeben hatte ich vor einem kleinen Haus geparkt, wo Nympha- ach, jetzt hatte ich schon wieder ihren Namen vergessen – wohnen sollte. Aus dem geöffneten Fenster ertönte das Geschrei eines Kindes, vermutlich noch sehr jung. Schmunzelnd erinnerte ich mich daran, als Dudley und Harry so klein gewesen waren. Damals hatten wir versucht, Harry so perfekt wie Dudley zu erziehen. Leider war uns das nicht gelungen. Natürlich war es nicht unsere Schuld, wie Harry geendet war. Er hatte es einfach von seinen Eltern geerbt.
Ein Mann und eine Frau schienen zu streiten, man hörte ihre wütenden Schreie sogar von draußen. Ich konnte etwas hören, wie „Ich will auch in der Schlacht kämpfen!". Was ging jetzt schon wieder vor? Eine Schlacht?
Kopfschüttelnd drückte ich auf die Klingel und atmete einmal tief durch. Zum tausendsten Mal ging ich meinen Plan durch. Ich würde höflich fragen, ob ich hineinkommen dürfe. Drinnen würde ich Nympha, oder wie auch immer sie hieß, mit dem Brief konfrontieren.
Langsam wurde die Tür von innen geöffnet. Sie knarzte etwas, bevor ein Mann mit vielen Narben im Gesicht hinter ihr erschien. Ob alle Zauberer Narben im Gesicht hatten? Nun kannte ich nämlich schon zwei. Harry und diesen Fremden.
Etwas erstaunt wollte der Zernarbte wissen, was ich brauchte. Er klang gestresst, als ob er für eine wichtige Sache zu spät war. Doch das machte mir nichts aus. Stattdessen fragte ich gelassen, ob ich hineinkommen dürfe.
„Tut mir leid, wir haben gerade keine Zeit", antwortete der Zauberer und wollte schon wieder die Tür zu machen. Wie unhöflich, dachte ich. So schnell wurde er mich allerdings nicht los. Konnte mir doch egal sein, in wie vielen Schlachten er kämpfen musste. Ich nahm schnell den Brief aus meiner Tasche und zeigte ihn dem Zauberer.
„Ich suche Nymphadingsta Tonks und weiß, dass sie hier ist", ich richtete mich zu meiner vollen Größe auf. Trotzdem war ich kleiner als mein Gegenüber, der allerdings seine Frau rief. Nun etwas freundlicher, als vorher, bat er mich, über die Türschwelle zu treten.
Als die Frau die Treppe hinunterlief, fielen meine Augen fast aus meinen Augenhöhlen. Mir stockte der Atem, ich gefror auf der Stelle. Sie war wunderschön. Viel schöner als Petunia. Tonks besaß eine schlanke Figur und ein hübsches Gesicht. Ihre lila Haare fielen ihr locker über die Schultern, ihre Augen sahen aus wie die eines Rehes. Sie lächelte mich freundlich an, obwohl ihre Augen weit aufgerissen waren. Genau wie die eines Rehes, wenn es eine Gefahr sah.
„Guten Tag", begrüßte sie mich, „Ich bin Nymphadora Tonks. Was kann ich für Sie tun?" So hieß sie also. Hoffentlich merkte ich mir ihren langen, allerdings wunderschönen, Namen nun.
Noch immer geschockt wegen ihrer Schönheit, erwiderte ich etwas schüchtern: „Sie haben vor zwei Jahren einen Brief an mich geschickt. Darin stand, dass ich etwas gewonnen habe. Dies war aber eine Lüge und als ich wieder nach Hause gekommen bin, war Harry verschwunden."
Ich hatte geplant, sie anzuschreien, mich aufzuregen. Aber ihr hübsches Aussehen hatte mich abgelenkt. Es war, als ob sie einen Zauber über mich gelegt hätte. Plötzlich war es nebensächlich, dass sie mich ausgetrickst hätte. Unwichtig.
„Wir müssen jetzt wirklich gehen, Dora", erinnerte der Zernarbte Nymphadora, doch die hatte anscheinend ihre Pläne geändert.
„Remus, ich bleibe doch bei Teddy. Immerhin schulde ich diesem Mann eine Erklärung. Pass einfach auf dich auf, bitte!", sagte sie, sodass ihr Mann ihr einen flüchtigen Kuss gab, ehe er aus der Haustür ging. Anscheinend hatte diese Tatsache ihn erleichtert, sonst wäre er wohl nicht einfach gegangen. Er wollte vermutlich nicht, dass seine Frau in dieser Schlacht, was auch immer sie genau war, kämpfte.
Nymphadora forderte mich auf, mit ihr in das Wohnzimmer zu gehen. Dort erkannte ich einen schönen Kamin, der allerdings leer war. Im Winter würde ein Feuer den Raum wohl in ein warmes Licht tauchen. Ein gemütlich aussehendes Sofa stand in dem Zimmer, worauf die hübsche Frau sich setzte. Ich tat es ihr gleich, bevor sie anfing, mir zu erklären, wieso sie mich angelogen hatte.
„Wir mussten Harry irgendwie holen können und das war die einzige Möglichkeit, die mir eingefallen ist. Tut mir sehr leid. Ich merke, dass Sie sich Sorgen um ihn gemacht haben. Möglicherweise hätte jemand ihn entführt haben können." Sie schaute mich aus ihren braunen Augen entschuldigend an, sodass ich ihr nicht mehr böse sein könnte. Doch sie wusste nicht, wieso ich sie überhaupt aufgesucht hatte. Nicht, weil ich mir Sorgen um Harry gemacht hatte, sondern, weil sie mich, den tollen Vernon Dursley, veräppelt hatte.
