⋅❃ Kapitel 7⋅❃

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KAPITEL 7
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Sein Weg führt ihn kreuz und quer durch die Stadt, weil er es keine fünf Minuten an einem Platz aushält. Er vermutet, dass die Rastlosigkeit von seiner inneren Unruhe herrührt, weil seine Gedanken sich abermals überschlagen. Er begreift es einfach nicht. Als er damals in die WG gezogen ist, hat es zwar eine Weile gebraucht, bis sie miteinander warm geworden sind, aber danach haben sie sich wirklich gut verstanden. Eine Zeit lang haben sie abends zusammen gezockt oder Filme geguckt und später hat Jungkook ihm sogar einiges an Inspiration für sein Spiel geliefert. Dann hat der Jüngere sich plötzlich von ihm distanziert. Erst jetzt fällt ihm auf, dass es angefangen hat, nachdem er Jimin mit in die WG gebracht hat. Bis eben war er fest davon überzeugt, dass Jungkook wirklich Probleme mit seiner sexuellen Ausrichtung hat. Aber jetzt …? Jetzt weiß er, dass es doch eher die Eifersucht war, die den Jüngeren hat, so distanziert werden lassen. Im Nachhinein betrachtet ist es logisch.
Die vielen Streits, dieser plötzliche Wandel von Jungkook und die zunehmend schlimmer gewordenen Verletzungen vom Sport. Jetzt passt alles zusammen, und dennoch fühlt es sich so… unreal an.

Wie war das? Er ist von seinen Kumpels zu Wettkämpfen eingeladen worden und Jungkook hat dem zugestimmt, um sich von Yoongi abzulenken?

Vor seinem geistigen Auge taucht das Bild eines verlassenen Fabrikgebäudes auf. Unzählige bullige Typen stehen um seinen Mitbewohner herum, der sich in diesem Augenblick im Ring mit einem Kerl befindet, der nicht nur einen guten Kopf größer ist als Jungkook, sondern auch mindestens doppelt so breit. Das Grölen dunkler Männerstimmen ist im Hintergrund zu hören und Nebel zieht auf. Jungkook geht zu Boden und Yoongi schüttelt ganz schnell den Kopf, um die aufkommenden Bilder eines verletzt am Boden liegenden Jungkooks zu vertreiben.

Scheiße… Sein Mitbewohner hat sich nur aus einem Grund auf sowas eingelassen und dieser Grund heißt Min Yoongi. Also trägt er irgendwie Schuld an den Verletzungen, oder? Zumindest fühlt es sich so an und darum meint er auch, etwas dagegen tun zu müssen. Wie kann er den anderen bloß davon überzeugen, mit diesen Wettkämpfen aufzuhören? Er will nicht dafür verantwortlich sein, dass er wirklich irgendwann im Krankenhaus landet. Davon mal abgesehen ist es sowieso der falsche Weg. Jungkook versucht dadurch zu verdrängen, dass er sich auch zu Männern hingezogen fühlt und verdammt… er weiß ja, wie es ist. Er selbst hat sich deswegen eine ganze Zeit mit Computerspielen abgelenkt, bis er endlich eingesehen hat, dass er sich damit auseinandersetzen muss. Und genau das wird der Jüngere auch machen müssen. Yoongi sollte ihn als Allererstes davon überzeugen, dass er mit sich und seiner Sexualität ins Reine kommt, bevor sie über alles Weitere sprechen können.

Und im selben Moment weiß Yoongi, was er zu Jungkook sagen wird, sollte es zu dem Gespräch kommen. Höchstwahrscheinlich erhofft der Sportler sich zwar etwas ganz anderes davon, doch für Yoongi steht seine Entscheidung fest. Hoffentlich findet er die richtigen Worte, wenn er Jungkook sagen muss, dass er sich nicht sofort in eine Beziehung oder was auch immer mit ihm stürzen kann. Zumal er erstmal für sich selbst herausfinden muss, was genau er jetzt eigentlich für Jungkook übrighat. Dass er ihn mag und attraktiv findet, daran besteht kein Zweifel. Aber kann er sich mehr vorstellen? Bei Jimin zumindest hat es eben nicht ausgereicht. Sie haben beide irgendwann festgestellt, dass es nicht reicht, um wirklich eine Beziehung einzugehen, und vielleicht wird es bei Jungkook ähnlich sein.
Vielleicht auch nicht.

