❅ ⊱⋯ 𝟜 𝕍𝕖𝕣𝕤𝕡𝕣𝕠𝕔𝕙𝕖𝕟 ⋯⊰ ❅
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Flashback
"Und? Hat er schon geantwortet?", fragte Jungkook an Taehyung gerichtet, der neben ihm auf dem ausklappbaren Gästebett saß. Er konnte kaum ertragen zu sehen, wie Tae unentwegt mit traurigem Blick auf das schwarze Handydisplay starte.
"Nein."
Mit einem sanften Streichen über den Rücken, versuchte er Tae aufzumuntern. Aber dass Jimin mittlerweile auf keine seiner Nachrichten mehr antwortete, setze dem älteren der beiden ziemlich zu. Taehyung hatte immer schon eine besonders starke Bindung zu Jimin, auch wenn sie ganz anders war, als die zu Jungkook. Sie waren seit Kindestagen an befreundet, da war es verständlich, dass er ihn schrecklich vermisste.
Dass Jimin mit seinen Eltern vor einem Jahr weggezogen war, war schon schlimm genug, aber wenigstens hatte Tae zu dem Zeitpunkt noch die Hoffnung, dass sie weiter in Kontakt bleiben würden. Anfangs schrieben sie jeden Tag, doch mit der Zeit wurde es immer weniger.
Jimin hatte neue Freunde gefunden, was an sich ja auch okay war. Nur schienen Taehyung und Jungkook dadurch immer mehr in Vergessenheit zu geraten. Taehyung war schon immer sensibel gewesen, wenn es um den Verlust von Menschen ging, die ihm viel bedeuteten. Jungkook wusste das, deswegen hatte er alles daran gesetzt, seinen Freund irgendwie abzulenken. Mit eher mäßigem Erfolg bislang.
Ursprünglich hatte Taehyung geplant, in den Sommerferien Jimin zu besuchen, doch dieser hatte immer noch nicht geantwortet. Also hatte er dankbar das Angebot angenommen, mit den Jeons übers das Wochenende an den See zu fahren. Jungkooks Onkel lebte dort, daher war es nicht mal mit Mehrkosten verbunden, Taehyung mitzunehmen. In dem Gästezimmer, das Jungkook sonst für sich allein hatte, war locker genug Platz für eine weitere Person. Und die beiden hatten noch nie ein Problem damit, im selben Bett zu schlafen. Jungkook freute sich sogar, dass er diesmal nicht allein war. Er war an für sich wirklich gerne bei seinem Onkel, doch als einziger Teenager in dem gesamten Kaff wurde es schnell langweilig.
Doch bevor er sich Gedanken über frühere langweilige Stunden machen konnte, musste er sich erstmal um wichtigeres kümmern. Um Taehyung. Und wenigstens versuchen, ihn auf andere Gedanken zu bringen.
"Komm!", rief Jungkook daher nach einer kurzen Denkpause plötzlich, als sei er von einem Geistesblitz getroffen worden. Taehyung blinzelte ihn ungläubig an, erhob sich aber dennoch langsam vom Bett.
"Und wohin?"
"Du musst mal auf andere Gedanken kommen und ich hab schon eine Idee, wie!", sprudelte es fröhlich aus Jungkook heraus. Schnell griff er nach Taehyungs Hand, um ihn hinter sich her zu ziehen.
Taehyung hatte nicht die leiseste Ahnung, was sein Freund vorhatte, folgte ihm aber brav. Er vertraute ihm und bis jetzt hatte Jungkook, was das anging, immer gute Ideen gehabt. Schnell gab Jungkook seiner Mutter noch Bescheid, dass sie runter zum See gehen würden. Sie ermahnte die beiden, vorsichtig zu sein, denn auch, wenn ihr Sohn mit seinen elf Jahren schon recht verantwortungsbewusst war, ging sie lieber auf Nummer sicher.
Außerdem traute sie ihm weniger, wenn Taehyung dabei war. Er hatte in seinem Beisein schon so einige Dummheiten angestellt.
"Schon klar, Mama", rief Jungkook im rauslaufen.
