XIII. Ein unendlicher Fall
,,Gib zu, dass du gesündigt hast!", befahl Michael in demselben herablassenden Tonfall.
„Was nützt es, wenn ich gestehe? Fragt Erziraphael!" Crowley wurde nervöser, als Uriel hinter ihrem Rücken einen Krug mit Weihwasser hervorholte.
„Würdest du das bevorzugen? Wir könnten ihn hierher holen. Dann würde es vielleicht leichter sein. Er könnte zusehen, wie wir dich foltern, bis er endlich gesteht."
,,Er hat keine Sünden zu bekennen! Er hat nichts getan!", beteuerte Crowley.
,,Ist das so?", fragte Gabriel, der Uriel das Weihwasser abnahm und dem Dämon damit gefährlich nahe kam.
,,Aber hattet ihr zwei kein schönes, romantisches Abendessen?", fragte Michael rhetorisch.
„Das nennst du romantisch?!“
,,Zwei Flaschen teurer Wein", erzählte Michael glucksend, als würde sie mit einem Kleinkind sprechen.
,,Und du hast ihm zugehört, wie er fast eine Stunde lang von Shakespeares Werken schwärmte", fügte Uriel hinzu.
,,Du hast den Scheck bezahlt, oder?", bohrte Gabriel nach.
,,Was hat das hiermit zu tun? Wir kaufen uns ständig Dinge. Es ist - es ist ein menschlicher Brauch unter Freunden!"
,,Bist du in Erziraphael verliebt, Dämon?", stellte Uriel die alles entscheidene Frage und ignorierte sein Gesagtes komplett.
,,Was?", würgte Crowley, seine Augen immer noch auf das Wasser gerichtet.
,,Bist du es nicht?", flüsterte Michael in sein Ohr, ihre Lippen waren so nah, dass sie ihn fast berührten. „Du hast eine männliche Form gewählt, als du gefallen bist - und jetzt hast du dich entschieden, jemanden vom selben Geschlecht zu verführen … Ein Dämon und ein Engel. Was für ein widerliches, beleidigendes Arrangement."
,,Wir sind nur Freunde!", hatte Crowley zur Einwende.
Es war kein Date gewesen. Er wollte Erziraphael nicht fallen lassen, während diese Monster im Himmel dachten, dass es so gewesen war.
Wenn sie Erziraphael wirklich kennen würden, dann wüssten sie, dass er nie jemanden außer seine Bücher als Lebenspartner in Betracht zöge.
Und wenn er gezwungen wäre, dann wäre Crowley der letzte Ausweg. Sie waren Freunde. Nur Freunde.
,,Aber du willst mehr als das, oder?", fragte Gabriel, der ihm das Weihwasser
vor das Gesicht hielt.
,,Nein", log Crowley.
,,Lüg mich nicht an, Dämon", sagte Gabriel, wie ein enttäuschter Vater.
,,Also ist er mit einem Dämon befreundet! Was macht das schon aus? Er ist immer noch ein Engel. Er tut immer noch gute Taten und stoppt meine ... Er tut, was du von ihm verlangst. Wenn ihr ihm sagen würdet, er solle mich verlassen, dann würde er es tun!"
,,Dich verlassen? Aber ich dachte ihr seid nicht zusammen?", spottete Michael.
,,Wir sind nur Freunde! Das ist alles, was wir jemals waren! Er fühlt nicht auf dieselbe Weise." Crowley wurde übel, als diese Worte aus seinem Mund kamen.
,,Fühlt sich das nicht genauso an? Liebst du ihn, Dämon?", wollte Gabriel noch immer wissen.
Als Crowley sich entschloss, nicht zu antworten, kippte der Erzengel das Weihwasser auf ihn hinab. Er schrie, bevor er überhaupt realisierte, was los war.
Die Hände auf ihm verschwanden, als sie ihn losließen und er warf sich zurück, kaum merkend, dass der einzige Schmerz, den er fühlte, in seinen Nasennebenhöhlen lag - von dem Wasserschwall, der seine Nase hinaufgekrochen war. Es dauerte einige Sekunden, bis die Engel ihn auslachten - es war Wasser und nichts weiter. Sie dachten immer noch, dass er gegen Weihwasser immun war, wollten ihm jedoch Angst einflößen, und das hatten sie auch geschafft.
Crowley saß auf dem Boden, seine Handflächen und Füße brannten vom geweihten Boden. Kein schmelzendes Fleisch, keine kochende Glut unter seiner Haut, doch seine Haare waren nass und das Wasser tropfte von diesen auf den Boden.
,,Oh, Gabriel ... ich glaube, wir sind zu weit gegangen", meinte Michael in einem sarkastischen Tonfall und lächelte. „Es sieht so aus, als würde das arme Baby gleich weinen."
Und natürlich hatten sie recht. Denn als Crowley seine Hände hob, um das Wasser von seinem Gesicht zu wischen, zitterte er und schloss seine Augen.
"Wirst du jetzt gestehen, Crowley, oder sollten wir etwas anderes versuchen?", fragte Gabriel und ging vor ihm in die Hocke.
,,Sparen euch einfach die Zeit und tötet mich. Ich werde euch nichts über ihn erzählen." Es klang alles andere als einschüchternd.
„Jetzt … Wo würde das Spaß machen? Wir werden dich nicht töten, Crowley. Das heißt aber nicht, dass du dich nicht danach sehnen wirst." Gabriel lächelte ihn kalt an, es war ein böses Lächeln.