„Warum zum Teufel muss das immer alles so scheiße kompliziert sein?“, fragt sich Yoongi und kehrt auf dem Absatz wieder um. Er hat bemerkt, wie weit er mittlerweile gelaufen ist, und jetzt muss er die ganze Strecke wieder zurück. Aber wenigstens hat er dadurch genug Zeit, um sich ein bisschen klarer darüber zu werden, wie es mit ihm und Jungkook nun weitergehen soll.

  

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Auch mehrere Stunden später, als Yoongi in der Wohnung angekommen ist, ist er sich noch nicht gänzlich klar, wie genau er das Gespräch beginnen soll. Er weiß zwar, über was er ungefähr reden möchte und muss, aber das klärt nicht die Frage nach dem Wann. Soll er einfach bei Jungkook klopfen und in sein Zimmer? Soll er warten, ob er auf ihn zukommt?

Mittlerweile liegt Yoongi in seinem Bett und starrt an die Decke. Er hat es den Abend über nicht geschafft, sich zu überwinden, und wartet nun darauf, dass seine Gedanken endlich Ruhe geben. Es ist so laut in seinem Kopf und Nervosität macht sich jedes Mal bemerkbar, wenn er darüber nachdenkt, wie das Gespräch mit Jungkook verlaufen könnte. Jedenfalls hofft er, dass es sich zum Guten wendet und keiner mit einem negativen Gefühl daraus hervorgeht.

Viele solcher Gedanken spuken noch in Yoongis Kopf umher, bis er irgendwann endlich eingeschlafen ist.
  

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Am nächsten Morgen ist es dann so weit. Yoongi hat sich vorgenommen, mit Jungkook zu reden. Heute mit ihm zu reden. Er kann das Gespräch nicht zu lange aufschieben, da die Thematik doch recht heikel ist und der Jüngere gestern wirklich fertig war.

Gemütlich tapst Yoongi barfuß ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen. Seine Haare liegen wild in alle Richtungen und sehr, sehr leichte Bartstoppeln machen sich bei genauerem Hinsehen bemerkbar.

Wie immer hat er sich nur schnell eine Jogginghose angezogen und ist dann rüber ins Bad, doch für ein T-Shirt ist er dieses Mal zu faul gewesen. Das alte hat einen Fettfleck (natürlich nicht, weil er sich aus Frust gestern noch einen Burger geholt hat und die Soße dann auf seinem Shirt gelandet ist). Der Aufwand, ein anderes aus dem Schrank zu kramen, nur um sich wenig später nochmal umzuziehen, wenn er sich zurechtmacht, erschien ihm in keinem Verhältnis zum Nutzen zu stehen. Also putzt er oberkörperfrei seine Zähne und spült gerade Mund sowie Zahnbürste aus, als es plötzlich an der Tür klopft.

„Ich will ins Bad“, ertönt es auf der anderen Seite.

„Gleich. Moment.“

Yoongi weiß sofort, dass es Jungkook ist, der vor dem Bad steht, darum stellt er fix alles beiseite, ehe er die Klinke herunterdrückt, und beginnt die Tür zu öffnen. Völlig verwirrt blickt er den Jüngeren an, weil dieser ihn mit glühenden Wangen mustert. Erst überlegt er, warum Jungkook so peinlich berührt wegschaut, aber dann fällt es ihm endlich auch auf. JUNGKOOK STEHT DIREKT VOR IHM. Und er hat natürlich KEIN Shirt an. Probs an dich, Yoongi, denkt er sich und verpasst sich ‘ne imaginäre Facepalm. Dabei wollte er gerade noch um ein Gespräch bitten. Das kann er jetzt wohl vergessen.

