Sonntag, 24.12.23
❆
Der Morgen beginnt ruhig. Zum Glück. Denn Miryos Worte gestern Abend haben noch lange nachgewirkt, und irgendwie tun sie es noch immer. Ich gehe das Gespräch wieder und wieder durch. Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht mitbekommen habe, wie Minnie schon aufgestanden ist. Erst, als ich merke, wie sich jemand zu mir auf die Couch setzt und sich an mich lehnt, komme ich aus den Gedanken raus.
"Du bist ja schon wach. Guten Morgen."
Minnie ist wie immer morgens sehr wortkarg und nickt nur. Ich frage ihn, ob ich den Fernseher anmachen soll, aber da schüttelt er den Kopf. Ich bin völlig perplex, denn das kommt höchstens dann vor, wenn er richtig krank ist.
"Alles okay? Geht's dir nicht gut?"
"Ich bin aufgeregt, Papa."
"Wegen morgen?"
Mein Sohn nickt, kuschelt sich näher an mich heran. Schnell ziehe ich die Wolldecke über uns beide und verharre dann in der Position.
"Minnie? Willst du mir nicht sagen, warum du so aufgeregt bist?"
"Hm...", brummt er, entscheidet sich aber schließlich doch, mit mir zu reden. "Es ist alles so anders. Wir sind dann nicht Zuhause. Woher soll der Weihnachtsmann denn wissen, wo wir sind? Und ich hab Angst, dass er Inhyuk und Neri viel lieber hat als mich und ich keine Geschenke bekomme."
Mein Sohn scheint sich ebenfalls die halbe Nacht mit schweren Gedanken gequält zu haben. Ich möchte jetzt nichts Falsches sagen, daher nehme ich mir ausreichend Zeit, meine Antwort zu überdenken.
"Also erstmal: der Weihnachtsmann hat dich genauso lieb, wie alle anderen Kinder auch. Ich weiß, dass du letztes Jahr enttäuscht warst, aber vielleicht wusste er einfach nicht, was er dir schenken soll. Dieses Jahr wird das anders."
"Aber warum soll er dieses Jahr wissen, was er mir schenken soll?"
Schwierige Frage. Wie erkläre ich ihm das?
"Ich kann dir das nicht so genau sagen. Ich hab es einfach im Gefühl", weiche ich der Frage aus. Minnie sieht nachdenklich zum schwarzen Bildschirm des Fernsehers. Ablenken. Irgendwie. Und ich hab auch schon ne Idee.
"Achja. Und wenn du Sorge hast, dass er dich nicht findet, können wir ja einen Brief für ihn hinlegen. Dann weiß er, dass du bei Inhyuk bist. Was hältst du davon?"
Eifrig nickt mein Sohn und scheint damit zufrieden zu sein.
"Super. Dann lass uns den gleich direkt fertig machen. Wir sollten gleich auch noch frühstücken, denn heute wollten wir uns ja mit Jimin treffen."
Das reicht dann auch, um auch die letzten Zweifel und Grübeleien zu verscheuchen. Minnie hüpft von der Couch, sprintet in die Küche und fragt, warum ich so lange brauche. Es ist wirklich süß, wie mein Sohn auf Jimin reagiert. Ich kanns ihm nicht verübeln, denn auch ich freue mich wirklich auf den Tag. Ich habe mir überlegt, dass wir abends zusammen etwas essen können und davor möchte ich mit den beiden zu einem See ganz in der Nähe. Nur wenige Leute wissen, dass er existiert und ich hab dir Hoffnung, dass wir da heute alleine sein werden. Ein bisschen Ruhe nach den aufregenden Tagen tut uns allen sicher ganz gut.
Nach dem Frühstück machen wir noch ein bisschen im Haushalt, schreiben den Brief für den Weihnachtsmann und ich schreibe Jimin, dass wir uns gleich auf den Weg machen.
Kurze Zeit später sitzen wir im Auto und sind auf dem Weg zu den Kims.
Ich schlafe ja immer mit offenem Fenster, und die Kims haben mir das auch hier erlaubt. Aber heute Nacht hat es einen dermaßenen Temperatursturz gegeben, dass sogar ich das Fenster zugemacht habe. Entsprechend glücklich bin ich, dass Familie Min mich nachher mit dem Auto abholt. Bei Brrr-Kälte und glatten Straßen ans andere Ende der Stadt und abends zurück - das ist selbst in einer Kleinstadt wie dieser ambitioniert.