Am Ufer angekommen, staunte Taehyung nicht schlecht. Das Gewässer vor ihm war klein, und doch war es einer der schönsten Seen, die er je erblickt hatte.
"Wooow... und das gehört wirklich deinem Onkel?", fragte Taehyung erstaunt. Sein Blick hing an den unzähligen Steinen, die als Umrandung dienten, und den wenigen Steininseln, die mitten im See ihren Platz hatten.
"Ja, cool oder?", grinste Jungkook vergnügt, doch noch bevor Taehyung alles ausführlich betrachtet hatte, wurde er von seinem Freund schon wieder hinter sich hergezogen.
"Warte... was hast du vor?", stieß Taehyung perplex aus, denn er begriff nicht, was sein Freund nun schon wieder ausheckte. Mit seinen elf Jahren besaß er eindeutig noch zu viele Flausen im Kopf. Manchmal. Wenn Taehyung dabei war.
"Ich zeig dir was. Ist ein Geheimnis, also darfst du niemandem davon etwas sagen! Versprich es mir!"
Taehyung nickte - was blieb ihm bei dem eisernen Blick seines Freundes auch anderes übrig? "Versprochen."
Es kam Taehyung so vor, als seien sie ewig durch irgendwelche Schlupflöcher in Hecken und Zäunen gekrochen, bis Jungkook endlich stehen blieb und mit einem stolzem: "Wir sind da!", ihr Ankommen verkündete. Der ältere Junge blinzelte einige Male ungläubig, weil er bis auf ein paar gleich aussehenden Bäume nichts besonderes sehen konnte. Zumindest nichts, was diesen weiten Fußmarsch rechtfertigen würde.
"Aha. Und bitte was soll hier sein?", kam es wenig euphorisch von Tae, der auch beim zweiten Mal umschauen nichts besonderes entdecken konnte.
"Ich zeig's dir. Komm mit", verkündete Kookie fröhlich, ehe er angestrengt den Boden musterte. Taehyung verstand nicht, was sein bester Freund da gerade tat, beim besten Willen nicht, und so langsam zweifelte er an dessen Verstand. Aber da hörte er ihn plötzlich "Ah!", rufen und keine Sekunde später öffnete sich eine Bodenklappe.
Mitten im Wald.
Einfach so. Wie auf einem alten, eingestaubten Dachboden. Oder einem dieser abgedrehten Filmen, bei denen es immer um spukende Geister ging. Taehyung wollte ganz sicher nicht in dieses Loch runter klettern, da konnte sein Freund ihn noch so herzerwärmend anblinzeln.
"Nein. Vergiss es, Kookie. Ich klettere da ganz sicher nicht runter."
"Und ich dachte immer, dass du der coole von uns beiden bist. Da habe ich mich wohl getäuscht. Naja, dann geh ich eben alleine runt-" Bevor Jungkook seinen Satz zu Ende sprechen konnte, wurde er von Taehyung auf die Seite geschoben, damit er als erstes in das Loch im Waldboden steigen konnte.
Jungkooks Plan hatte funktioniert. Er kannte seinen besten Freund gut. Sehr gut. Er wusste, dass er niemals zugeben würde, Schiss zu haben.
Unten angekommen, machte Jungkook eine Kerze an, nachdem er im Schein der Sonne, das nur spärlich in das Bodenversteck vordrang, das Feuerzeug gefunden hatte. Erst flackerte die Flamme unruhig hin und her, sodass kaum etwas von der Umgebung zu erkennen war. Doch als sie sich etwas stabilisiert hatte, erkannte Taehyung, dass Jungkook sich hier ein eigenes, kleines Reich erschaffen hatte. Natürlich hatte es keine gehobene Ausstattung, doch immerhin hatte Jungkook für zwei Sitzmöglichkeiten gesorgt, eine Art Tisch improvisiert und dem unterirdischen Raum durch die Kerzen sogar etwas Gemütlichkeit verliehen.
"Darf ich vorstellen? Kookies Castle", verkündete Jungkook mit stolz erhobener Brust.
