⋯⊰ ❅ 𝟮𝟭 𝗘𝗿𝘄𝗮𝗰𝗵𝗲𝗻 ❅ ⊱⋯

  
⋯⊰ ❅ ⊱⋯
   

Wo war er? War das sein Zimmer? Suchend blickte sich Taehyung um, doch er erkannte nichts in der Dunkelheit der Nacht. Er tastete um sich herum und merkte, dass er auf einem angenehm weichen Bett lag. Aber es kam ihm alles seltsam fremd vor. Das schwache Mondlicht, das er im Fenster sehen konnte, war nicht an dem Platz, wo es für gewöhnlich war. Dementsprechend konnte es nicht sein Bett sein. Wo war er denn jetzt wieder gelandet?

"Tae? Was is los? Warum bist du wach?", hörte Tae eine verschlafene Stimme neben sich. Sie klang rau und vom Schlaf belegt, aber Taehyung erkannte sie sofort. Blitzartig schnellte er in die Höhe, tastete um sich, um einen Lichtschalter oder sonstiges zu finden, doch er fand nichts. Trotzdem wurde es ganz plötzlich Taghell um ihn herum, als der junge Mann neben ihm anscheinend das Nachttischlämpchen angeschaltet hatte. Tae musste einige Male blinzeln, um etwas zu erkennen. Gekonnt ignorierte er den stechenden Schmerz in seinen Augen, den die Helligkeit verursachte. Er musste sich davon überzeugen, dass er sich das nicht einbildete oder er wieder in die Vergangenheit geschickt worden war.

"J...jung...jungkook...", stammelte er überfordert von dessen Anblick. Es war tatsächlich Jungkook, der dort neben ihm im Bett lag und ihn fragend ansah. Die ersten Tränen quollen aus seinen Augen, liefen unaufhaltsam seine Wange hinunter. "Du.. du lebst."

Jungkook setzte sich ebenfalls auf und wunderte sich über Taehyungs unnötige Feststellung. "Ähm... ja? Wie du siehst... sag mal, was ist denn los? Warum weinst du?"

Taehyung konnte nicht auf Jungkooks Worte eingehen. Stattdessen wiederholte er seine Worte von zuvor.  "Du lebst. Du... Kookie... du... du warst tot", stellte er erneut fest, während er seinen Freund in eine feste Umarmung zog. Fest presste er Jungkook an seine Brust, legte seine Arme um ihn und begann zu zittern. Er konnte Jungkook berühren. Jungkook konnte ihn sehen und hören. Das hier war nicht wieder eine seiner Reisen, das hier war real.

"Hattest du einen Alptraum? Hey... es ist alles gut. Schau mal. Mir gehts gut. Ich lebe, siehst du? Beruhig dich", flüsterte Jungkook sanft und beruhigend. Er erwiderte die Umarmung, strich dabei beruhigend über den Rücken seines Freundes, während dieser haltlos zu weinen begann. Jungkook spürte, wie stark Taehyung in seinen Armen zitterte, daher versuchte er sein Bestes, um ihn zu trösten.

"Hör doch auf zu weinen, bitte...", wisperte Jungkook überfordert, denn sein Freund schien sich gar nicht wieder beruhigen zu können. "Pass auf", sagte Jungkook wenig später bestimmend. "Ich mache uns jetzt erstmal einen Kakao und dann erzählst du mir, was du geträumt hast, okay?"
"Nein!", kam es wie aus der Pistole geschossen von Taehyung. "Geh nich! Bleib hier!"

Jungkook verstand nicht, weshalb Taehyung so übertrieben reagierte. Er wirkte fast schon panisch. "Tae, ich geh doch nur in die Küche... ich bin doch gleich wieder da."

Tae sah mit schreckensweiten Augen zu, wie Jungkook das Zimmer verließ. Er unterdrückte seinen Reflex, direkt hinterher zu laufen und zwang sich stattdessen dazu, die Zeit zu nutzen, um klar zu kriegen, was hier vor sich ging.

Hatte er das alles wirklich nur geträumt? Ein Alptraum? Aber wieso fühlte es sich nicht so an? Wobei, manchmal wirkten Träume schon sehr real und wenn er ganz ehrlich war, war es unrealistisch, was da passiert war. Das konnte niemals wirklich so geschehen sein. Ein seltsamer alter Mann, der keine Spuren hinterließ, ein Glöckchen das die Fähigkeit hatte, ihm sein kindliches Ich gegenübersetehen zu lassen. Reisen in die verschiedensten Vergangenheiten. Das klang alles sehr abgedreht. Unrealistisch. Das alles war anscheinend wirklich nur ein Traum gewesen. Und was war mit den fünf Jahren nach Jungkooks Tod? Hatte er die auch nur geträumt? Konnte man sowas träumen? Anscheinend. Denn je länger er sich umsah, desto sicherer wurde sich Taehyung, dass er nicht zu dem Zeitpunkt aufgewacht war, an dem er seinem jüngeren Ich begegnete, sondern viel früher. Dann wären all die Jahre voller Trauer nie passiert, dann hätte er niemals an Jungkooks Grab gestanden.

"Also, dann erzähl mal", forderte Kookie sanft, als er wenig später mit zwei warmen Tassen Kakao wieder kam. Tae hatte vor lauter Grübelei nicht mitbekommen, dass sein Freund schon zurück war. Jungkook setzte sich aufs Bett, während er Tae eine Kakaostasse in die Hand drückte. "Das muss ein heftiger Traum gewesen sein. Du bist ja total durcheinander..."