Ausgeruht und warm erscheine ich zum Familienfrühstück und genieße die Zeit mit diesen netten Menschen. Das ist - Wasserschaden her oder hin - so viel schöner, als alleine zu Hause zu hocken, dass ich einfach glücklich bin.
Herr Min hat mir getextet, dass ich mich sehr warm anziehen soll, weil wir einen Ausflug machen. Also packe ich mich pünktlich zur verabredeten Zeit dick ein, steige mit zwei Paar Socken in meine Winterstiefel und fülle mir heißen Früchtetee in meine Thermoskanne.
Da klingelt es auch schon, Min-jun straaaaaaahlt mich an, und aus dem Hintergrund kommt eine kleine Kanonenkugel geschossen. Der Witzbold klopft jetzt immer an alle Türen und fragt einfach so "darf ich?". Diesmal muss die sowieso schon offene Haustür darunter leiden, bevor er sich auf Min-jun stürzt. Der macht einen winzigen Schritt rückwärts. Zu meiner Verblüffung kapiert Inhyuk das aber und bremst sich.
Kinder spüren so viel!
"Guten Tag, Herr Min, hallo Minnie. Ich bin startklar. Und seeehr gespannt, wo es jetzt hingeht. Hier. Ich soll dir wieder die Schneesachen von Inhyuk geben."
Neben mir piepst ein kleiner Naseweiß: "Eigentlich kannst du die behalten. Ich pass ja nicht mehr rein."
Am Ende des Flures taucht Herr Kim auf und schüttelt den Kopf.
"Kannst du solche Geschenke bitte uns Erwachsenen überlassen, mein Sohn?
Hallo, Yoongi. Ich wünsche euch einen richtig schönen Tag miteinander."
Dann schnappt er sich seinen Sohn, damit es in der Haustür nicht so voll ist, und kitzelt ihn durch. Wir verabschieden uns grinsend und machen uns auf den Weg. Während Herr Min unserem unbekannten Ziel entgegensteuert, helfe ich auf der Rückbank, dass Minnie sich die ganze Schneemontur anziehen kann. So sind wir bestens gewappnet.
Nachdem wir Jimin eingesammelt haben, machen wir uns auf den Weg zum See. Da er ziemlich abgelegen ist, müssen wir noch ein gutes Stück durch den Wald laufen. Ich habe nichts dagegen, finde es im Gegenteil sogar immer ziemlich beruhigend. Als ich am Waldrand auf einem winzigen Parkstreifen das Auto abstelle und den beiden mitteile, dass wir da sind, ist die Verwunderung groß.
"Aber Papa. Hier ist doch gar nichts."
"Das stimmt. Aber vertrau mir einfach. Ich führe euch an einen ganz ganz hübschen Ort. Wir müssen aber noch ein kleines Stück laufen und nachher darauf achten, nicht zu spät wieder zurückzugehen. Der Wald wird abends nämlich sehr dunkel."
Minnie schnappt sich seinen Rucksack, in dem er heißen Kakao hat und steigt aus dem Auto. Jimin und ich bewaffnen uns ebenfalls noch mit unseren Taschen, ehe wir losmarschieren.
Wie erwartet ist außer uns niemand hier. Es ist also endlich Zeit, um mal Ruhe zu tanken. Jimin und ich unterhalten uns, während Minnie den Wald um uns herum erkundet. Dabei merkt man immer wieder mal, dass Jimin der Erzieher im Blut liegt. Er erklärt Minnie so einiges, sodass es sich beinahe so anfühlt, als wären wir auf einem Kindergartenausflug. Ich genieße es, mal nicht allein für meinen Sohn verantwortlich zu sein und zu sehen, wie viel Spaß Jimin auf der gemeinsamen Wald-Erkundungstour zu haben scheint.
Nach einem ausführlichen Fußmarsch erreichen wir dann endlich den See. Sofort kommen Erinnerungen hoch. Ich war ewig nicht mehr hier, weil der Soo-Ae es war, die mir den See damals gezeigt hat. Eine Zeit lang waren wir sehr oft hier und ich hab es immer sehr genossen. Nach ihrem Tod habe ich es allerdings vermieden, nochmal hierher zu kommen. Erst jetzt fühle ich mich dazu bereit. Vielleicht, weil ich weiß, dass ich nicht mehr allein bin und tolle Freunde gefunden habe, die mir beistehen.