„Ähm… Morgen“, presst er hervor, aber seinem Mitbewohner scheint der Anblick die Sprache verschlagen zu haben. Er nickt mehrfach, traut sich jedoch nicht, etwas zu sagen oder Yoongi nochmal anzusehen.

„Bad ist frei“, fügt Yoongi darum hinzu und geht einen Schritt auf Seite, damit Jungkook an ihm vorbei kann. Dieser nutzt sofort die Möglichkeit und flüchtet sich ins Bad, während Yoongi sich innerlich dafür ohrfeigt, ihre erste Begegnung erneut treffsicher zu einer peinlichen Situation werden zu lassen. Bevor der andere die Tür schließen kann, schaltet sich endlich sein Kopf wieder ein und er reagiert, bevor es zu spät ist. Schnell greift er nach Jungkooks Handgelenk.

„Warte“, fügt er der Handlung hinzu und obwohl der andere immer noch schweigt, erklärt Yoongi sich. „Lass uns reden. Also nicht jetzt. Gleich. Später. Aber wir sollten wirklich reden, okay? Kommst du zu mir, wenn du dich dazu bereit fühlst?“

Wieder ein kräftiges Nicken von Jungkook. Yoongi lässt seine Hand los und ist erleichtert, dass er dem zumindest zugestimmt hat. Damit ist die erste Hürde gemeistert. Jetzt muss er nur noch darauf warten, dass der andere sich gleich überwindet und dann können sie endlich reden, bevor es noch unangenehmer wird. Kaum lässt er die Hand von Jungkook los, wirft dieser schnell die Badezimmertür zu und hört nur eine Sekunde später, wie die Tür verriegelt wird. Er ist anscheinend extrem aufgeregt, aber wenn Yoongi ehrlich zu sich ist, geht es ihm da nicht anders. Wieder hofft er, dass er die richtigen Worte finden wird und das Gespräch gut ausgeht.
Wenig später sitzt Yoongi (vollständig angezogen wohlgemerkt) an seinem Schreibtisch und starrt auf den Sperrbildschirm des Monitors. Immer wieder geht er in Gedanken das Gespräch durch und ist darin so vertieft, dass er sich erschreckt, als es plötzlich an der Tür klopft. Entweder ist das Taehyung, der sich mal wieder über fehlende Lebensmittel aufregt, oder es ist Jungkook, wodurch sein Warten endlich ein Ende hätte.

„Ist offen“, ruft er, aber es passiert nichts.

Darum steht er auf und will die Tür selbst öffnen, als sie ihm unerwartet doch entgegenkommt. Vor dem Zimmer wartet tatsächlich Jungkook, der nervös wie ein Schulkind an seinem ersten Schultag vor ihm steht und ihn mit großen Rehaugen anschaut. Yoongi schluckt und versucht, irgendwas zu sagen, um die unangenehme Stille zu unterbrechen.

„Komm rein“, ist das erstbeste, was ihm einfällt, was Jungkook mit einem tiefen Atemzug erwidert.

Er geht zurück an den Schreibtisch und setzt sich auf den Stuhl, während sein Mitbewohner es sich auf dem Bett bequem macht. Wobei von bequem nicht wirklich die Rede sein kann, denn Jungkook sitzt so stocksteif da, als warte er auf das verhängnisvolle Urteil eines Gerichts nach einer Anklage.

„Entspann dich, Jungkook.“
Der andere zuckt leicht zusammen, schaut auf und wendet umgehend seinen Blick wieder ab.

„Ich… versuche es ja. Aber… das ist halt nicht so leicht.“

Yoongi kann gar nicht beschreiben, wie froh er ist, dass Jungkook endlich wieder mit ihm redet. Zwar leiser, als er es eigentlich von ihm gewohnt ist, aber immerhin ist es mehr als ein Nicken oder dergleichen.

„Das weiß ich doch“, antwortet Yoongi mit weicher Tonlage, „Das ist alles nicht leicht. Ich kenne das doch selbst und wenn es dich beruhigt, ich bin auch nervös.”

„Was? Echt?“, fragt Jungkook verwundert und im selben Moment treffen sich ihre Blicke wieder.

