Mittwoch, 21. Dezember

Mit schmerzverzerrtem Gesicht saß der Schwarzhaarige auf seinem Platz, ganz vorne am Lehrertisch und drückte sich seine immer kalten Hände auf die Schläfen, um die Kopfschmerzen, die ihn seit Tagen plagten, etwas zu lindern.

Sein bester Freund Yoongi, der normalerweise zu seiner linken saß, war nicht da. Ihm ging es, wiedermal, nicht so gut. Stattdessen hatte sich Hoseok auf den Platz gesetzt und wartete aufgeregt auf das Zeugnis, das sie bekommen würden.

„Kommst du danach noch mit zum Vietnamesen?" – der Rothaarige piekste dem Ältesten in die Seite, wie er es seit Montag fast ohne unterlass tat.

Das Jungkook sich dabei unwohl fühlte und es ihn jedes Mal daran erinnerte, wie viel Fett er doch wieder angesetzt hatte, wurde ignoriert.

„Ja, aber ewig bleibe ich nicht." – allein diese kleine Zustimmung kostetet ihn enorme Kraft und er versuchte krampfhaft das Angstgefühl, in seiner Magengegend, zu unterdrücken.

„So liebe 13/3, mich haben einige darauf angesprochen, ob ich zu den Zeugnissen wieder etwas Positives sagen könnte, jedoch traf ich gleich auf Widersprüche und ich habe mich entschieden es dennoch zu machen. Einfach, weil ich es ganz gut finde eure Leistungen zu loben." – der Lehrer sah zufrieden in die Runde und begann sofort mit dem alphabetischen Vergeben der Zeugnisse.

„Warum wird uns das angetan." – sich mit den armen verschränkt zu seinem Nachbar lehnend ballte Jungkook seine Hände zu Fäusten. Es ging niemanden etwas an, wie sein Zeugnis aussah und er wollte eigentlich auch nicht wissen, ob seine Klassenkammeraden nun schlechter oder besser, als er, waren.

„Ich weiß es nicht." – Hoseok schüttelte den Kopf. – „Aber ich freue mich auf dein Zeugnis."

„Du freust dich auf mein Zeugnis?" – verständnislos deutete der Schwarzhaarige auf sich selbst. – „Du kannst mit meinem Zeugnis doch gar nichts anfangen."

„Stimmt, aber ich freue mich auf dein glückliches Gesicht, wenn du die Noten bekommst, die du erwartest. Dein Lächeln ist in letzter Zeit kaum noch da."

„Ah."

„So, wer jetzt aufgepasst hat kann mir doch sicher sagen, wer sein Zeugnis jetzt bekommt." – der Lehrer sah erwartungsvoll in die Runde.

„Als ob ich alle Nachnahmen der Klasse kenne."

„Yami. Sehr schönes Zeugnis, doch mit den Leistungskursen... nur dreien? Da kannst du sich doch sicher noch steigern." – der Lehrer gab dem eingeschüchterten Schüler das Zeugnis.

„Das war doch nichts positives." – Schrecken und Angst vor dem Moment, wenn er sein Zeugnis bekommen würde, stand im Gesicht des Ältesten.

„Ich verstehe es auch nicht." – Hoseok zuckte mit den Schultern und sah ebenfalls schlecht gelaunt aus.

„Hoseok, ebenfalls ein sehr gutes Zeugnis, zwar nicht das Beste aber nahe dran." – er legte ihm das Zeugnis auf den Tisch und gleich daneben das des Schwarzhaarigen, ohne einen Kommentar, da er sich offensichtlich gemerkt hatte, in was für einer Verfassung Jungkook sich befand.

„Oha, siebenmal eine 1." – zufrieden lehnte der Rothaarige sich zu Jungkook, der nur mit verschränkten Armen auf sein Zeugnis starrte. – „Bist du nicht zufrieden? Du hast viermal eine 1."

„Selbst wenn ich überall eine eins hätte, ich wäre nicht zufrieden."

„Das ist schade."

„Ich weiß." – Ohne eine Miene zu verziehen steckte er das Zeugnis weg. Andere würden denken, er könnte seine Gefühle gut verstecken, doch die Wahrheit ist, dass er wirklich nichts bei diesem recht guten Zeugnis empfand. Es löste keine Emotion in ihm aus, dabei hatte er so viel Energie in dieses Schulhalbjahr gesteckt.

„So, nun da jeder sein Zeugnis hat, freue ich mich über jeden, der noch mit zum Vietnamesen kommt, dem Rest wünsche ich schöne Ferien, frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr."

