XXII. Verlockendes Angebot

Als er ankam, fand er seinen Bentley dort, wo er ihn gelassen hatte - durch den Lauf der Zeit getrübt und eingestaubt. Wie lange war er wohl weg, fragte sich Crowley.
Mit einer Berührung seiner Fingerspitzen war der Bentley vollständig restauriert und leuchtete im Lampenlicht. Der Portier kümmerte sich nicht darum, als Crowley in das Gebäude schlüpfte und die Treppe hinaufging. Er fühlte sich die ganze Zeit verfolgt, bis er zögerte, bevor er seine Tür öffnete, als wäre sie nie abgeschlossen.

Crowley hatte das Gefühl, bei jedem Schritt durch seine Wohnung beobachtet zu werden. Alles war so, wie er es verlassen hatte, ein dicker Staubmantel und endlose Spinnweben darüber, aber ansonsten unberührt. Er ging in seine Küche und griff nach einer Flasche Scotch und einem Glas. Doch eigentlich brauchte er das Glas nicht.

Alleinsein machte ihn nervöser, ängstlicher als je zuvor, aber er wusste, dass er sich daran gewöhnen musste. Er konnte nicht zu Erziraphael's Laden zurückkehren. Besonders nicht jetzt, wo der Engel sein Geständnis abgelegt hatte. Wenn er in der Nähe blieb, bestand die Möglichkeit, dass er ihn in Versuchung führte - ihn zum Stürzen brachte.

Er würde lieber tausendmal sterben, als Erziraphael durch das gehen zu lassen, was ihm wiederfahren ist. Der Gedanke an Gabriel, der Erziraphael's Flügel herausreißen würde, trieb Tränen in Crowley's Augen. Er wehrte sie mit einem tiefen Schluck Scotch ab. Er würde nicht mehr darüber nachdenken, entschied er. Er würde vergessen, dass es jemals passiert ist, würde vergessen, warum er gefoltert wurde, und sich vielleicht davon überzeugen, dass er während des Armageddons seinen Flügel verloren hatte.

Er konnte sich leicht davon überzeugen, dass Erziraphael nur aus Mitleid zugegeben hatte, ihn zu lieben ... Er nahm einen weiteren Schluck von der Flasche und setzte sich auf seinen Thron an seinen Schreibtisch, um die Erinnerungen an das letzte Mal, als er hier war, zurückzudrängen.
Crowley starrte lange auf sein Handy und dachte an Erziraphael - wollte ihn anrufen. Eine dumme Idee.

Seine Augen verfolgten das Telefon zu seinem Anrufbeantworter, der vermutlich voll war. Um sich die Zeit zu vertreiben, spulte Crowley sie ein wenig zurück. Als er die Play-Taste drückte, hörte er als erstes Erziraphael.

„- und diese Zitronentorte! Oh, wie lecker! Du hättest es wirklich versuchen sollen. Ich verstehe nicht, warum du kaum etwas probierst, wenn wir ausgehen! Nun, ich nehme an, so bist du eben. Wie auch immer, bis bald!" Seine Stimme klang so charmant und einladend, dass Crowley Lust hatte zu weinen. Doch stattdessen nahm er einfach einen weiteren Schluck Scotch, als die nächste Nachricht abgespielt wurde.

,,Crowley, was hältst du davon, mit mir ins Theater zu gehen? Sie haben eine neue Aufführung, die morgen stattfindet. Oh, und wir sind von Anathema - der netten Hexe - zum Tee trinken eingeladen worden. Melde dich bitte."

,,Crowley? Ich bin es nochmal. Wer auch sonst ... Ich- ich bin nicht hingegangen. Weder zum Theaterstück, noch nach Tadfield ..." Er legte eine lange Pause ein, bevor er verzweifelt weitersprach. ,,Wo steckst du nur?", wisperte der Engel leise.

,,Crowley! Es ist eine Weile her ... Ich habe noch nichts von dir gehört und dachte, ich könnte dich anrufen ..."
Die Stimme des Engels klang nervös und man konnte heraushören, dass er sich zu einem Ton der Gleichgültigkeit zwang.
,,Ich hoffe, du schläfst nur. Ich weiß, wie gern du schläfst - ich habe selbst nie viel damit zu tun ... Doch ich bin sicher, dass du mehr darüber weißt als ich. Vielleicht komme ich später vorbei, um ... nach dir zu sehen. Ruf mich an, wenn du das hier gehört hast."