Was denkt der andere denn über ihn? Dass er seine Emotionen im Griff hat und vor solchen Gesprächen die Ruhe selbst ist? Tja, sorry, Jungkook. Yoongi macht nach außen hin vielleicht den Eindruck, cool damit umgehen zu können, aber in seinem Inneren sieht das völlig anders aus.

„Natürlich. Was denkst du denn? Du bist mir eben sehr wichtig.“

„Ich hätte nicht gedacht, dass dir das so schwer fällt…“

„Tut es aber. Und damit ich das nicht weiter vor mir herschiebe… Mir ging es früher nicht besser, als ich herausgefunden habe, dass Männer… Naja, dass Männer mir halt eher gefallen. Ich habe mich lange Zeit in Videospiele geflüchtet und mich von vielen Menschen distanziert, bis ich gezwungen war mich damit auseinanderzusetzen. Und auch als ich verstanden habe, dass es normal ist, war es absolut nicht leicht ganz allein damit umzugehen, weil es nicht gerade hoch angesehen war, vor allem in meiner Familie. Ich möchte, dass du auf jeden Fall weißt, dass du nicht alleine bist. Und ich will, dass du weißt, dass du immer du selbst sein solltest, egal was andere sagen. Denn glaub mir, sich zu verstellen, macht einen auch nicht glücklich… Darin habe ich Erfahrung…“
Leise seufzt Yoongi und versucht sich an einem Lächeln. Die ganze Situation ist irgendwie seltsam.

„O-okay…“, antwortet Jungkook leise. Yoongi ist sich nicht sicher, ob das eine Zustimmung oder doch eher eine Frage war. Auf jeden Fall scheint es gewaltig hinter der kraus gezogenen Stirn des anderen zu rattern. Yoongi würde gerne wissen, was er jetzt denkt, aber er weiß auch, dass er ihn nicht drängen sollte.

„Ich… hab dasselbe mit Sport gemacht. Nur ähm… das ist nicht so einfach zu erklären. Ich habe ja nicht das beste Verhältnis zu meinen Eltern. Das Einzige, wo sie wirklich stolz waren, war, wenn ich im Sport mal wieder glänzen konnte. Ich wollte sie halt nicht enttäuschen, nicht schon wieder. Und wenn sie erfahren, dass ich auf… also, dass ich nicht auf Frauen stehe, dann werden sie ausflippen. Und deswegen habe ich gedacht, oder besser gesagt gehofft, dass es nur so eine Phase ist, die wieder vorbei geht. Wenn ich mich ablenke und so.“

Jungkook sinkt immer mehr in sich zusammen und nestelt vor lauter Nervosität an Yoongis Kissen herum. Der Ältere lässt ihn, weil er genau weiß, welchen inneren Kampf der Jüngere gerade mit sich ausfechtet.

„Das Problem ist nur, dass meine Kumpels halt alle so gar nicht gut auf Schwule zu sprechen sind. Keine Ahnung warum, aber das ist da überhaupt nicht gerne gesehen. Naja... und irgendwie wollte ich trotzdem dazugehören und hab mich dann auf Wettkämpfe eingelassen, die eigentlich in einer ganz anderen Liga spielen. Deswegen die Verletzungen. Ich wollte denen… wohl nur beweisen, dass ich genauso männlich bin wie sie. Und dann warst da noch du und… Irgendwann waren mir die konformen Kämpfe nicht mehr genug...“

Yoongi wird so einiges klar. Jetzt versteht er auch, warum er mit so heftiger Ablehnung ihm gegenüber reagiert hat.

