❅ ⊱⋯ 𝟙𝟘 𝕎𝕚𝕟𝕥𝕖𝕣𝕟𝕒𝕔𝕙𝕥 ⋯⊰ ❅

   
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Flashback
   
   

"Jungkook, was soll das!? Ich glaube, wir haben echt Wichtigeres zu bereden als irgendwelche liegen gelassenen Plätzchen..."

Die Strenge in Taehyungs Stimme und sein plötzliches Stehenbleiben, ließ Jungkook kurzzeitig in sich zusammensacken. Seine Worte waren hart, lähmten ihn, aber dennoch musste er sich eingestehen, dass ein Fünkchen Wahrheit darin lag. So schnell wollte Jungkook diesmal jedoch nicht klein beigeben. Das hatte er immer schon, wenn sie sich stritten, nur dieses Mal war es ihm zu wichtig.

"Aber immerhin besser als weiter zu schweigen!", konterte er daher schroff. Ein dicker Knoten bildete sich in seinem Bauch, denn er wusste, dass ihr Gespräch im Begriff war, die falsche Richtung einzuschlagen. Er wollte doch mit Taehyung reden, mit ihm alles klären, damit sie endlich wieder ganz normal miteinander umgehen konnten. Stattdessen artete ihr Gespräch in einen weiteren Streit aus. Konnten sie denn wirklich kein einziges, vernünftiges Wort mehr miteinander wechseln?

"Na, dann rede doch!", fauchte Taehyung sauer. Auch er wollte endlich diese verdammte Stimmung zwischen ihnen beenden und wissen, weshalb es auf einmal so anders zwischen ihnen war. Er wollte, dass Jungkook endlich zugab, was dieser Kuss ihm bedeutete. Er brauchte Klarheit, denn die letzten Tage war er in einer Hölle aus Gedankengängen gefangen, aus der es scheinbar kein Entrinnen gab, solange sie sich nicht ausgesprochen hatten.

"Und du willst nichts dazu sagen, oder wie?" Jungkooks Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, bei dem er unbeholfen einige Schritte nach hinten taumelte. Der Schnee unter seinen Füßen knarzte und war das einzige, was einen Moment lang zu hören war.

Der kalte Wind fegte um sie herum, prallte auf ihre erhitzten Gesichter. Es hätte Jungkook frösteln lassen müssen, doch er nahm es gar nicht richtig wahr. Zu sehr war er in seinen aufwühlenden Gedanken gefangen.
Wann hatte es angefangen so komisch zwischen ihnen zu werden? War es wirklich dieser Kuss? Oder lag es vielmehr daran, dass sich Jungkook mit seinen 15 Jahren das erste Mal so richtig verliebt hatte und dieser Kuss nur die Sehnsucht nach Liebe in ihm wachrief? Er wollte mehr für Taehyung sein, aber das begriff er erst jetzt, wo er ihm gegenüberstand. Jungkook war überfordert. Er wusste nicht, wie er mit dieser Flut an Gefühlen umgehen sollte, vor allem weil Taehyungs eiserner Blick ihn zu durchbohren schien.

Gerade ertrug er Taehyungs Art nicht. Weder, wie er sprach, noch, wie er ihn ansah. Seine Nähe ertrug er erst recht nicht, denn mit ihr waren viel zu schmerzliche Erinnerungen verbunden. Er vermisste den alten Taehyung, mit dem er im Schnee gespielt hatte. Wie albern. Es war gerade Mal gut zwei Wochen her, dass sie das das letzte Mal getan hatten. Dabei kam es ihm vor, als wären Jahre vergangen, seit er an Taehyungs Seite durch die weiße Landschaft tollte, als wären sie noch Kleinkinder. Er hatte wirklich gedacht, dass er glücklicher nicht sein könnte, als alles noch so unbeschwert und leicht zu sein schien.

Er sehnte sich nach dieser Zeit.
 
"Das meine ich nicht! Aber ...", setzte Taehyung an, der zunehmend irritiert von Jungkooks abweisender Art war. Normalerweise war der Jüngere derjenige, der einen Schritt auf den anderen zuging und nicht der, der noch mehr Distanz zwischen sie brachte. Das war schon immer so gewesen. Taehyung war in diesem Punkt nicht so erwachsen wie Jungkook, obwohl er es als der Ältere sein sollte.

"Aber was!?", schrie Jungkook sauer und unterbrach Taehyung, bevor dieser überhaupt richtig angefangen hatte zu sprechen. "Soll ich mich jetzt entschuldigen? Willst du, dass ich es wieder bin, der klein bei gibt? Weil ich immer schon klein beigegeben habe?" Er tobte, zumindest innerlich. Sein Herz hämmerte so stark in seiner Brust, dass es sogar die Übelkeit überdeckte, die sich wie ein Lauffeuer in ihm ausbreitete. Merkte Taehyung denn nicht, was für einen inneren Kampf Jungkook mit sich selbst gerade austrug? Er wollte Taehyung als Freund wieder haben, aber er wollte auch, dass der Kuss kein unbedeutender Unfall war.