Es ist herrlich hier. Und keine Menschenseele, die uns stört. Ein verschneiter Zauberwald im Sonnenschein, wie geschaffen für Kinderphantasie. Unter unseren Stiefeln knirscht der Schnee - ein Geräusch, das ich liebe. Min-jun zelebriert jeden Schritt, weil das Knirschen so besonders ist. Herr Min scheint in seiner eigenen Welt abgetaucht zu sein.
Ich fordere Min-jun auf, leise zu sein. Schon bald hören wir es über uns rascheln. An einem Baumstamm sitzt ein Eichhörnchen, halb versteckt, und beobachtet uns. Vorsichtig gehe ich in die Hocke und zeige Minnie das zierliche Tierchen. Schwupp, ist der Kopf verschwunden. Aber dann sehen wir es einen dicken Ast entlangrennen. Von da aus springt es zum nächsten Baum und flitzt nach oben davon. Andächtig flüstert Min-jun zu mir.
"War das ein Eichhörnchen? Ich hab noch nie ein echtes Eichhörnchen gesehen! Das war sooooo schnell!"
"Deshalb sieht man die auch nicht so leicht. Oh, schau mal. Siehst du die Spuren dort? Da sind ganz viele Tiere quer über den Weg gelaufen. Und ich glaube, das waren Wildschweine."
Wir hocken uns neben die Spur. Verwirrt zeigt er mit seinem kleinen, behandschuhten Finger darauf.
"Das ist aber ein komischer Fuß. So klein. Und der hat nur 2 Zehen."
"Das ist kein Fuß wie beim Menschen. Wildschweine haben Hufe, die vorne in zwei Teile gespalten sind."
So geht es immer weiter, denn im Wald gibt es so viel zu entdecken, wenn man die Augen offen hält. Min-jun staunt bei jedem Schritt und will alles erklärt bekommen.
Nach einer ganzen Weile scheint es heller zu werden. Der Weg öffnet sich zu einer kleinen Lichtung. Ich mache eine Vollbremsung vor Verblüffung. Vor uns glitzert ein kleiner See in der Sonne. Er scheint durch den Temperatursturz heute Nacht zugefroren zu sein. Eine dünne Eisschicht umschließt alles, was im Wasser gelegen hat. Raureif hüllt die Äste der umstehenden Bäume in einen weißen Mantel. Das Sonnenlicht tanzt zwischen den Zweigen.
"Und? Habe ich euch zuviel versprochen?", frage ich, weil es den beiden vor lauter Staunen die Sprache verschlagen hat. Wir schauen uns um und finden auch schnell einen dicken Baumstamm, auf den wir uns alle drei setzen können. Nur Minnie bleibt nicht lange sitzen, denn er hat schon wieder das nächste Objekt ins Auge gefasst, das er erforschen will. Er sieht mich fragend an. "Darf ich?"
"Klar, schau dich ruhig um. Versprich mir nur, dass du nicht zu nah an den See gehst. Das Eis ist noch ganz dünn."
Minnie nickt und stiefelt los. Jimin und ich bleiben sitzen, beobachten Minnie und den See und genießen die Stille. Es tut gut, endlich mal den Raum dafür zu haben, seinen eigenen Gedanken zuzuhören. Ich fühle mich leichter als die ganzen letzten Monate. Deswegen tue ich auch etwas, das ich sonst nie tue. Ich fange von mir aus an, von meiner Frau zu erzählen.
"Min-juns Mama hat mir diesen Ort damals gezeigt. Wir waren gerade frisch zusammen. Sie hat den Ort geliebt, weil es hier immer so ruhig ist. Es ist schön hier, oder?"
"Sehr. Ich bin ganz verblüfft, dass ich das hier nicht kenne. Aber ich hab ja nicht mal mitbekommen, wann wir vom Hauptweg abgewichen sind, und auf den letzten mindestens hundert Metern sind wir durch völlig unberührten Schnee gestapft. Ich liebe die Kinder und meinen Beruf, aber nach einem langen Tag voller Geschrei bin ich immer froh, wenn es äußerlich und innerlich still werden darf."
"Sie haben noch nie von Ihrer Frau gesprochen. Danke für Ihr Vertrauen! Es ist ein guter, geschützter Ort für Erinnerungen. ...