"Kookies Castle?", neckte Taehyung seinen besten Freund. "Dein ernst? Wir müssen unbedingt mach 'nen cooleren Namen dafür suchen!" Jungkooks Stolz bekam Risse, denn bislang fand er den Namen an sich immer sehr cool.
"Ich find den Namen gut so!", wetterte der Jüngere deshalb dagegen und untermalte seine Empörung mit einem Schmollmund. Taehyung konnte nicht länger widerstehen und zog seinen besten Freund mit einem belustigten Grinsen in eine Umarmung. "Guck nicht so. Ich find's toll hier. Nur der Name ist nicht so..."
Jungkook, der eh nie wirklich böse auf seinen besten Freund sein konnte, stieg augenblicklich in das Lachen mit ein.
Die Stimmung wurde unbeschwerter. Taehyung schien sogar nicht mehr sonderlich über Jimin nachdenken zu müssen. Zum Glück, denn genau das hatte Jungkook gewollt.
Erst, als sie einige Zeit später wieder auf dem Gästebett des Familienhauses saßen, kippte die Stimmung erneut. Tae wirkte äußerst anhänglich, dabei war es sonst nicht er, sondern Jungkook, der die Nähe des anderen suchte. Mit einem langgedehnten Seufzen drapierte er seinen Kopf auf der Schulter seines Freundes und schloss nachdenklich die Augen. "Danke, Kookie. Der Tag war wirklich schön. Ich bin froh, dass ich dich noch an meiner Seite habe. Auch wenn Jiminie mir fehlt, ich habe ja noch dich. Danke."
Jungkook wusste erstmal nichts darauf zu sagen, weshalb er einen tiefen Atemzug tat und währenddessen nach den richtigen Worten suchte.
"Ich bin auch froh, Tae. Sehr sogar."
Stille legte sich über die beiden Jugendlichen, doch diesmal war es eine der angenehmen Sorte. Sie genossen es, einfach so nah beisammen zu sein. Seelisch, wie körperlich.
"Kookie? Kannst du mir was versprechen?", erklang es viele Minuten später leise von Taehyung.
Sie verharrten immer noch in ihrer Position und dachten auch nicht daran, das zu ändern. Sie mussten sich nicht direkt in die Augen sehen, um die Verbundenheit zwischen sich zu spüren. Taehyung wusste, dass Jungkook ehrlich zu ihm sein würde. Und Jungkook wusste, dass es wichtig war, was Taehyung auf dem Herzen lag.
"Bleib bei mir, ja? Verlass mich nicht so, wie Jimin es getan hat, okay? Ich habe nur dich, und ich würde kaputt gehen, wenn du mich allein zurück lässt." Jungkook entging nicht, wie wackelig Taehyungs Stimme auf einmal war. Jimins Verlust war über alle Maße schmerzvoll für den Jungen an seiner Seite. Er ertrug es nicht, Menschen um sich herum zu verlieren.
Jungkook musste nicht lange überlegen, bis er zur Antwort ansetzte. "Tae, ich verspreche dir, dass ich dich niemals verlasse. Ich lasse dich nicht allein, okay?"
Es war Taehyung, der, bewegt von den Worten seines Freundes, nun doch ihre Umarmung löste, jedoch nur, um ihm direkt in die Augen zu sehen.
Jungkooks Augen waren aufrichtig. Sie glänzten stärker, als alle Augen, die Taehyung bis dato gesehen hatte. Oder vielleicht war es ihm bei anderen nur nie aufgefallen, aber eins war sicher. Jungkooks Augen waren etwas ganz Besonderes.
Niemand sonst konnte Taehyung so fühlen lassen, wie sein bester Freund es in diesem Moment tat. Er konnte nicht mal erklären, wie er sich nun genau fühlte. Am ehesten hätte er es mit den Worten 'warm' beschrieben.
Der ältere schluckte einen dicken Kloß herunter, der sich in seinem Hals gebildet hatte, ehe er sich traute, von Jungkook seine Bestätigung einzuholen. "Versprochen?"
"Versprochen."
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