Es gab noch einige weitere Nachrichten wie diese, und Crowley spürte, wie sein Herz mit jeder einzelnen mehr und mehr zerbrach. Erziraphael hatte geglaubt, Crowley sei einfach von ihm gegangen. Nicht ein einziges Mal sagte er: ,,Ich hoffe, es geht dir gut.", oder: ,,Ich mache mir Sorgen um dich". Er bezog sich nur auf die Tatsache, dass Crowley weg war und nicht auf ihn reagierte.

,,Ich weiß nicht, was ich dir angetan habe, um das zu verdienen. Ich habe dir vergeben ... für all die Dinge, die du zu mir gesagt hast und wie du dich verhalten hast. Ich habe alles geglaubt, was du zu mir gesagt hast - wie ein Idiot. Wie ... wie ein Idiot", sagte er mit einem tiefen Seufzer, der Crowley's Herz höher schlagen ließ. „Ich hätte nie gedacht, dass du mich so behandelst. Ich war so konzentriert auf das Gute, das ich in dir gesehen habe, aber ... Vielleicht bist du unter all der Fassade wirklich schlecht. Und ich war naiv genug, zu glauben, dass du mein bester Freund bist. Es ist allzu offensichtlich, dass ich nichts für dich bin. Auf Wiedersehen, Crowley."

Crowley hatte sich den Flügel abreißen lassen, und Erziraphael glaubte, er wäre abgehauen, um irgendwo ohne ihn weiterzuleben. Das tat verdammt weh. Es tat mehr weh als sein fehlender Flügel. Aber nur für eine kurze Zeit. Drei weitere große Drinks Scotch und Crowley wankte davon, um seine toten Pflanzen zu gießen. Er realisierte nicht, dass diese bereits verloren und nicht mehr zu retten ware.

Dann schoss, als wollte man ihn für seine vergangenen Taten bestrafen, ein Blitz weißglühenden Glanzes von Kopf bis Fuß durch ihn. Es erfüllte ihn mit einer fast überwältigenden Hitze und brachte ihn auf die Knie. Sein Flügel streckte sich von selbst und Crowley stolperte - er versuchte, das unausgeglichene Gewicht auszugleichen, nur um festzustellen, dass er nicht mehr unter dem einseitigen Gewicht seines Flügels zur Seite gezogen wurde. Er schaute nach links und sah das Schimmern weißer Federn. Er zuckte zurück und glaubte für einen Moment, dass die Engel einen Hinterhalt durchführten. Doch als sich die Federn mit ihm bewegten, bemerkte Crowley, dass sie an ihm hingen. Der Flügel - der weiße Flügel - war an seinem Schulterblatt befestigt. Seine Hände zitterten, als sie nach den Federn griffen.

Als er mit den Fingern zwischen die weichen, weißen Federn fuhr, überkam ihn das vertraute Zittern des Vergnügens. Sie waren an ihm befestigt ... Diese weißen Federn waren an der Stelle des verlorenen Flügels befestigt.
Für einen Moment raste sein Herz vor Freude und Hoffnung. Weiße Flügel waren das Zeichen eines Engels. War es möglich, dass der Allmächtige nach seiner Folter, nach seiner Misshandlung und seinem Leiden es für angebracht hielt, ihn - einen Dämonen - mit göttlicher Vergebung zu überschütten? Er war geheilt worden, aber wurde ihm vergeben?

Ein Blick nach rechts zeigte ihm aber, dass ihm nicht vergeben worden ist, denn dieser Flügel war noch immer pechschwarz. Es war, als würde man die Autotür eines roten Autos durch eine grüne ersetzen. Es sah schrecklich aus und jeder wusste, dass das Auto bei einem Unfall beschädigt worden war. Dieser Flügel fühlte sich irgendwie schlimmer an. Er verspottete Crowley mit dem Versprechen der Erlösung, während sein schwarzer Flügel ihn daran erinnerte, dass er für immer verdammt war. Er hatte den kurzen Gedanken, sie beide herauszureißen - jede Feder auf beiden Flügeln mit der Hand herauszurupfen, damit niemand jemals sehen würde, zu welchem ​​Freak er geworden war. Crowley war hin und hergerissen zwischen Dankbarkeit und Boshaftigkeit. Er hatte einen Flügel, aber es war nicht sein eigener. Er war glücklich und doch nicht zufrieden. Sah er auf diese Weise wie ein Idiot aus? Würde ein Wechsel der Kleidung helfen? Vielleicht könnte er seiner Kleidung mehr Weiß hinzufügen ... Aber egal, was er sich vorzustellen versuchte, Crowley sah sich als Zirkusartist und schämte sich.