Min-jun spricht nie von seiner Mutter. Vielleicht sollten Sie ihm sagen, dass Sie oft zusammen hier waren. Knüpfen Sie ein unsichtbares Band zwischen den beiden. Vielleicht finden dann auch die auseinandergefallenen Teile Ihres Lebens wieder zusammen."
Jimins Worte berühren mich tief. "Ich habe es nie geschafft, über sie zu sprechen. Schon gar nicht vor Minnie. Aber Sie haben Recht. Min-jun sollte erfahren, wer seine Mutter war und... ich werde es versuchen. Danke."
Jimin schenkt mir noch ein Lächeln, ehe wieder Stille zwischen uns einkehrt. Minnie kommt immer mal wieder zu uns, aber ansonsten passiert nicht viel.
Später, als wir alle reichlich durchgefroren sind und es langsam zu dämmern beginnt, machen wir uns wieder auf den Weg zum Auto. Der Wald ist schon jetzt sehr dunkel, aber noch geht es. Trotzdem sind wir auf dem Rückweg wesentlich schneller als auf dem Hinweg.
Im Auto mache ich erstmal die Heizung an. Wahnsinn, wie schnell es in der Nacht abgekühlt ist. Aber schön. Ich mag Schnee, vor allem, weil dadurch alles viel stiller wird. Für mich das perfekte Wetter, um vor den Feiertagen richtig runterzukommen.
Zuhause bereiten wir drei gemeinsam das Abendessen zu. Es ist ein bisschen schwierig, weil unsere Küche so klein ist. Jimin hat die rettende Idee, dass Minnie schon mal den Tisch decken kann, da die Kids das vom Kindergarten her kennen. Das klappt erstaunlich gut und Jimin und ich arbeiten Hand in Hand.
In einem ungestörten Moment bespreche ich mit ihm, wie wir das mit der Geschenkübergabe bei Namjoon machen. Er erklärt sich bereit, mir zu helfen, damit wir das Geschenk ungesehen bei den Kims abgeben können.
Beim Essen fällt mir dann noch etwas auf. Wir sind immer noch beim 'Sie', aber nach dem Tag heute fühlt sich das nicht mehr richtig an. Ich möchte ihm das 'Du' anbieten, traue mich aber nicht.
Es ist wunderschön zu sehen, wie entspannt und achtsam Vater und Sohn miteinander sind. Angst, Hektik und Druck gibt es bei ihnen immer nur, wenn Menschen drumrum sind, weil sie davon beide schnell überfordert sind.
Y... - Herr Min - ach, Mist! Das stimmt nicht mehr. Aber darf ich als Erzieher mit einem Vater befreundet sein und mich duzen? Er ist ein netter, sanfter Mensch. Jetzt, wo der Anfang gemacht ist, würde ich ja zu gerne aus der Helferrolle wieder rauskommen.
Während wir gemeinsam kochen, grübele ich vor mich hin, wie ich das Dilemma auflösen könnte.
Später beim Essen rutscht mir sein Vorname fast laut raus. Er sagt zu mir 'Jimin' und 'Sie', Min-jun sagt 'Du'. Was ein Durcheinander!
Minnie scheint die komische Stimmung zu spüren, denn er legt den Kopf schief und schaut mich ernst an. Als sein Vater mich anspricht, schaut Minnie plötzlich intensiv zu ihm rüber. Er hört auf zu essen, weil er so beschäftigt ist mit Denken.
Plötzlich legt er sein Besteck weg.
"Papa, darf ich dich was fragen?"
"Immer, mein Schatz. Was ist denn?"
"Warum sagst du eigentlich die ganze Zeit 'Jimin' und 'Sie'? Das klingt komisch. Und ihr fühlt euch auch ganz komisch an. Das verstehe ich nicht."
Intuitiv sehe ich Herrn Min an, und er sieht zu mir rüber. Da fasse ich mir ein Herz und antworte dem Jungen, ohne meinen Blick von seinem Vater zu wenden.
"Eigentlich ist das ganz einfach, Minnie. Kleine Kinder sagen zu allen 'Du', auch in Familien und unter Freunden sagt man immer 'Du'. Menschen, die sich fremd sind, nur miteinander arbeiten, sich vielleicht nicht mal mögen, die sagen besser 'Sie', weil das höflicher ist."