Aber jetzt sah ich alles anders. Wie hatte ich dieser wunderschönen Frau überhaupt einmal böse sein können? Das hat sie nicht verdient!
„Kein Problem, ich verstehe", meinte ich und zwinkerte ihr zu. Mein Gehirn funktionierte in ihrer Nähe nicht. Es fühlte sich an, als hätte ich zwanzig Flaschen Bier getrunken und somit nicht mehr klar denken konnte. Doch es war nur wegen dieser Frau. Denn ich wusste, dass ich in den letzten Tagen keinen einzigen Schluck Alkohol genommen hatte.
Ausgerechnet in diesem Moment ertönte das Schreien des Babys erneut. Die Hexe sagte, sie müsse kurz nach ihrem Sohn schauen. Aber ich wollte nicht von ihr entfernt sein. Deshalb fragte ich, ob ich ihren Sohn kennenlernen durfte. Schulterzuckend antwortete sie mit einem „Ja, wieso nicht", ehe ich ihr die Treppen hoch folgte. Gemeinsam betraten wir ein kleines Zimmer, in dem ein weißes Gitterbett stand.
Darin lag ein noch junges Baby, dessen Haare allerdings blau waren. Wartend starrte Nymphadora mich aus ihren rehbraunen Augen an. Wahrscheinlich wartete sie auf meine Reaktion wegen der blauen Haare. Doch ich wollte nichts sagen, um sie nicht zu beleidigen. Sonst hätte ich mich wohl darüber beschwert, aber heute war etwas mit mir anders.
Mittlerweile hatte Teddy aufgehört zu weinen und beobachtete mich misstrauisch. Er kannte mich nicht und hatte seinen Vater wohl erwartet. Doch plötzlich fing das Baby erneut an, zu heulen. War es meine Schuld? Hatte es Angst vor mir?
Vorsichtig lehnte ich mich über Teddy und lächelte ihn an. Wie hatte ich es damals geschafft, Dudleys Geschrei auszuschalten? „Alles gut, ich tu dir nichts", beruhigte ich den Blauhaarigen, dessen Weinen erstaunlicherweise sofort wieder weniger wurde. Bei Dudley hatte das immer nur funktioniert, wenn wir ihm etwas Süßes zum Essen gegeben hatten.
„Wow, so schnell haben wir ihn noch nie beruhigen können", staunte Nymphadora und ich zuckte mit den Schultern. Was war mit mir passiert? Ich kam mir selbst gerade viel netter als sonst vor. Zudem redete ich mit einer Hexe, ohne sie zu hassen. Da kam mir die Antwort: Ich hatte mich auf den ersten Blick in sie verliebt.
„Ich hätte doch mit Remus gehen sollen. Können Sie auf Teddy aufpassen?", sagte sie auf einmal. Ihre neue Entscheidung kam so überraschend, dass ich sie zuerst kurz verblüfft anstarrte. Zudem wunderte ich mich, wieso sie mir ihren einzigen Sohn anvertraute. Sie kannte mich nicht.
„Bitte nicht", bat ich sie, „Ich weiß nicht, was genau in Ihrer Welt los ist, aber es ist gefährlich. Das weiß ich. Stellen Sie sich doch mal vor, Sie überleben es nicht. Was passiert dann mit Ted?" So weit ich wusste, wollte ein Zauberer namens Voldemort Harry töten und die Führung übernehmen. Die letzten Monate hatte ich mich deshalb mit Petunia und Dudley unter Aufsicht von irgendwelchen Zauberern in Somerset versteckt. Denn wir waren anscheinend gefährdet.
„Ich bin anscheinend selbst wegen dieses Lords gefährdet. Ich kann mir nicht vorstellen, wie gefährdet Sie, als Hexe, dann sind", versuchte ich sie weiterhin zu überzeugen. Obwohl ich sie erst seit kurzem kannte, wollte ich sie nicht wieder verlieren.
Plötzlich geschah etwas Unerwartetes. Sie sah mich mit einem anderen Blick als zuvor an. Lange blickten wir einander in die Augen und ich vertiefte mich in das Braun. Langsam näherten wir uns einander, Centimeter für Centimeter, wie in Slow-Motion. In mir kribbelte es, mehr, als es je bei Petunia getan hatte. Bei meiner Ehefrau hatte es sich angefühlt, als würden Schmetterlinge in meinem Bauch herumfliegen. Bei Nymphadora fühlte es sich an, wie ein riesiges Feuerwerk, das in meinem Magen explodierte.
Schließlich berührten ihre weichen Lippen meine rauen. „Du hast recht", flüsterte sie und duzte mich das erste Mal.
Ja. Ich hatte immer recht. Auch damit, dass ich all die Jahre mit Petunia nur verschwendet hatte. Denn währenddessen gab es diese wunderschöne Hexe, von der ich mich nicht mehr trennen wollte. Am liebsten hätte ich diesen Moment angehalten, aber leider funktionierte die Zeit nicht wie ein Film. Irgendwann würde ich mich von Nymphadora lösen müssen. Doch diese Zeit wollte ich so lange wie möglich herauszögern.
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2131 Wörter
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Das war mein Oneshot für Nymphadora Tonks und Vernon Dursley . Erstaunlicherweise bin ich sehr schnell auf eine Idee für dieses Shipping gekommen. Hoffentlich habe ich die Idee auch gut umgesetzt. Mal, sehen, ob ich in die nächste Runde komme. Liebe Grüße, Amy <3
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