Dies musste Erziraphael's Werk sein, entschied Crowley nach drei verschiedenen Outfits und einem neuen Haarschnitt.

* * *

Es gab ein lautes Knallen und Erziraphael's Augen schossen auf. Es war wieder Tag. Er hatte geschlafen? Für wie lange?

Bevor er sich überhaupt aufsetzen konnte, hörte er Rufe und schwere Schritte auf seiner Treppe.
,,Wo bist du, Engel?" Crowley war wütend. „Ich weiß, dass du es warst! Erziraphael!"

Erziraphael war wie gefroren und hielt sich die Laken an die Brust, als er auf die Tür seines Schlafzimmers starrte, bis Crowley auftauchte - seine Sonnenbrille war wieder auf dem Gesicht, seine Haare waren geschnitten, und seine Kleider waren durch solche ersetzt, die nicht in Stofffetzen zerrissen waren.
,,Was zum Teufel ist los?", fragte der Engel.
,,Was los ist?!"
,,Ja. Du kannst nicht einfach in mein Zuhause einbrechen ..."
,,Spiel hier nicht den Dummen! Ich weiß, dass du es warst, Engel. Ich weiß, dass du dahinter steckst!
„Wohinter denn?", rief er hilflos.
,,Das!" Crowley breitete seine Flügel aus. „Du hast mich wie einen Freak aussehen lassen! Alle anderen Dämonen werden mich zum Gespött machen!"

Erziraphael konnte sein dummes Lächeln nicht unterdrücken. Der Allmächtige hatte es gehört. Oh Gott ... der Allmächtige hatte es gehört. Wie viel genau hatte der Allmächtige gehört?
,,Sieh nicht so erfreut aus!"
,,Nun, ich habe dir schon einmal gesagt, dass du, tief in dir-"
,,Sag es nicht! Wage es nicht, zu sagen, dass ich gut sei."
,,Weiß steht dir gut", meinte Erziraphael stattdessen und versuchte das Thema zu wechseln.
,,Tut es nicht! Ich habe meine Pflanzen gepflegt und als nächstes weiß ich, dass mein ganzer Körper brennt und dieses hässliche Ding an mir haftet!"
„Vielleicht solltest du aufhören, diese armen Zimmerpflanzen zu terrorisieren. Möchtest du etwas Tee?", bot Erziraphael an.

Crowley zuckte mit den Schultern und sagte Ja - ja, Tee wäre herrlich - in einem Ton, der nahelegte, dass sein Bedürfnis nach Tee offensichtlich war.
,,Eigentlich macht es keinen Sinn, nach Hause zu gehen", sagte Crowley bei seiner zweiten Tasse. „Alle Pflanzen sind tot. Nichts für mich außer ... Erinnerungen. Von toten Dingen."
„Du kannst bei mir bleiben, wenn du möchtest", sagte der Engel, ohne ein Zögern.
,,Hier ist genug Platz."
,,Wo?", fragte Crowley, lehnte sich auf seinem Sitz zurück und starrte Erziraphael durch die schwarzen Gläser seiner Brille an.
,,Hier. Überall. Oh, es wäre so schön. Wir könnten neue Pflanzen bekommen. Wir werden sie dort hinstellen!"
Erziraphael zeigte auf eine Ecke neben seinem Schreibtisch und Crowley spottete laut.
,,Du kannst sie nicht dorthin bringen, Engel. Es gibt nicht genug Licht! Sogar ich konnte sie nicht dazu bringen, an einem Ort wie diesem zu wachsen."
„Okay", meinte der Engel und lächelte über den Rand seiner Tasse. Crowley meinte es ernst. Er dachte darüber nach ... Er stimmte zu.
,,Was schlägst du sonst vor?"
,,Ich werde sie dort abstellen. Ich möchte Sukkulenten haben."
,,Sukkulenten?"
,,Ja ... weißt du ... ein paar von ihnen. Die Kleinen. Und vielleicht ein paar kleine Bäume - Bonsais", sagte er und sprach das Wort aus, als wäre es ihm fremd. Er starrte jetzt zum Fenster hinüber und neigte absichtlich den Kopf hin und her.
,,Ich denke", sagte Erziraphael und bewunderte Crowley's Gesicht, ,,das wäre wunderbar."

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