Herrn Min ist am Gesicht nichts anzusehen. Minnie fasst nach.
"Aber ihr mögt euch doch. Wir mögen uns. Sonst wäre Jimin nicht bei uns zu Besuch."
Ich nutze die Gelegenheit, denn ich vermute, dass ... Yoongi es nicht schaffen würde.
"Eigentlich hast du recht. Ich mag deinen Papa. Wir sind wohl nur noch nicht auf die Idee gekommen. Im Kindergarten ist so wenig Zeit für sowas."
"Aber jetzt ist Zeit!"
Endlich findet ...
Yoongi. Ich will Yoongi sagen.
... Yoongi findet seine Sprache wieder.
"Wir haben dich schon verstanden, Min-jun. Aber da müssen vor allem die beiden, die 'Du' sagen wollen, einverstanden sein. Und das musst du dann schon uns überlassen."
Stille.
"Ich finde, dein Sohn hat recht. Ich mag dich, manchmal bewundere ich dich sogar, für dein Durchhaltevermögen, für deine Liebe zu deinem Sohn. Ich würde gerne Yoongi und 'Du' sagen."
Ganz ausnahmsweise ist er so verblüfft, dass er mir für einen Moment mitten ins Gesicht sieht. Ich lächele ihn an.
Min-jun traut sich auszusprechen, was ich mich nicht getraut habe. Zum Glück macht Jimin den ersten Schritt und bietet mir das 'Du' an. Überfordert bin ich trotzdem, weil ich nicht damit gerechnet habe. Es muss für ihn ein großer Schritt sein, denn immerhin sollte er wegen der Arbeit eine gewisse Distanz wahren. Die ist aber wahrscheinlich eh schon gesprengt worden, also ist es wohl okay.
"Sehr... Also. Sehr gerne. Und danke."
Jimin schenkt mir nochmal ein Lächeln, diesmal erwidere ich es ganz automatisch. Es fühlt sich gut an, vor allem, weil ich weiß, dass er mir ein großes Vertrauen entgegen bringen muss, um diesen Schritt zu wagen.
Wir bleiben noch einen Moment am Tisch sitzen. Schließlich ist es Jimin, der das Wort nochmals ergreift. Ich verstehe sofort, was er vorhat und nutze die Gelegenheit, um Minnies Geschenk ins Auto zu bringen.
Ein wunderschöner Tag geht zu Ende.
"Ich glaube, ich mag jetzt nach Hause fahren. Die viele frische Luft hat ganz schön müde gemacht. Aber erst decken wir beide noch den Tisch ab, und du zeigst mir, wo bei euch alles hinkommt. Okay, Min-jun?"
Yoongi versteht den Wink mit dem Zaunpfahl und verkrümelt sich, während Minnie und ich das Geschirr zusammenräumen, alles in die Küche tragen, ich die Reste in Dosen fülle, Minnie auf den Küchenhocker vor den offenen Kühlschrank stelle und ihm die Dosen anreiche. So bekommt er nicht mit, dass Yoongi mit etwas großem Unförmigem über den Flur huscht, leise die Wohnungstür öffnet und für ein paar Minuten verschwindet. Kurz darauf ist er wieder da, hebt Minnie vom Hocker und steckt ihn in Jacke und Schuhe.
Wir fahren mit dem Aufzug nach unten, und jetzt weiß ich auch, was das für ein Geräusch ist, das in unregelmäßigen Abständen die halbe Wohnung erschüttert hat. Es ist das beeindruckende Rumpeln und Keuchen vom Fahrstuhl.
Leise fahren wir durch die nächtliche Stadt.
"Danke, Yoongi. Das war ein wirklich schöner Tag. Viel schöner, als wenn ich alleine in meinem trockenen Apartment gesessen hätte."
Yoongi wirkt, als ob er sich nur auf die Straße konzentriert, aber im Licht einer Straßenlaterne kann ich kurz sehen, dass er lächelt.
Vor dem Haus der Kims drehe ich mich nach hinten, um mich von Min-jun zu verabschieden. Aber der kleine Mann ist seiner Müdigkeit erlegen. So kann Yoongi sein Geschenk einfach aus dem Kofferraum holen und mir in die Hand drücken.
"Wir sehen uns morgen. Bis dann. Yoongi."
"Gute Nacht, Jimin. Bis morgen."