"Traum... ja. Es war nur ein Traum", stammelte Taehyung verwirrt vor sich her. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken und Fragen. Er verstand es immer noch nicht. "Kookie? Was für einen Tag haben wir?"

"Heute? Äh, heute ist der 24. Dezember. Wieso fragst du?"
"Welches Jahr?"
"2020, aber das weißt du doch. Was soll denn so eine Frage? Was ist los mit dir, Tae?"

"Ich...", begann Taehyung leise, doch er verstummte. Wie sollte er erklären, was ihn so aufwühlte? Er hatte Jungkooks leblosen Körper gesehen. Er hatte ihn so sehr vermisst. Wenn das wirklich nur ein Traum war, dann einer der miesesten Sorte.

Es war Jungkook, der das eingekehrte Schweigen durchbrach und wieder das Wort erhob. "Sag mir bitte was los ist. Du bist ja total durcheinander...."

"Ich... du... wir haben geredet. Also nach dem Kuss."
"Du meinst den vor 2 Wochen?"
"Du... weißt davon?"
"Aber Tae! Natürlich weiß ich davon, du Idiot. Deswegen haben wir uns doch gestern gestritten."

Taehyung verstand nichts mehr. "Gestern?"
"Ja, Tae. Gestern. Erinnerst du dich nicht?"
"D-doch... schon."

"Aber weiter. Was ist passiert?"

"Wir haben geredet. Also gestritten. Und dann bist du weggelaufen. Ich bin nicht hinterhergelaufen und du... du bist erfroren. Ich hab dich gefunden. Kookie... du.... es war so grausam." Allein die Erinnerung von Jungkooks leblosen Körper im Schnee war zu heftig für Taehyung. Wieder begann er zu weinen, das Schluchzen wurde nochmals lauter. Jungkook verzweifelte. Was auch immer Taehyung geträumt hatte, es musste furchtbar gewesen sein.

"Aber das war nur ein Traum, Tae. Ich bin hier, siehst du? Und mir gehts gut. Bitte hör endlich auf zu weinen."

"Kookie. Ich bin so dumm gewesen! Es tut mir so leid! Ich... ich hab dir wehgetan... dabei wollte ich das nie! Ich bin so blind gewesen und selbst das hab ich nie begriffen! Ohne diesen Jungen hätte ich das wohl immer noch nicht. Jungkook... es... es tut mir so Leid." 

"Shht, beruhig dich wieder. Es ist alles gut. Wir haben doch gestern ganz lange darüber gesprochen. Ich bin dir nicht böse.... das weißt du doch, und dir muss auch nichts Leid tun, okay?"

Es brauchte lange, bis Taehyung Jungkooks Worte realisierte. Er versuchte verzweifelt, sich daran zu erinnern, was gestern passiert war, doch er merkte nur, wie sein Kopf elendig zu schmerzen begann.

Schweigend saßen die beiden Freunde nebeneinander auf dem Bett und tranken schluckweise ihren Kakao. Jungkook sah immer wieder besorgt zu Taehyung und wünschte sich in dem Moment, verstehen zu können, was mit ihm los war. Er kannte es ja, dass man nach einigen Träumen aufgewühlt war, aber eine so heftige Reaktion hatte er noch nie gesehen. Taehyung war total verwirrt, und Besserung war so schnell nicht in Sicht.

"Lass uns nochmal versuchen zu schlafen, okay? Denk dran, wir wollten doch später noch auf den Weihnachtsmarkt, und dann sollten wir ausgeruht sein. Ich bin da, okay? Und mir passiert auch nichts."

Taehyung nickte erleichtert. Es beruhigte ihn tatsächlich, Jungkook neben sich zu wissen. Diese ganze Sache war nur ein verrückter Traum gewesen. Jungkooks Tod nur ein Alptraum. Ihm war nie etwas passiert und das erleichterte ihn. Trotzdem wollte er Jungkook am liebsten nie wieder loslassen, sich nie wieder von ihm trennen.

Taehyung war erschöpft. Der Traum war einfach zu heftig gewesen. Die Kopfschmerzen wurden schlimmer und sein Körper schrie geradezu nach einer Portion erholsamen Schlaf. Daher stellte er die Tasse mit dem mittlerweile kalten Kakao beiseite auf den Nachtischschrank. Was er dann jedoch sah, schockierte ihn.

"Wo... wo kommt das denn her..?", fragte Tae verwirrt.

"Was meinst du?", erkundigte sich Jungkook, ehe er das kleine, silberne Glöckchen auf dem Nachtischschrank liegen sah. "Ach, du meinst das Glöckchen? Keine Ahnung, wo das herkommt. Ich schätze, das war bei der Deko dabei, die meine Mum mir gestern vorbei gebracht hat. Frag mich aber nicht, wie das dahin kommt."

Lange starrte Taehyung das Glöckchen an.

War das vielleicht doch nicht nur ein Alptraum gewesen? Oder hatte er das Glöckchen womöglich in seinem Traum mit eingebaut, weil er es gestern dahin gelegt hatte? Irgendwie machte das alles keinen Sinn, aber bevor er weiter darüber nachdenken konnte, spürte er Jungkooks Arme, die sich sanft um seinen Oberkörper schlangen. Die Nähe seines Freundes tat gut, sehr gut sogar. Sie vertrieb jegliche Gedanken und da beschloss Tae für sich selbst, dass es gar nicht von Bedeutung war, ob es nun ein Traum war, oder nicht. Er hatte seine Lehre daraus gezogen.

Jungkook war bei ihm. Mehr zählte nicht.
   

⋯⊰ ❅ ⊱⋯

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top