3 - Libido


   

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Ausgerechnet Jimin. 

Dieser verdammte Dreckskerl, der auch nach reichlich Alkohol nicht aus Yoongis Kopf verschwinden wollte und weswegen er sich nun auf Hoseok eingelassen hatte. Jimin sah ihn entschuldigend an und legte dabei ein schmales Lächeln auf. Als Yoongi die Hand spürte, die sich in diesem Moment auf seiner Schulter ablegte, zuckte er kaum merklich etwas zusammen. Der andere bemerkte es nicht, oder es war ihm schlichtweg egal, denn im nächsten Moment kam er ihm näher. Zu nah, für Yoongis Geschmack. 

Hoffnung keimte in ihm auf, dass dies seine Chance war, Jimin endlich klarzumachen. Aber ein winziger Teil in Yoongi, der noch nicht im Alkohol ertrunken war, ermahnte ihn. Er war schon mal an diesem Punkt gewesen und es war nichts daraus geworden. Wahrscheinlich erinnerte Jimin sich nicht einmal mehr an ihre erste Begegnung. Und wenn er es richtig einschätze, hatte Jimin reichlich Alkohol im Blut. Allein das etwas verklärte Grinsen und die bereits rötlich schimmernden Wangen waren ein deutliches Indiz für diese Annahme. Abgesehen davon, hatte er sich gerade mit Hoseok geeinigt, die Tanzfläche zu verlassen. Es hätte ihm egal sein sollen, dass Jimin ihm so nah war. 

War es aber leider nicht. 

“Sorry”, lallte der junge Mann, während er sich zu Yoongi vorbeugte. Er spürte den warmen Atem an seinem Ohr und einen Schauer daraufhin sein Rücken runterlaufen. Hoseok rückte immer mehr in den Hintergrund und war schließlich vollständig aus Yoongis Gedankenwelt verschwunden, weil Jimin diesen Platz mühelos für sich beansprucht hatte. Hier waren so viele Kerle. Musste es denn unbedingt Jimin sein, der ihn schon wieder anrempelte? Er war nicht bereit dafür, Jimin so nah zu sein, auch wenn es das war, was er sich den gesamten Abend über gewünscht hatte. Beziehungsweise die ganzen letzten Wochen.

“Alles okay?”, erkundigte er sich schließlich, nachdem er von dem anderen keine Antwort bekommen hatte. Wieder beugte sich Jimin weiter nach vorne, nur diesmal ließ er die Hand nicht auf Yoongis Schulter ruhen. Langsam glitt sie seine Arm hinunter und verharrte erst, als sie am Handgelenk angekommen war und dort einen leichten Druck ausübte. 

Allein diese Berührung machte ihn fertig. Es fühlte sich viel zu intensiv an. Jimin sollte ihn nicht so berühren, nicht so langsam, nicht so selbstsicher. Wie konnte es sein, dass allein dieser unscheinbare Körperkontakt sein Herz schneller schlagen ließ, das Blut in seinen Adern aufheizte und seine Sinne noch mehr vernebelte, als sie ohnehin schon waren? 

Yoongi schluckte leer, um das unangenehme Gefühl in seinem Hals loszuwerden. Vergebens. Jimin hatte ihn schon längst wieder in seinem Bann gefangen und er konnte nichts tun, um ihm zu entkommen. Seine Nähe paralysierte ihn. 

“Jaja, alles gut”, presste Yoongi hervor. 
Die laute Hintergrundmusik übertönte zum Glück den Großteil der Unsicherheit in seiner Stimme. Es war schon unangenehm genug, wie wenig er sich in der Nähe des anderen zusammenreißen konnte. Da musste dieser nicht noch mitbekommen, wie wenig er tun musste, um ihn aus der Fassung zu bringen. 

“Schade”, erklang die Stimme des anderen erneut und im ersten Moment wusste Yoongi nicht, wie er diese Aussage zu deuten hatte. Er wollte nach einer Erklärung suchen, doch als er sah, wie der andere sich über die plumpen Lippen leckte, setze sein Verstand aus. Wie gebannt sah er auf die befeuchteten Lippen und betrachtete jede noch so kleine Reflexion darauf. Es waren Jimins nächsten Worte, die ihn wieder in die Realität holten.

“Sonst hätte ich dich als Entschuldigung auf nen Drink einladen können.” 