Dabei ahnte Jungkook nicht, dass es Taehyung ganz ähnlich erging.
Er sehnte sich doch genauso nach der unbekümmerten Zeit zurück, er vermisste seinen alten Kookie, der ihn mit nichts als einem Lächeln alles Schlechte vergessen ließ. Wieso schaffte er es nicht, ihm genau das zu sagen? Wieso fühlte er sich durch seine Worte persönlich angegriffen?

"Was ... hat das denn damit zu tun!? Ich will einfach nur wissen, was das jetzt zwischen uns ist!"
 
"Sag du es mir doch! DU bist derjenige, der MICH geküsst hat! Also bist du jetzt an der Reihe! Denn diesmal werde ich nicht wieder angekrochen kommen. Das hast du diesmal zu verantworten..." Jungkook wurde leiser, jedoch nicht weil er sich beruhigt hatte, sondern weil seine Stimme, langsam aber sicher, ihren Dienst quittierte. Sein Hals schnürte sich mit jeder Silbe, die er über die Lippen brachte, mehr zu. Er kämpfte gegen die Tränen an, die von Wut und Trauer zugleich geschürt wurden. Er würde es nicht mehr lange schaffen, stark zu bleiben, wenn sie so weiter machten.

"Was ist eigentlich dein Problem, sag mal!?", kam es zornig von Taehyung, der sich immer mehr von seinem Freund in die Ecke gedrängt fühlte. Es war ungewöhnlich für Jungkook, so zu reagieren, aber Tae selbst war auch nicht mehr bei klarem Verstand, wenn er ehrlich war. Dieser Streit zwischen Jungkook und ihm zerrte seit Tagen an seinen Nerven und nun schienen sie endgültig blank zu liegen.

"Was mein Problem ist!? Mein Problem ist, dass ich immer Rücksicht auf dich genommen habe! Immer. Es ging IMMER nur darum, was du wolltest! Das war auch nie das Problem, aber Tae ... Jetzt bin ich mal dran. Ich kann das nicht mehr, verstehst du? Ich-" Jungkooks Stimme brach. Sie versagte kläglich. Er brachte keinen einzigen, jämmerlichen Ton mehr heraus. 

"Ach!? Das ist es also? Es geht dir gar nicht um diesen verdammten Kuss?", knurrte Taehyung zornig, als er befürchtete, dass es da noch ganz andere unausgesprochene Dinge zwischen ihnen gab außer dem Kuss. Taehyung musste mit ansehen, wie sich sein bester Freund fest auf die Unterlippe biss, als die ersten Tränen in seinen Augen empor stiegen. Er blinzelte, wollte sich anscheinend nicht die Blöße geben vor Taehyung das Weinen anzufangen, doch er scheiterte.
Die durchsichtigen Perlen suchten sich ihren Weg über seine Wangen.

"Doch, Taehyung!", stellte Jungkook wispernd klar, "Es geht mir um diesen verdammten Kuss!"

"Kookie ..."

"Nein! Du hast niemals gesehen, warum ich das alles tue. Du hast nie gesehen, dass ich dich immer schon bewundert habe. Hast du es wirklich nie begriffen? Tae, ich liebe dich schon so lange, aber du ... du..."

Taehyungs Herz setzte für einen winzigen Moment aus. Jungkooks Worte sickerten nur langsam in sein Bewusstsein und dort angekommen, brauchte ihre Verarbeitung ewig, bis er ihre eigentliche Bedeutung letztendlich verstand. Noch bevor er überhaupt die Chance bekam darauf etwas zu sagen, hörte er Jungkook erneut. "Du hattest recht. Heute ist wirklich nicht der beste Tag zum Reden."

Mit diesen Worten warf Jungkook ihm einen letzten, markdurchdringenden Blick zu, ehe er sich in die weiße Winterlandschaft flüchtete.

Taehyung erstarrte. Sein Blick hing lange an der Silhouette seines Freundes. Er wollte ihn aufhalten, bevor es zu spät war, aber Taehyung schaffte es nicht, ihm hinterher zu laufen, oder etwas dazu zu sagen. Er blieb einfach stehen, als hätte sein Körper auf einmal verlernt, wie das Laufen und Sprechen funktionierte. Er wollte nicht, dass Jungkook schon wieder wegrannte. Er wollte es klären, auf sein Geständnis reagieren, ihm sagen, dass es ihm da genauso ging. Er wollte Jungkook in seine Arme schließen, sich bei ihm entschuldigen und sagen, dass alles wieder gut werden würde.

Stattdessen hatte er alles nur noch schlimmer gemacht.

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