„Du musst damit aufhören“, antwortet Yoongi leise, ohne weiter auf Jungkooks Worte einzugehen. Er will nicht bewerten, ob das jetzt richtig war, was er getan hat. Wichtig ist nur, dass er damit aufhört, bevor noch etwas Schlimmeres passiert. „Ich mach mir wirklich Sorgen um dich… also bitte steig aus, solange du kannst.“

„Ich versuch’s…“, murmelt Jungkook und spielt mittlerweile mit dem Saum seines T-Shirts, „Tut mir leid…“

„Wofür entschuldigst du dich denn? Das musst du nicht! Ich bin einfach erleichtert, dass wir endlich miteinander reden. Die Gedanken daran, dass du mich wirklich hasst, haben mich ernsthaft beinahe verrückt gemacht!“

„Ich weiß“, antwortet Jungkook kleinlaut, „deswegen… tut es mir leid. Alles. Dass ich dich angeschrien hab, dass ich dich wegen dem Müsli und dem Kaffee so angepampt hab, dass du dir wegen mir so Sorgen gemacht hast und… und dass ich dich geschlagen habe. Es tut mir leid, ich weiß echt nicht, wie ich das entschuldigen soll. Und dann überrumple ich dich so. Und…“

Jungkook verstummt. Es ist furchtbar, mit anzusehen, wie sehr der Jüngere damit zu kämpfen hat. Darum hält Yoongi es auf dem Schreibtischstuhl kaum noch aus, sodass er aufsteht und zu seinem Bett herüber geht. Vorsichtig, fast als könnte Jungkook dabei zerbrechen, setzt er sich neben ihn und mustert ihn. Er scheint immer noch sehr nervös zu sein, wobei es Yoongi nicht sonderlich besser geht. Und dass obwohl sie schon angefangen haben, sich zu unterhalten.

„Jungkook…“, flüstert Yoongi schon beinahe und hält trotzdem einen kleinen Abstand zum Jüngeren, um ihm immer noch etwas Raum zu geben, „ich weiß nicht, wie ich anfangen soll… aber…“

„Aber?“

„Ich mag dich, wirklich. Aber ich weiß nicht, ob es so gut ist, wenn… wir es überstürzen, verstehst du? Ich muss mir selbst erstmal ganz sicher sein, bevor ich dir irgendwas sagen kann. Das heißt nicht, dass ich mir das überhaupt nicht vorstellen kann oder so, aber ich will dir auch keine falschen Hoffnungen machen. Lass es uns vielleicht einfach langsam angehen, ja? Und dann schauen wir, wie es sich entwickelt. Und du hast erstmal die Zeit, um dir auch ganz sicher zu werden und das alles irgendwie zu akzeptieren.“

Yoongi befürchtet, dass jetzt wieder diese unangenehme Stille zwischen ihnen entsteht, doch Jungkooks Schweigen hält nur ein paar Sekunden an. „Aber ich bin mir wirklich ganz sicher, Hyung.“

„Vielleicht bist du dir sicher, dass da mehr ist als eine normale Freundschaft, aber bist du dir sicher, dass du nicht damit überfordert wärst, wenn wir es ohne Weiteres versuchen? Das braucht alles Zeit und du solltest dir wirklich klar werden, was du willst und dein Tempo wählen. Denn wenn wir außenvor lassen, dass ich mir noch nicht ganz klar bin, würdest du damit klarkommen, dass ich deine Hand halte, ohne zu fragen? Dich zu berühren, zu küssen? Auch vor anderen?“

Yoongis Worte scheinen genau da anzukommen, wo sie sollen, denn Jungkook wird allein bei der Vorstellung knallrot im Gesicht und wendet schon fast panisch seinen Blick ab. Es ist irgendwie niedlich, findet Yoongi. Auf der einen Seite steigt er mit bulligen Muskelpaketen in den Ring und auf der anderen Seite ist er so überfordert, wenn er allein das Wort Kuss nur hört.

