[27] GEHEIMNISSE WERDEN GELÜFTET
»VALERIE SCHUBERT? DEN Namen kennen wir doch!«
Einige der Internetcafébesucher schauten kurz von ihren Bildschirmen auf, um Sophie einen genervten Blick zuzuwerfen. Dann vertieften sie sich jedoch schnell wieder in ihre eigenen Recherchen. Nur ein Mittzwanziger mit großer Brille murmelte noch irgendetwas von Studienarbeit, bevor er sich wieder abwendete.
Die Vierzehnjährige hatte aber ganz andere Sorgen, als sich nach den Befindlichkeiten irgendwelcher Leute zu richten. Sie traute ihren Augen kaum, als sie und ihre Schwester die Internetseite von Pavel Dvořák durchstöberten und den Nachnamen seiner Assistentin lasen. Dieser war nämlich derselbe, wie bei dem Kerl aus dem Juweliergeschäft. »Die sind sich wirklich nicht zufällig begegnet, die sind verwandt!«
Ehe Celine antworten konnte, drängelte sich ein dicker Mann mit einer Tüte Chips an den Mädchen vorbei und stieß Celine dabei fast um.
»Verzeihung!«, rief der Typ flüchtig in den Raum und setzte sich an den PC, der zwei Plätze weiter stand. Der Betreiber des Internetcafés warf seinem Kunden vom anderen Ende des Ladens einen mahnenden Blick zu. Der Dickte winkte ab und nickte genervt, während er sich auf eine Gaming-Seite einloggte. Dabei wurde er von noch jemandem neugierig beäugt.
»Hast du das schon mal gemacht?«, fragte Celine ihre Schwester.
»Was gemacht?«
»Ein Spiel am Computer gespielt. Außer Solitaire und so was.«
»Klar, im Technik-Unterricht, wenn der olle Jansen nicht im Raum ist«, antwortete Sophie und beobachtete den beleibten Zocker, der voller Enthusiasmus virtuelles Federvieh abknallte. »Aber dieser Moorhuhn-Quatsch ist echt nervig. Da sind mir meine Pokémon-Spiele lieber«, fügte sie eilig hinzu und wendete ihren Blick ab.
»Vielleicht sollten wir uns auch endlich einen PC zulegen. Dann müssten wir nicht immer hier oder im Schulinternet recherchieren.« Celine kratzte sich am Kopf und starrte ins Leere.
»Damit du nach der Schule zocken kannst, statt Hausaufgaben zu machen? Erklär das mal Papa«, kicherte Sophie.
»Quatsch, aus so etwas mache ich mir nicht viel. Das weißt du doch«, dementierte die Elfjährige die Vermutung ihrer Schwester.
»Ich weiß aber auch, dass Oliver aus deiner Klasse ein begnadeter Computer-Freak ist«, stichelte Sophie weiter und stieß Celine mit dem Ellenbogen in die Rippen. »Und der ist nicht so voluminös und schwitzend, wie dieser Kerl da, stimmts?«
Celine nickte erst stumm, lief dann rot an und zuckte zusammen. »Häh? Was? Egal. Wir haben Wichtigeres zu tun. Uns bei diesem Dvořák umschauen, zum Beispiel, und zusehen, dass wir da etwas Brauchbares herausfinden. Wir haben eh unsere Zeit hier verbraucht.«
»Erwischt!«, reif Sophie, als Celine den PC herunterfahren ließ.
»Was willst du?«, fragte diese und ihre Wangen röteten sich ein wenig mehr.
»Nichts«, antwortete Sophie schmunzelnd und betrachtete ihre Fingernägel.
