⋯⊰ ❅ 𝟯 𝗱𝗮𝘀 𝗙𝘂𝗻𝗸𝗲𝗹𝗻 ❅ ⊱⋯
⋯⊰ ❅ ⊱⋯
Die Erinnerungen lagen immer schwerer auf Taehyungs zerbrochener Seele. Er hatte damals in Jungkooks Augen dieses Funkeln gesehen. Eines, dass andere Menschen bei ihm nur selten zu Gesicht bekamen.
Sowieso war Jungkook ein absolutes Winterkind gewesen. Jedes Jahr, wenn der erste Schnee fiel, lief er zum Fenster und hatte beinahe Tränen in den Augen, weil er von diesem Anblick so überwältigt war. Es war faszinierend zu sehen, was die weißen Flocken in ihm auslösen konnten.
Taehyung hatte anfangs noch gedacht, dass sich diese Begeisterung mit fortschreitendem Alter legen würde, doch da hatte er weit gefehlt. Selbst als Jungkook bereits ein Teenager war, gab es immer noch nichts schöneres für ihn, als den ersten Schnee des Winter zu betrachten. Und diese Freude musste er teilen, vor allem mit Taehyung.
Einmal hatte er Taehyung sogar am späten Abend angerufen und ihm aufgeregt mitgeteilt, dass er unbedingt aus dem Fenster gucken solle. Taehyung hatte zu dem Zeitpunkt schon im Bett gelegen, doch nachdem sein Freund einfach keine Ruhe gegeben hatte, hatte er sich aufgerafft und war zum Fenster geschlurft.
"Siehst du es, Tae!? Ist es nicht wunderschön!?", hatte der aufgeregte Junge damals am anderen Ende der Leitung gefragt.
"Ja..." Mehr hatte Taehyung erstmal nicht antworten können, doch er musste zugeben, dass der Anblick wirklich etwas magisches hatte. Der gerade gefallene Schnee glitzerte durch die Beleuchtung am Straßenrand, als wären unzählige kleine Diamanten darauf verstreut worden und lud einen jeden zum Träumen ein. Jungkook hatte ihn über die Jahre anscheinend mit seiner Begeisterung für den Schnee angesteckt, zumindest erklärte sich Taehyung damit, dass auch er mittlerweile sentimental wurde, wenn er den ersten Schnee betrachtete. Vielleicht lag es aber auch gar nicht an dem Funkeln des Schnees, sondern vielmehr an dem Funkeln in Jungkooks Augen. Taehyung war sich sicher, dass sich darin grade der gesamte Sternenhimmel wiederspiegeln musste. Das tat es immer. Und diese Tatsache erfüllte Taehyungs Herz mit wohliger Wärme, obwohl draußen Minusgrade herrschten.
"Es ist wirklich sehr schön, Kookie", ergänzte er wenig später in ähnlich verträumter Stimmlage.
Mit dem Handy am Ohr sah er weiterhin aus dem Fenster. Sie schwiegen, was ein Telefonat rein theoretisch unnötig machte, doch es war einer dieser Momente, an die Taehyung sich nur zu gut erinnerte.
Über eine Stunde lang hatten sie einfach beide an ihren Fenstern gesessen, nur zwischendurch mal einige, wenige Worte miteinander gewechselt, und trotzdem waren sie sich auf seltsame Art und Weise nah.
Er hatte diesen Abend, ohne auch nur einen Gedanken an die Zukunft zu verschwenden, einfach genossen.
Dabei hatte er diesem Moment damals nicht mal eine besonders große Bedeutung beigemessen. Leider, wie Taehyung über die Jahre feststellen musste, waren es gerade diese einst unscheinbaren Momente, die jetzt am meisten schmerzten.
Jungkook war einfach immer da gewesen, er hatte es als viel zu selbstverständlich angesehen, ihn an seiner Seite zu wissen. Zu dem Zeitpunkt hatte er nicht geahnt, dass es das letzte harmonische Weihnachten werden sollte, das sie zusammen verbrachten. Aber wie auch? Er war noch jung, gerade mal 15 Jahre alt, und hatte keinen Gedanken daran verschwendet, dass Jungkook bald schon nicht mehr an seiner Seite sein würde. Niemals hätte er geahnt, eines Tages ohne seinen wintervernarrten Jungkook den Schnee betrachten zu müssen.
Im diesem Moment bereute er es einmal mehr, Jungkook niemals gesagt zu haben, wie toll er diesen Abend fand. Oder wie gut es ihm tat, seine Nähe zu genießen, auch wenn sie eher mental, als körperlich war. Wieso hatte er es nie getan?
"Ich vermisse dich so... wenn du jetzt noch hier wärst, dann würdest du mir bestimmt wieder erzählen, wie sehr du den Schnee liebst. Ich könnte in deinen Augen dieses Leuchten sehen, als seist du noch immer der kleine Kookie von damals... Sicher hättest du wieder Zimtplätzchen von deiner Ma mitgebracht. Du wusstest immer, dass ich die am allerliebsten esse..." Taehyungs Worte, die er gegen den Himmel richtete, waren genauso traurig belegt, wie sein Blick.
Wie konnte der Verlust eines einzelnen Menschen nur so elendig schmerzen?
Es tat so schrecklich weh...
Länger konnte Taehyung seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Die Vorstellung von Jungkooks Lächeln war sein Ende und so brach seine Trauer ungewollt aus ihm heraus. Er zitterte am ganzen Leib, während das lautes Schluchzen das einzige war, was das sonst mucksmäuschenstille Zimmer erfüllte. Verzweifelt verbarg er sein Gesicht hinter seinen Händen und fühlte, wie sein Innerstes ein weiteres Mal brutal zerrissen wurde.
Er würde es niemals wieder sehen, dieses Lächeln, dieses Funkeln. Jungkook. Er war fort, für immer.
Er wollte es nicht wahrhaben. Es war unfair, dass jemand wie Jungkook so früh die Welt verlassen musste. Er war viel zu jung gewesen.
Wut stieg in ihm auf. Wut auf die unbarmherzige Welt, Wut auf Jungkook, weil er ihn, entgegen seines Versprechens, doch allein gelassen hatte. Doch am meisten Wut hatte er auf sich selbst.
Er hätte es verhindern können. Er war Schuld an dem Tod seines besten Freundes. Hätte er damals nur anders reagiert, dann würde Jungkook heute neben ihm hier auf dem Fenstersims sitzen und ihm einen Knopf an die Backe labern. Er würde alles dafür tun, um die Fehler seiner Vergangenheit rückgängig zu machen.
Alles!
Ein weiteres Mal zerbrach der junge Mann an dem Schmerz, den kein Mensch außer Jungkook zu lindern vermochte.
Taehyung wusste nicht, wie lange er dort gesessen und sich seiner Trauer hingegeben hatte. Irgendwann war er einfach erschöpft zum Bett getaumelt und hatte sich in gleich zwei Decken eingemuckelt. Doch selbst diese konnten ihn längst nicht mehr wärmen.
Taehyung bekam gar nicht richtig mit, wie er weinend langsam in einen traumlosen Schlaf abdriftete.
⋯⊰ ❅ ⊱⋯
Tag 3 :)
Ich hoffe, euch geht's gut und ihr genießt die vielen, tollen Adventskalender, die man hier findet 🤗
I purple u 💜
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top