„Das… ich… ähm…“, stottert der Jüngere überfordert vor sich hin.
„Siehst du? Habe ich es doch geahnt“, erwidert Yoongi auf das Stottern, „Du hast mich zwar während des Streits geküsst, sofern man das Kuss nennen kann, aber wenn du genau darüber nachdenkst, ist das doch etwas zu viel auf einmal, oder?“

„Vielleicht hast du recht“, knickt Jungkook ein, ehe ein gequältes Seufzen darauf folgt. „Also warten wir? Und… sehen dann, ob es vielleicht doch passt, irgendwann?“

„Was heißt warten? Also ich werde warten, bis du auf mich zukommst. Weißt du… Gefühle sind nicht ganz einfach und manchmal findet man nur heraus, ob da wirklich mehr ist, wenn man es versucht. Also warte ich einfach, bis du den ersten Schritt auf mich zu machst“, antwortet Yoongi lächelnd und im selben Moment verändert sich sein Gesichtsausdruck zu einem schelmischen Grinsen, „Ich kann dich natürlich auch hier und jetzt küssen. Also richtig halt.“

Es gibt tatsächlich noch eine Steigerung von Jungkooks Gesichtsfarbe. Sein Mund klappt auf, als wolle er etwas sagen, aber keine einzige Silbe kommt ihm über die Lippen. Wenn Yoongi raten müsste, würde er darauf tippen, dass sein Herzschlag gerade auf das dreifache Tempo angestiegen ist.
„R-richtig…?“, schafft er schließlich zu fragen, obwohl seine Stimme furchtbar dünn ist.

„Naja, den Kuss habe ich ja nicht erwidern können, weil ich ein wenig überfordert war. Deswegen dachte ich, nach deiner Aussage vorhin…“, meint der Ältere und lehnt sich ein Stück weit vor, um Jungkooks Gesicht näher zu kommen, „dass du das vielleicht möchtest?“

Jungkook antwortet, indem er nach Yoongis Hand greift und ihn mit großen, hoffnungsvollen Augen anstarrt.

„Ich habe dich gefragt, also beschwer dich nicht im Nachhinein…“
Kaum hat Yoongi das gesagt, nimmt er Jungkooks Hand und legt sie zwischen ihnen ab. Sanft drückt er diese und lehnt sich im gleichen Moment die restlichen Zentimeter vor, um die Lücke zwischen ihnen zu schließen.
Kurz bevor er die Lippen des Jüngeren berührt, stockt er und denkt für eine Sekunde darüber nach, ob er das wirklich tun will. Doch sein Herz pocht soeben bis zu seinem Hals, als wäre er wieder in der Unterstufe, kurz vor seinem ersten Kuss. Es fühlt sich jetzt schon zu gut an, um zu stoppen, weshalb er dann doch seine Lippen auf Jungkooks legt und sie beginnt vorsichtig zu bewegen. Er übt extra nicht viel Druck aus, um dem Jüngeren Zeit zu geben, sich darauf einzulassen. Yoongi fühlt, wie sich Jungkooks Hand unter seiner anspannt und er kurz davor ist den Kuss zu unterbrechen. Aber anscheinend benötigte auch der andere nochmal eine Sekunde Bedenkzeit, ehe er in die Bewegung mit einsteigt und Yoongis Kuss erwidert. Eine gefühlte Ewigkeit sitzen sie da und genießen diesen Augenblick. Die Spannung zwischen ihnen, das Kribbeln über der Nase. Keiner von ihnen scheint diesen zaghaften Kuss unterbrechen zu wollen. Ein wirklich gutes Gefühl, muss sich Yoongi eingestehen, aber auf Dauer würden sie so nicht sitzen können. Ein wenig geknickt seufzt Yoongi, als sie sich voneinander lösen.

Jungkook scheint erst jetzt so richtig zu realisieren, was sie getan haben, denn blitzschnell wendet er seinen Blick wieder ab und steht vom Bett auf. Yoongi ist verunsichert. War das zu viel? Aber er hat ihn immerhin gefragt und wenn der andere sich ernsthaft mehr erhofft hat, dann sollte mindestens ein Kuss doch möglich sein.
„Ich… glaub, ich brauch ‘nen Moment für mich, ja?“, erklärt Jungkook und flüchtet im selben Augenblick aus Yoongis Zimmer.