,,Sechstausend Jahre sind eine lange Zeit, um die Erde zu bereisen, nicht wahr?"
Er überlegte, es noch einmal mit dem Schlangentrick zu versuchen, fürchtete jedoch, wie viel mehr sie von ihm abhacken würden, bevor er aufgab.
,,Es ist lange her, seitdem du ... gefallen bist. Du kannst dich wahrscheinlich nicht einmal daran erinnern, oder? Die Dunkelheit, der rauschende, kochende Wind ... Wie deine Flügel in Brand gesetzt wurden. Endlich runter in die stinkende Höllengrube. Du kannst dich nicht erinnern, oder?", wollte der Erzengel wissen und strahlte vor Freude, als Crowley unwissentlich weitere Tränen aus seinen brennenden Augen tropfte.
,,Das ist okay ... Wir haben eine Möglichkeit, dich daran zu erinnern. Ich denke, du wirst es lieben."
Es schien, als würden sich ihm die Wände des Zimmers nähern und ihn einkesseln. Sie wurden noch schwärzer und dann war er allein, hievte sich im engen Raum herum, bis der Boden unter ihm abfiel. Er versuchte instinktiv, seine Flügel zu öffnen, in der Hoffnung, sich zu fangen und den Fall aufzuhalten. Er hatte nicht vorgehabt zu fallen - nicht erneut. Er konnte die Asche und die Hitze der Flammen ringsum riechen. Der Schmerz war schlimmer als der geweihte Boden. Dieser Schmerz durchfuhr ihn von innen, als er stetig nach unten stürzte.
Er streckte die Hände aus und krallte sich in die Luft - krallte sich in das gewaltige Nichts, das ihm die Nägel wegbrannte -, während seine Flügel gegen die Strömung schlugen. Er konnte seine Federn brennen und die hellen Flammen sehen, die seine Haut versengten und sich durch sie hindurchfraßen. Seine Flügel schlugen immer stärker. Er versuchte zu schreien, aber es kam kein Laut heraus.
Er versuchte nach Erziraphael zu rufen, konnte sich aber plötzlich nicht mehr an seinen Namen erinnern. Er konnte sich an nichts erinnern - nicht einmal an seinen eigenen Namen.
Für Crowley dauerte der Fall eine Ewigkeit. Für Gabriel und die Engel dauerte es ein paar gute Stunden. Für Erziraphael, der zu diesem Zeitpunkt eine herzzerreißende Nachricht hinterlassen hatte, dauerte es fünf Jahre.
Er hatte keine Ahnung mehr, wer er zuvor gewesen war und wusste nur, dass jeder Zentimeter von ihm wehtat. Er lag am Boden und weinte schamlos, als seine Entführer durch eine unsichtbare Tür traten.
„Bist du jetzt bereit zu reden, Crowley?“, fragte Gabriel.
Der Dämon brauchte lange, um zu erkennen, dass er angesprochen wurde und bis er wusste, wer die Person war.
Er war nicht gefallen. Nicht wirklich. Das war vor vielen Jahren gewesen - vor vielen Leben.
,,Ich glaube nicht, dass er sich so gut fühlt", gurrte Michael.
„Wir sollten ihn seinen Besucher sehen lassen“, meinte Gabriel grinsend und kniete sich vor Crowley.
,,Armer Junge, du hast ein verdammtes Chaos in dir. Du bist selbst das Chaos."
,,Geh weg von mir!" Er wich panisch zurück, als Gabriel nach seinem Gesicht griff.
„Was hast du getan, um dich in so eine Lage zu bringem?"
„Halt dich von mir fern!“, schrie Crowley, und der Schmerz breitete sich über seinen Rücken aus, als Gabriel die Hand ausstreckte und den Bogen seines Flügels packte.
,,Sie sind gebrochen, Crowley ... Hast du dir im Fall die Flügel gebrochen?" Gabriel lächelte ihn immer noch an, als er plötzlich seine Faust um den bereits gebrochenen Knochen ballte.
Crowley konnte nicht anders als zu schreien - das Geräusch klang unmenschlich, grausam sogar, als er unter Gabriel's unerbittlichem Griff um sich schlug.
Er brach den Knochen weiter, bis dessen Flügel locker an Hautfetzen hing und auf dem Boden schliff. Dunkelrotes Blut rann seinen Rücken hinab und wurde zum Teil von seinen zerrissenen Klamotten aufgesaugt, doch es war zu viel und der Rest sammelte sich um ihn herum an.
Crowley kratzte an seiner eigenen Haut - verzweifelt, dass irgendetwas von der weißglühenden Folter ablenkte, die sein Flügel erlitt.
,,Lassen wir ihn seinen Besucher haben. Ich bin sicher, dass ihn das aufheitern wird", sagte Michael, welcher bei diesem Anblick pures Vergnügen verspürte.
Crowley senkte den Kopf auf den Boden und wusste, dass er genauso sanftmütig und machtlos aussehen musste, wie er sich fühlte. Die Oberfläche verbrannte seine Stirn, aber es war ihm egal. Seine gesamte Existenz, sein gesamtes Sein, bestand nur noch aus Schmerz, und er begann sich an den geweihten Boden zu gewöhnen. Er wollte seine Augen schließen, für immer so verharren, wenn nicht die sanfte Stimme gewesen wäre, die als nächstes seinen Namen rief.
,,Crowley? Mein Gott ... Crowley!"
,,Erziraphael?"
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