Fuck! Das war eine ganz klare Einladung. Eine Chance. Der entscheidende Moment und Yoongi wusste, dass seine nächste Antwort darüber entschied, wie der Abend weiter verlaufen würde. Das Problem war nur, er wusste nicht, für welche Möglichkeit er sich entscheiden sollte. Hoseok wirkte unkompliziert, sie harmonierten und er war verdammt hübsch. Jimin hatte ihn bis jetzt immer links liegen gelassen, aber seit Wochen wurde er von dem Verlangen erfüllt, ihm näher zu kommen. Hoseok oder Jimin? Was wollte Yoongi wirklich? 
 
“Den Drink würd ich trotzdem nehmen”, antwortete Yoongi, noch bevor er sich einer Entscheidung sicher war. Er war selbst verwundert, wie kräftig seine Stimme auf einmal klang, obwohl er überhaupt nicht wusste, was er hier gerade eigentlich tat. Hatte er sich gerade wirklich von Jimin verleiten lassen, mit ihm zu gehen? Er konnte Hoseok doch nicht einfach links liegen lassen! Es gab keine plausible Erklärung, die er Hoseok geben konnte.

Noch konnte er es abwenden, könnte sagen, dass er gerne ein anderes Mal darauf zurück käme. Aber da sah Jimin ihn wieder an, diesmal mit einem solch breiten Lächeln, dass selbst die Musik für einen Moment in Yoongis Kopf verstummte. Scheiße. Dieser Typ war sein Kryptonit. Er war unfähig, sich gegen diese unmenschliche Kraft zu wehren. Alles, was er noch sehen konnte, waren Jimins blondgefärbten Haare, die das blaue Licht der Bar reflektierten, die plumpen Lippen, die er vor einigen Wochen schon fast geschmeckt hatte und die verklärten Augen, in denen sich Begierde widerspiegelten. Der süßlich schwere Geruch seines Parfums gab ihm schließlich den Rest. Er war machtlos, konnte keinen einzigen Gedanken mehr an Hoseok verschwenden, während Jimin ihn langsam von der Tanzfläche schob. Yoongi gehorchte. Niemals hätte er sich gegen den schmalen Körper gewehrt, der ihn langsam zum Tresen dirigierte. 

"Was trinkst du gerne?", fragte Jimin mit einer abnormen Leichtigkeit in der Stimme, kaum hatte er sich auf einem der Barhocker gesetzt. 

"Gin Tonic", antwortete Yoongi knapp, weil es das einzige war, wozu er noch fähig war. Er rechnete damit, dass Jimin ihm den Drink bestellen würde, was er jedoch nicht hatte kommen sehen, war Jimins hinterhältiges Grinsen, während er Seokjin zu sich rief. Der Barkeeper kam kurz darauf zu ihnen und musterte Yoongi mit einem vielsagenden Blick. 

"Ich dachte, du wolltest tanzen", bemerkte er spitz, doch noch bevor er antworten konnte, ergriff Jimin an seiner Stelle das Wort. "Hab ihn davon abgehalten. Bringst du uns zwei Libidos?" 

Flirtete Jimin mit Seokjin? Oder war Yoongi mittlerweile so daneben, dass er es nur als solches interpretierte? Und was sollte dieser Blick von Seokjin? Und wieso bestellte Jimin ihm sowas, wo er sich doch vorher danach erkundigt hatte, was er gerne trinken wollte? Vielleicht sollte Yoongi besser nichts mehr trinken, denn so langsam verstand er überhaupt nicht mehr, was hier eigentlich vor sich ging. 

"Manchmal muss man was Neues ausprobieren", bemerkte Jimin. Er musste mitbekommen haben, wie verwirrt Yoongi darüber war, dass er anstelle eines Gin Tonics für beide Libidos bestellt hatte. Moment... Libidos? Welcher Idiot wurde eigentlich dafür bezahlt, sich solche Drinknamen auszudenken? Und was genau sollte man sich darunter vorstellen? Oh Gott, was wenn das Zeug genauso eklig schmeckte, wie der Name vermuten ließ? 

"Also", unterbrach Jimin ihn in seinen Gedanken, "Woher kennen wir uns? Ich könnte schwören, dass ich dich schon mal gesehen habe." 

Hätte er sich doch besser für Hoseok entschieden! Yoongi wusste nicht, was er daraufhin antworten sollte. Er konnte schlecht erzählen, dass sie schon mal aneinander gestoßen waren, Jimin sich entschuldigt hatte und sie sich daraufhin fast geküsst hatten. Allein die Erinnerung, wie nah sie sich schon gekommen waren und dass ihre Lippen nur wenige Millimeter getrennt gewesen waren, ließ Yoongis Herz wie wildgeworden gegen seinen Brustkorb hämmern. Er hatte ihn so sehr gewollt. Nicht nur an an diesem Abend, er wollte ihn noch immer. 