Völlig verwirrt bleibt der Ältere zurück. Hat er was falsch gemacht? Wie gesagt. Er hat gefragt. Und da fällt Yoongi etwas ein, was sein könnte. Nicht muss, aber kann. Und der Gedanke treibt die Hitze in sein Gesicht. War das vielleicht nicht so vorsichtig, wie er wollte? War es zu intensiv? Aber es war immerhin nur ein Kuss, denkt er sich und lässt sich nach hinten fallen. Verzweifelt drückt er sich ein Kissen auf sein Gesicht.
Komm schon, Yoongi, denkt er, bist du zwölf, oder was? Hör auf, daran zu denken, und reiß dich zusammen!
Endlos viele Fragen schießen ihm durch den Kopf, weil Jungkook einfach aus dem Zimmer gestürmt ist. Sollte er nochmal rübergehen? Nein. Er sollte es auf sich beruhen lassen. Wenn etwas ist, wird der Jüngere sicherlich auf ihn zukommen.

Einige Minuten bleibt er still auf seinem Bett liegen und wartet darauf, dass irgendetwas passiert. Natürlich weiß er, dass das absolut unwahrscheinlich ist, aber als dann tatsächlich doch etwas passiert, sitzt er mit einem Male wieder kerzengerade im Bett. Es klopft noch ein weiteres Mal an seiner Tür und sofort schlägt ihm sein Herz wieder bis zum Hals.

„Ja? Komm rein“, sagt er, steht vom Bett auf und starrt gebannt zur Tür. Ob Jungkook aufgefallen ist, dass es vielleicht etwas übertrieben war, das Zimmer fluchtartig zu verlassen? Ob er ihm erklären wird, wieso er das getan hat?

„Wir müssen reden!“, hört er dann eine kräftige Stimme, was ihn derart irritiert, dass er wieder zurück aufs Bett plumpst. Das ist nicht Jungkook. Sondern Taehyung.

„Was willst DU denn hier?“, kontert Yoongi und wahrscheinlich ist durch die Tonlage seine Enttäuschung gut herauszuhören.

„Ähhh. Reden!? Habe ich doch gesagt?“, antwortet Taehyung und kommt ohne Erlaubnis ins Zimmer und setzt sich neben Yoongi aufs Bett. Er seufzt theatralisch und reibt mit Daumen und Zeigefinger über seine Augen.

„Als ich meinte, ihr solltet das klären, meinte ich damit NICHT, dass du Jungkook verführen sollst. Echt mal, Yoongi. Wie kannst du nur!?“

Yoongis Gehirn arbeitet auf Hochtouren. Woher weiß er das denn jetzt? Er kann sich nicht vorstellen, dass Jungkook zu ihm gelaufen ist, um ihm detailliert zu beschreiben, was sie getan haben. Das würde nicht passen.
Die Verwirrung scheint man ihm ansehen zu können, denn Taehyung erklärt: „Kookie hat mich über den Haufen gerannt und dann hab ich gefragt, ob er sich wieder mit dir gestritten hat. Und dann hat er erzählt, dass ihr euch geküsst habt, aber diesmal richtig. Was auch immer richtig heißt, ich will es nicht wissen. Naja, dann hat er gesagt, dass das der beste Kuss seines Lebens war, aber gut, er ist ja auch noch jung. Also nichts gegen dich, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass du SO GUT bist, dass der arme Kookie derart durch den Wind war.“

In Yoongis Kopf rattert es erneut. Jungkook hat also wirklich gesagt, es sei sein bester Kuss gewesen? Er war total durch den Wind? Bevor wieder diese seltsamen Gedanken von Jungkooks Zustand nach dem Kuss zurück in seinen Kopf gelangen, schüttelt er sie ab und wendet sich Taehyung zu.
„Erstens, wer hat erlaubt, dass du dich einfach auf mein Bett setzen kannst? Und zweitens, wenn du es unbedingt wissen willst, ob ich SO GUT bin, willst du es ausprobieren, wenn du schon dasitzt, wo Jungkook eben gesessen hat?“

Sofort springt Taehyung panisch auf und wischt sich wild die Hose mit den Händen ab. “Ist ja ekelhaft!“

Yoongi fängt an zu lachen. Der angewiderte Gesichtsausdruck des Künstlers ist Gold wert! Absolut.
„Sag das nächste Mal Bescheid, bevor ich mich hinsetze“, meckert Taehyung und stemmt die Hände in die Seiten.