Schnell ist das Auto in der Dunkelheit verschwunden. Ich trage das riesige Etwas in mein Zimmer, kriege grade noch mit, wie Neri und Inhyuk ins Bett verfrachtet werden, und wünsche Anna und Namjoon eine gute Nacht. So kann Weihnachten weitergehen.
Nachdem Jimin heute Vormittag verschwunden ist, habe ich mit den Kindern das Weihnachtszimmer und den Baum geschmückt und die Krippe aufgebaut. Anna hat ganz viele leckere Sachen für morgen vorbereitet. Die Kinder sind total aufgeregt, denn ein Geschenk für jeden stellt der Weihnachtsmann schon heute in die Garage.
Als es draußen dämmrig wird, versammeln wir uns um den Weihnachtsbaum, singen ein paar Weihnachtslieder, lesen gemeinsam die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel.
Inhyuk platzt fast vor lauter Anspannung, bis endlich klar ist, dass der Weihnachtsmann seinen sehnlichsten Wunsch erfüllt hat - ein richtiges, eigenes Fahrrad, mit Klingel und Licht und einem schicken, bunten Fähnchen am Gepäckträger. Fahren hat er schon im Sommer gelernt auf Neris erstem Rad. Aber das hier ist sein erstes eigenes, und das wird natürlich entsprechend gefeiert. Neris größter Wunsch war ein Frisiertisch. Also bekommt sie einen kleinen Tisch mit Spiegel und ganz viele Dinge, die man brauchen kann, um schöne Frisuren zu machen. Alle weiteren Geschenke von Großeltern und Paten sind deutlich kleiner. Die wird dann morgen der Weihnachtsmann aus dem Sack fischen.
Die Kinder sind schon auf dem Weg ins Bett, da höre ich, dass Jimin nach Hause kommt. Inhyuk hört das natürlich auch sofort und will nochmal runterstürmen, aber Anna fängt ihn ein und verhindert das.
Jimin trägt ein großes unförmiges Irgendwas in sein Zimmer, sagt uns gute Nacht und zieht sich bald auch zurück. So bleibt Anna und mir noch ein ungestörter Moment zu zweit.
Wann waren Yoongi und Min-jun hier? Ich sollte mich mal entscheiden, welche Schneekugel ich ihm schenke, und dann Yoongi fragen, wann ich ihm die morgen geben kann. Ob der Kleine schon im Bett ist?
Ich mache mich auf die Socken nach oben. Im selben Moment kommt Yoongi aus dem Fahrstuhl, mit dem schlafenden Jungen im Arm. Er stutzt, dann wedelt er mit dem Schlüsselbund in der Hand. Wahrscheinlich soll ich ihm die Tür aufschließen.
Ich schnappe mir das Schlüsselbund, probiere mich durch und habe recht schnell den richtigen Schlüssel gefunden.
"So, rein mit euch. Bring ihn erst mal ins Bett. Und dann habe ich noch eine Frage an dich."
Yoongi bringt seinen Sohn ins Bett, schält ihn vorsichtig aus seiner Kleidung, deckt ihn zu und kommt dann zu mir auf den Flur. Fragend sieht er mich an.
"Ich wollte gerne mit dir absprechen, wann ich morgen kommen soll, um Min-jun sein Geschenk zu geben."
Es ist gar nicht so einfach, mit einem schlafendem Kind im Arm den Fahrstuhl zu betätigen. Zum Glück kommt mir Hobi im Flur entgegen und hilft mir beim Aufschließen. Schnell bringe ich Minnie ins Bett und sage Hobi, dass er kurz warten soll und ich gleich für ihn da bin.
Wir setzen uns einen Moment auf die Couch.
"Also... eigentlich würde ich dich gerne einladen, Minnie das Geschenk persönlich zu geben. Allerdings feiern wir morgen bei Freunden. Ich habe aber nachgefragt. Du bist herzlich willkommen, dort mit uns zusammen zu feiern. Nur wenn du magst natürlich."
Hobi erkundigt sich daraufhin, um wen es sich bei diesen Freunden handelt, und ich kläre ihn auf. Zu meiner Freude sagt er tatsächlich zu. Wir vereinbaren noch, dass ich ihn morgen einsammele, dann verabschiedet sich Hoseok.
Versonnen bleibe ich noch eine ganze Weile auf dem Sofa sitzen und lasse diesen schönen Tag an mir vorüberziehen.
❆
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top