Stillschweigend machten sich die vier Freunde, neben Hoseok und Jungkook, bestehend aus Namjoon und Taehyung auf den Weg zum Vietnamesen, wobei sie aufgrund von dem Rothaarigen eine der letzten waren und sich somit abseits ihres Jahrgangs niederließen.

„Und, wisst ihr schon, was ihr wollt." – Jungkook blätterte gestresst durch die große Auswahl, konnte sich jedoch nicht entscheiden.

„Jain." – Hoseok blätterte in der Karte herum. – „Wollen wir und was teilen, eine Sushi Platte, Joonie?"

Vom Größten kam ein einfaches Nicken und er legte die Karte beiseite.

„Also eigentlich will ich dort sitzen, wo Jungkook ist." – Taehyung stand noch immer, wusste allerdings schon, was er wollte.

„Warum?" – Hoseok.

„Weil es der gemütlichste Platzt ist."

„Ja, und genau deswegen sitze ich hier." – sich hinsetzend funkelte der Älteste zu dem Jüngeren hinauf.

„Setzt dich doch einfach auf meine andere Seite." – Hoseok klopfte auf den Platz, wartend, dass sich der Silberhaarige setzte, was er auch kurz darauf tat.

Der Schwarzhaarige war mehr als nur erleichtert, dass der Rothaarige diese Diskussion für ihn übernommen hatte und sie kurz darauf bestellten. Auf Grundlage der Kalorien Bilanz hatte er sich für Reisbandnudelsuppe entschieden, mit Tofu. Nicht unbedingt die einfallsreichste Idee, aber so konnte ihn wenigstens niemand dafür verurteilen, was er aß.

Während sie auf ihr essen warteten stieß zu Jungkooks Leidwesen noch ein Freund der anderen dazu, jedoch keiner, den er kannte. Somit verbrachte er die Zeit schweigend in seiner Ecke. Es interessierte sich auch niemand mehr für den Ältesten.

Selbst als das Essen gebracht wurde interessierte sich niemand für ihn und nervös sah der Schwarzhaarige immer mal wieder auf die Uhr. Er wollte nicht unbedingt schnell nach Hause, doch wollte er genauso wenig in den Strom der Schülermassen kommen, welche ab 15 Uhr ausbrechen würde.

Das Problem war, dass sie ihre Fahrräder alle zusammengebunden hatten und er somit von seinen Freunden abhängig geworden war.

„Namjoon, kann ich den Lach Nigiri haben?"

„Klar."

Jungkook war kurz davor zu schreien. So ging es schon seitdem sie sich ihre Sushi Platte bestellt und bekommen hatten. Sie fragten jedes Mal höflich, ob sie sich das nehmen durften, dabei war es doch sowieso egal. Es war eine Platte zum Teilen und, wenn jemand von ihnen unbedingt das eine Sushi Stück wollte, könnte er es doch auch von Anfang an sagen.

„Jungs?" – seine Finger unruhig knackend suchte der Schwarzhaarige das Gelt zusammen. – „Wenn ihr fertig seid, würde ich gerne gehen."

„Ist gut." – Hoseok, welcher sonst immer gerne Zeit in Restaurants verbrachte, stimmte erstaunlich schnell zu und sorgte zu Jungkooks Erleichterung ebenfalls dafür, dass ein Kellner kam, sodass sie kurz darauf wieder unten, an ihren Fahrrädern standen.

„Also, habt ihr irgendwelche Pläne, für die Feiertage?" – Taehyung öffnete sein Zahlenschloss, nachdem er sein Fahrrad nehmen wollte, jedoch aufgrund des Schlosses nicht vom Fleck kam.

„Nein." – Jungkook blickte zu Boden. Ihm war dieses Jahr nicht nach Weihnachten. Er würde sowieso kein Geschenk bekommen und weihnachtlich geschmückt hatten sie ebenfalls noch nicht.

„Das Übliche halt." – Hoseok ging herum und umarmte sie zum Abschied. – „Aber Jimin wollte doch feiern gehen. Da sehen wir uns sowieso alle wieder und können uns austauschen."

Ein Stich ging durch Jungkooks Herz. Mit alle, waren alle gemeint, außer er. Er gehörte nicht dazu. Er verstand sich in der Schule mit dieser Freundesgruppe, wobei Jimin nicht mal mehr auf der Schule war, doch dazu gehörte er nicht. Er wurde toleriert, nicht mehr und nicht weniger. Niemand interessierte sich für ihn, auch keine unbekannte Person, wie in Geschichten, wie in all den Fan Fictions die er las oder schrieb.

„An Silvester werde ich mich sowieso allein betrinken." – leicht lachte der Schwarzhaarige, einfach als Selbstschutz und Absicherung, dass die Tränen nicht die Überhand gewannen.