„Alter, du hast dich doch einfach hingesetzt. Und jetzt chill mal, das war Spaß.“

„Haha, was haben wir nicht gelacht“, meint Taehyung und bewegt sich bereits Richtung Zimmertür, „Lass den Scheiß einfach und hör auf den armen Jungen so durcheinander zu bringen.“
„Irgendwann mach ich vielleicht noch ganz andere Dinge mit ihm.“

Angewidert verzieht der Künstler sein Gesicht. „Widerlich“, meint er lediglich und verlässt ohne Weiteres Yoongis Zimmer.

Dann kehrt wieder Stille ein. Verdammt. Jetzt hat er noch einen zusätzlichen Grund, zu grübeln und ehrlich gesagt, hat er langsam genug davon. Also steht er auf und fackelt nicht lange. Schnurstracks geht er zu Jungkooks Zimmer und klopft an, obwohl er genau das eigentlich nicht tun wollte.

„Kooks? Alles okay?“, fragt er, noch bevor die Tür aufgeht. Jungkook reißt im nächsten Moment die Tür auf. Er schaut immer noch verwirrt drein, aber da sieht Yoongi etwas, was er lange nicht mehr gesehen hat. Verdammt lange. Jungkook lächelt.
„Ja… ja, alles okay. Denke ich“, sagt er und geht einen Schritt zur Seite, um Yoongi die Möglichkeit zu geben, reinzukommen.

„Okay, weil, ähm... Du hast so fluchtartig mein Zimmer verlassen und wenn das zu viel war, dann tut’s mir leid. Aber ich habe dich gefragt und…“ Yoongi verstummt, als Jungkook auf ihn zukommt und nach seiner Hand greift. Das Lächeln wird breiter.

„Nein, es ist wirklich alles okay, nur… Gott ey… du bist halt… das war einfach echt schön.“

Ein Stein fällt Yoongi vom Herzen, als er das hört. Er hat sich also umsonst Sorgen gemacht. „Okay“, antwortet er darauf zunächst, „Ähm, ich meine, fand ich auch.“

„Wirklich?“, fragt Jungkook ungläubig, als wäre es total abwegig, dass Yoongi den Kuss ebenfalls schön gefunden haben könnte.

„Ja, wirklich. Was denkst du denn? Meinst du, nur weil ich ein wenig mehr Erfahrungen habe, dass mir das nicht gefallen hat dich zu küssen?“ Seufzend drückt Yoongi sanft Jungkooks Hand, ehe er fortsetzt. „Du Spinner… Wenn ich sage, dass es mir auch gefallen hat, dann meine ich das so. Ich würde dich doch nicht anlügen. Das könnte ich nicht.“

„Ist das so?“, antwortet Jungkook und wenn Yoongi sich nicht irrt, dann liegt etwas Schelmisches in der Stimme. „Gut zu wissen. Das werde ich mir merken.“
„Das klingt ja plötzlich so selbstsicher.“ Yoongi ist dezent überrascht, aber das liegt wohl an der Tatsache, dass er Jungkook mit der Bestätigung zum Kuss ein wenig die Angst genommen hat.

„Soll ich das dann nochmal widerholen?“

Und da haben wir es. Der Jüngere weicht seinem Blick aus und wird rot.
„N-nein, ich denke, dass ich heute ein wenig Zeit für mich brauche über den Tag u-und ich-“

„Alles gut, das war nur Spaß“, bemerkt Yoongi lachend, „Wenn etwas ist, dann weißt du ja, wo du mich findest.“

Stumm nickt Jungkook ihm zu, als der Ältere seine Hand loslässt, um in sein eigenes Zimmer zurückzugehen.
Mit schnellen Schritten läuft er dort auf seinen Schreibtisch zu und schaltet den Computer an. Yoongi muss sich dringend ablenken, und womit geht es besser, wenn nicht mit der Arbeit am Videogame?

  

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aelirium &SweetRaspberryxXx

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