"Hast mich schon mal angerempelt", antwortete Yoongi daher knapp und ließ bewusst den Teil mit den Lippen und der wochenlangen Hoffnungmacherei aus. Währenddessen versuchte er Jimins Blick möglichst unauffällig auszuweichen. Zu seiner Erleichterung kam genau in dem Moment Seokjin wieder um die Ecke und stellte zwei Cocktailgläser auf den Tresen. Yoongi musterte sie neugierig, weil er von diesem Libido noch nie was gehört hatte und schätzte im Vorfeld ab, ob sie vielleicht doch schmecken könnten. Der Drink war von der Grundfarbe blau, wie bei vielen modernen Cocktails, doch etwas unterschied sich von herkömmlichen blauen Cocktails. Sobald etwas Licht die alkoholhaltige Flüssigkeit traf, schimmerte diese violett. Es hatte etwas faszinierendes, fast schon magisch anmutendes, an sich, während eine spiralförmige Zitronenscheibe das Bild abrundete. Yoongis Neugier war definitiv geweckt, obwohl er sich sonst nichts aus anderen Cocktails machte. Dieser aber schien etwas Besonderes zu sein, ein schillerndes Exemplar, dass aus der Masse der anderen hervorstach. 

"Interessante Farbe", bemerkte er, und erhofft sich dadurch ganz nebenbei das Thema wechseln zu können. Jimin stieg darauf ein, sah erst zum Tresen, dann mit einem schelmischen Grinsen wieder zu Yoongi. Dieser beobachtete den anderen irritiert dabei, wie er leichtfüßig von dem Barhocker runtersprang und sich die beiden schillernden Drinks nahm. Jimin ließ sich von Yoongis zurecht verwunderten Blicken nicht abhalten, drehte sich schwungvoll zu ihm um und leckte sich ein weiteres Mal über die Lippen. "Verrätst du mir deinen Namen?" Jimins Stimme war genauso verrucht wie sein Blick, der mittlerweile auf Yoongis Lippen hängen geblieben war.
Oh, dieser Typ wusste, wie er mit seinen Reizen spielen konnte.

"Yoongi", antwortete er trocken auf die Frage und bekam im selben Moment sein Glas in die Hand gedrückt. 

"Also dann. Freut mich dich kennenzulernen, Yoongi." Obwohl Jimins Stimme freundlich klang, war da etwas, das Yoongis Warnsystem anspringen ließ. Vielleicht waren es die Augen, hinter denen noch mehr zu schlummern schien, als bloßes Freundlichkeit oder verstecktes Verlangen. Tappte er gerade in eine Falle? Aber welches Ziel sollte Jimin schon verfolgen? Er hatte ihn bislang immer links liegen gelassen und auch ansonsten keinerlei Hinweise geliefert, die ihm Sorgen bereiten mussten. Anscheinend dachte Yoongi schon wieder zu viel nach. 

"Freut mich auch", erwiderte er daher und stieß mit Jimin an. Die Gläser klimperten, als sie aufeinandertrafen und irgendwas löste es in Yoongi aus. Eine böse Vorahnung oder sowas. Wobei er an so einen Hokuspokus gar nicht glaubte. Eventuell war es doch eher sein Bauchgefühl, das von dem Alkohol verzerrt wurde, kaum dass er etwas von dem Libido probiert hatte. Er schmeckte ungewöhnlich, kaum vergleichbar mit etwas, was er bislang getrunken hatte, aber eben trotzdem gut. 

"Und was genau ist das jetzt?", erkundigte sich Yoongi skeptisch, nachdem er einen weiteren Schluck probiert hatte. "Keine Ahnung, das musst du schon Seokjin fragen", antwortete Jimin gleichgültig, doch im nächsten Moment blitzte in seinen Augen erneut dieses Funkeln auf, welches nichts Gutes bedeuten konnten. "Aber sag mal, Yoongi", fuhr er fort, "Willst du dich wirklich über Getränke unterhalten? Ich hätte da nämlich eine bessere Idee." 

Hatte er das gerade richtig gehört? Das war doch das, wonach es klang, oder nicht? 

Yoongi überlegte, was er antworten sollte. Am besten war wohl, wenn er sich unwissend stellte. "Und was schlägst du vor?" 

"Komm einfach mit und lass dich überraschen." 
  
  

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  1745 Wörter

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