»Brechen wir auf. Dvořák schließt um 12 Uhr. Es bleibt nicht viel Zeit, die Mühlenfeldstraße zu erreichen. Auf geht's!«
»Mühlenfeldstraße?«, rief Sophie und verzog das Gesicht. »Das ist zu weit weg. Am anderen Ende der Stadt. Das schaffen wir niemals bis Mittag. Lass uns das verschieben.«
»Kneifen gilt nicht«, widersprach Celine auf dem Weg aus dem Internetcafé. »Wenn Vincent und Dvořák sich kennen, halte ich einige Probleme für möglich. Ich traue keinem von beiden. Stell dir vor, was die mit dem Opal alles anstellen könnten. Schlimmstenfalls finden sie heraus -«
»Ist ja gut«, gab sich Sophie geschlagen und hob beschwichtigend die Hände. »Hast recht. Immerhin hat Dvořák die Bissspuren gesehen und jetzt, wo wir wissen, dass der Opal ein fossilisierter Wirbelknochen von Kronos ist, sollten wir kein Risiko eingehen.«
»Ich sehe, du denkst mit, Schwesterherz.«
»Nicht nur, was das betrifft«, schmunzelte Sophie und pikste Celine mit den Fingern in den Rücken.
»Aua! Was machst du denn da? Beeilen wir uns. Die nächste Straßenbahn fährt in ein paar Minuten von der Haltestelle Kraemerpassage ab.«
»Du willst schon wieder Bahnfahren? Wer weiß, welche Verbrechen uns heute vorgeworfen werden.«
»Wir haben diesmal keine Dinosaurier dabei, auf die wir aufpassen müssen«, beruhigte Celine ihre große Schwester. »Wir fahren seit Jahren mit der Straßenbahn. Bis zu diesem besagten Tag ist nie was passiert.«
»Ich meinte ja nur.«
»Hör erst mal auf zu meinen und überleg dir was, das wir sagen könnten, wenn wir da sind«, bestimmte Celine, während sie die Haltestelle ansteuerte.
»Du bist doch die Schlauere von uns beiden. Außerdem musste ich beim Juwelier schon denken. Denk dir jetzt selbst was aus«, konterte Sophie und zog die Nase hoch.
»Darum geht es nicht«, protestierte Celine. »Wir haben eine Welt zu beschützen. Da ist keine Zeit für Machtkämpfe zwischen uns.«
»Machtkämpfe? Sei nicht so verbittert. Ich zieh dich doch nur auf.« Sophie erhielt keine Antwort mehr. Als nach einer Weile die Bahn eintrudelte, stiegen die Mädchen wortlos ein und fanden jeweils einen Platz in der Einsitzer-Reihe. Hintereinander starrten sie stumm aus dem Fenster, während das alltägliche Stadttreiben an ihnen vorbeizog.
»Ich habs!«, unterbrach Celine die Stille und klatschte in die Hände.
»Du hast was?«, fragte Sophie, ohne den Blick vom Fenster zu lassen.
»Eine Idee, wie wir bei Dvořák schnüffeln und mehr über Vincent Schubert herausfinden können. Hör zu.« Celine lehnte sich nach vorn und tuschelte ihrer Schwester etwas ins Ohr.
»Ein Wochenend-Job!? Bei dem? Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen!« Sophies Protest fiel lauter aus, als Celine es erwartet hätte.
»Psst! Beruhige dich.« Celine tätschelte ihrer Schwester die Schulter, als wäre sie ein scheues Pferd. »Nur so lange, bis wir herausgefunden haben, ob einer von den beiden den Opal hat und was sie über die Bisse wissen.«
»Der erkennt uns sicher wieder. Schließlich standen wir letztens am Teich, als er die bissigen Kreaturen gesucht hat.«
»Dann hast du eine super Steilvorlage«, gab sich Celine weiterhin optimistisch. »Wir schmieren ihm Honig ums Maul und behaupten, dass wir Fans von ihm seien und Reptilien mögen. Letzteres ist nicht mal gelogen. Zudem hast du kürzlich ein Praktikum in der Zoohandlung absolviert. Du willst dich jetzt eben spezialisieren.«
»Du stellst dir das ja ganz einfach vor. Dass ich mich mit dem Fatzken herumplagen muss, ist dir wohl egal.« Sophie legte die Hand auf ihre Stirn und kniff die Augen zusammen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top