[18] Angriff aus dem Hinterhalt

»BIST DU DIR sicher, dass das Raptoren sind?«, fragte Sophie ihre Schwester und hatte merklich damit zu kämpfen, sich auf den eigenen Beinen zu halten.

»Ich denke schon. Sieh dir ihre Füße an«, antwortete die jüngere der beiden und zeigte mit einer Kopfbewegung in Richtung der charakteristischen Sichelklauen. »Aber sie scheinen uns nicht als Beute zu betrachten. Guck mal, wie lieb sie gucken und wie flauschig sie sind.«

»Ja eben. Flauschig. Dass Dinosaurier Federn haben, ist ja schön und gut. Diese hier sehen eher aus, wie zu groß geratene Vögel, wenn da nicht diese Zähne und scharfen Krallen wären.« Sophie atmete tief ein, während eines der Tiere ein paar Schritte auf die Mädchen zuging. »Der hier sieht nicht aus, als wolle er nur gucken.«

Der Saurier hatte die Schwestern fixiert und ging ein wenig in die Hocke. Hinter den beiden fauchte das zweite Tier und hatte seine mit scharfen Klauen bewehrten, flügelähnlichen Arme vom Körper abgespreizt – in freudiger Erwartung auf sein heutiges Mittagessen. Beide Raptoren sträubten ihr Gefieder und scharrten mit den Füßen auf dem Boden. Ihre langen Schwänze schwankten rastlos von einer Seite zur anderen.

»Was machen die da?«, wollte Celine wissen, bereute aber rasch, dass sie überhaupt den Mund aufgemacht hatte, denn die Raubsaurier reagierten darauf, indem sie erneut krächzende Geräusche ausstießen.

Dann ging alles fürchterlich schnell: Der dritte Dinosaurier, der die Mädchen verfolgt hatte und seitdem verschwunden zu sein schien, raste mit einer enormen Geschwindigkeit aus dem Unterholz und steuerte direkt auf Celine und ihre Schwester zu. Und er kam nicht allein. Ein weiterer Raptor, einer mit deutlich anders gefärbtem Gefieder, schnellte ebenfalls auf die Lichtung. Dieser nahm nicht Kurs auf die Mädchen, die sich zitternd zu einen Knäuel zusammengekauert hatten. Er setzte vielmehr auf seinen Artgenossen an und stieß ihn mit dem Kopf in vollem Lauf von den Beinen. Der verdutzte Räuber quittierte diesen Verrat mit einem schrillen Schrei und trat dabei mit seinen krallenbewehrten Füßen in Richtung des Störenfrieds.

Die beiden anderen Dinosaurier stimmten in den kreischenden Protest ein. Einer von ihnen beabsichtigte, den missglückten Überraschungsangriff fortzusetzen und sich an den Mädchen zu schaffen zu machen. Doch auch diesen Angriff wusste der bunte Raptor zu verhindern und baute sich zwischen den Jäger und seiner Beute auf. Er stellte die langen metallisch schimmernden Federn auf seinem Kopf auf und gab keckernde Laute von sich. Man hätte denken können, dass er seinen Artgenossen etwas erzählte.

Nicht ausgeschlossen, dass er das wirklich tat. Die drei anderen Dinos warfen Sophie und Celine daraufhin skeptische Blicke zu, schüttelten verlegen ihr Federkleid und ordneten dieses anschließend mit ihrer Schnauze. Ein Verhalten, dass sich auch bei heutigen Vögeln beobachten lässt, wenn sie mit einer Situation überfordert sind.

»Was tun sie?«, flüsterte Sophie ihrer Schwester zu. Die beiden hatten die Köpfe zusammengesteckt, die Augen fest geschlossen und erwarteten einen schmerzhaften Angriff. Nachdem dieser ausblieb, wagten sie einen Blick und schauten sich bebend um. Als sie dabei dem farbenfrohen Raptoren direkt ins Gesicht schauten, wollten sie erneut die Flucht antreten.

»Hey, lauft nicht weg! Wir tun euch nichts.« Hinter den flüchtenden Mädchen ertönte ein weiteres Mal ein keckerndes Geräusch, das an eine Krähe oder Elster erinnerte. In ihrem Kopf konnten sie allerdings klar und deutlich Worte wahrnehmen. Kamen diese von dem Raptor?

»Renn weiter, Celine. Das ist ganz bestimmt eine Falle. Wir tun diesen Biestern nicht den Gefallen und laufen ihnen freiwillig in die Klauen. Man hat ja in Jurassic Park gesehen, wozu die fähig sind.«

»Wir sind aber nicht bei Jurassic Park«, entgegnete Celine ihrer großen Schwester und verlangsamte das Tempo. »Denkst du nicht, dass der Bunte uns gerettet haben könnte?«

»Schwachfug! Wieso sollte der sich unser zartes Fleisch entgehen lassen?«

»Er kann immerhin mit uns sprechen und weiß womöglich, wer wir sind.« Celine blieb stehen und sah zur kleinen Lichtung zurück. Dort standen die Raptoren noch immer und schauten ihnen nach.

»Los, kommt wieder her! Ich würde gerne mit euch reden.« Die Stimme des Bunten drang durch die Entfernung nur schwach in ihre Köpfe.

»Sollen wir es riskieren?«, fragte Celine und schaute abwechselnd zu ihrer Schwester und den Raubsauriern.

»Nein. Auf keinen Fall gehe ich da wieder hin. Hast du nicht bemerkt, wie gierig die uns angesehen haben?« Sophie ging ein paar Schritte weiter in den Wald hinein, doch Celine ließ sich von ihrer Schwester nicht verunsichern.

»Du hast dir von einem T-rex dein Stofftier bringen lassen, erzähl mir nichts von gefährlichen Tieren. Wir lassen es drauf ankommen und im Zweifel haben wir ja unsere Opale.«

Celine wedelte mit dem Anhänger an ihrer Kette in der Luft herum und erinnerte ihre Sophie damit an die Möglichkeit, aus lebensgefährlichen Situationen flüchten zu können.

»Richtig, die Opale«, sagte die Vierzehnjährige und umklammerte ihr magisches Erbstück, während sie Celine zurück auf die Lichtung folgte.

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