„Du kannst zu mir kommen." – Hoseok umarmte ihr zum Abschied.

„Sind noch andere da?" – unsicher erwiderte der Älteste.

„Ja, ganz viele. Um die 35 aber die sind alle super lieb und so." – euphorisch funkelten die Augen des Rothaarigen, während er an das bevorstehende Neujahrsfest dachte.

„Eh, dann werde ich mich spontan entscheiden." – auf sein Fahrrad aufsteigend winkte er seinen ‚Freunden'. – „Also, genießt die Ferien, bis dann." – die Rufe und Wünsche der anderen noch im Hintergrund hörend machte er sich auf den Weg nach Hause.

Zu seiner Erleichterung lief ihm keiner, der ihn kannte über den Weg. Allgemein waren erstaunlich wenig Menschen auf den Straßen.

Sobald er zuhause ankam erwartete ihn Stille. Es war nicht die Stille, die da war, wenn keiner da war, sondern die Stille, wo man so leise wie möglich sein sollte, da ein Elternteil schief. Und zwar nicht in ihrem Zimmer, sonders auf der Couch.

„Hallo Kook." – sein Vater lag auf der Couch und begrüßte ihn verschlafen.

„Hey." – das Zeugnis auf den Tisch legend verschwand er nach oben, auf direktem Weg ins Badezimmer, um erstmal duschen zu können. Der gesamte Tag hatte ihn so sehr gestresst, dass er komplett von seinem Angstschweiß durchnässt war.

In Rekordzeit duschend, damit seine Eltern ihn nicht anmeckern konnten, dass er zu viel warm Wasser verbrauchte, das inzwischen teuer geworden war, lief er wieder runter.

Allgemein herrschte eine bedrückende Stille und der Teenager fühlte sich, als wenn er gleich erbrechen müsste.

„Und, hast du jetzt ein Vietnamesisches Food Baby?" – seine Mutter lächelte ihn an und es war ihm immer wieder ein Rätsel, wie er auf solche Äußerungen reagieren sollte.

„Hmm." – sich an den Tisch setzten wurde er so gut wie ignoriert und irgendwie war er erleichtert. Zur selben Zeit verletzte es ihn aber auch zutiefst, wenn man seinen Eltern irgendwie gleichgültig war. Sie wussten, dass er sein Zeugnis bekommen hatte, jedoch fragten sie nicht einmal danach.

Stattdessen spielten sie oder aßen etwas, bis gut zwei Stunden vergangen waren, in denen Jungkook nur angespannt am Esstisch saß.

„Ist das dein Zeugnis?" – Sein Vater nahm sich das Blatt.

„Wessen sollte es denn sonst sein." – die Augen verdrehend beobachtete der Schwarzhaarige die Reaktion seines Vaters.

„Ist doch ganz gut."

„Hmmm."

„Freust du dich nicht?"

Gleichgültig zuckte er mit den Schultern. Es war der gleiche Effekt, wie in der Schule. Er sah auf das Blatt und fühlte nichts. – „Ich fühle halt nichts. Aber das würde ich bei nur Einsen auch nicht tun." – neutral mit den Schultern zuckend blickte er mit leeren Augen auf die Noten.

Er fühlte sich nicht befriedigt.

Er fühlte seine Leistungen nicht.

Er fühlte gar nichts.

Es war, als wenn die Monate des Halbjahres seine ganze Energie, der letzte Rest mit dem er dafür gekämpft hatte am Leben zu bleiben, aufgesaugt hätten.

„Ich finde es nicht schlecht, aber ich muss jetzt auch schon los. Bis später." – fast schon aus dem Haus flüchtend ließ er seinen Sohn mit keinerlei Emotionen zurück.

„Zeig mal. Ich will auch gucken." – seine Mutter nahm sich das in die Folie gehüllte Blatt, welches sie schnell überflog. – „Recht kurz, findest du nicht?"

„Hab halt nur 10 Fächer."

„Aber es ist doch sehr gut. Was willst du mehr? Deine dumme Mutter ist nicht mal bis zu Abitur gekommen."

„Sag sowas nicht."

„Es ist doch die Wahrheit." – die Frau mittleren Alters erhob sich und verließ den Tisch, ließ Jungkook ebenso allein, woraufhin der Teenager nur seufzte.

Er konnte nicht mal sagen, dass ihn das alles hier verletzte. Es gab schließlich nichts mehr, was er fühlte. Kein Hass, kein Schmerz, keine Trauer, keine Freude, keine Befriedigung. 

Da war einfach ein großes Nichts. 

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