// 5 // Heulsuse
Sorry fürs lange warten!
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sensitive topic ahead
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Taehyung war etwas irritiert, verbeugte sich aber höflich. "H-Hallo, ich heiße Kim Taehyung."
Der Junge mit dem Namen Jimin tippte wieder auf Taes Handfläche, aber dies Mal schneller und auf andere Weise als zuvor. Er schrieb keine Buchstaben mehr, sondern tippte nur an unterschiedliche Punkte auf Taes Hand. Dieser verstand es nicht, legte den Kopf schief und zog fragend die Augenbrauen hoch.
"Das bedeutet guten Tag", erklärte Mr. Jung, der mittlerweile zurück war, die Arme voller Zettel und Bücher. "Wie ich sehe hast du Jimin bereits kennen gelernt." Der kleine Junge neben Taehyung grinste Mr Jung breit an. „Er ist stumm und benutzt normalerweise die Zeichensprache. Doch da du es nicht sehen kannst, kommuniziert er mit dir über Kontakt." Mr. Jung lächelte gerührt, als er Jimins stolzes Grinsen sah. Der Junge nickte eifrig und malte Taehyung ein Herz auf die Handfläche.
"O-Oh..." Taehyung spürte, wie er rot wurde und verbeugte sich erneut. "D-Das ist sehr nett, danke!"
"Jimin scheint dich zu mögen", fügte Mr. Jung lächelnd hinzu.
Jimin nickte erneut und verschwand dann wieder breit grinsend an seinen Tisch, wo seine Lehrerin bereits auf ihn wartete.
Mr. Jung setzte sich zu Tae und kramte in seinen Unterlagen.
"W-Was war das?", fragte Tae. "Was er mit meinen Handflächen gemacht hat?"
"Das nennt man Lormen", antwortete Mr. Jung. "Man kommuniziert durchs Tippen auf der Handoberfläche, statt Buchstaben zu schreiben. Hat den Vorteil, dass es schneller geht. Es wird eigentlich von Taubstummen genutzt um sich zu verständigen. Aber Jimin ist ein sehr guter Schüler, er lernt nicht nur die Zeichensprache, sondern auch das Lormen."
Taehyung zog seinen Mund zu einem beeindruckten "O". Dieser Jimin schien ein wirklich cooler Junge zu sein!
"Aber genug dazu", sagte sein Lehrer schließlich. "Wie sieht es denn bei dir aus, Taehyung? Wie ich von deiner Mutter gehört habe, hast du bereits angefangen die Blindenschrift zu lernen?"
Taehyung nickte zögernd und spielte mit seinen Fingern am Saum seines Shirts. "A-Aber noch nicht lange und ich bin auch nicht sehr gut..."
Da der Unfall erst zwei Jahre zurück lag und Taehyung das erste Jahr nur weinend und verzweifelt in seinem Bett mit der Decke über den Kopf oder in den Armen seiner Mutter verbracht hatte, war noch nicht viel Zeit vergangen als er mit dem Unterricht für die Zeichensprache angefangen hatte. Und die Lehrerin, die ihn bisher zu Hause unterrichtet hatte, war alles andere als streng gewesen.
Mr. Jung lächelte. "Na, dann schauen wir mal was du schon kannst und knüpfen da einfach an. Und wenn du ein Mal den Dreh raus hast, dann ist es ganz leicht."
Taehyung nickte und ein unsicheres Lächeln schlich sich auf sein Gesicht.
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Die ersten Stunden vergingen wie im Flug und Taehyung zuckte erschrocken von seinem Arbeitsblatt (mit geprägter Schrift natürlich) hoch, als der laute Pausengong ertönte.
"Glückwunsch Taehyung", sagte Mr. Jung fröhlich. "Du hast die ersten Stunden deines ersten Schultages hinter dir. Und, war es bisher so schlimm, wie du befürchtet hattest?"
Taehyung schüttelte den Kopf und lächelte zaghaft.
Nein, war es wirklich nicht. Mr. Jung war sehr geduldig mit ihm und erklärte ihm alles in kleinen, verständlichen Schritten. Noch dazu hatte er eine sehr fröhliche Art, was Taehyung sehr mochte.
"Gut", sagte Mr Jung und räumte die Unterlagen zur Seite. "Wenn du möchtest kannst du jetzt etwas essen und dich ausruhen. Wir machen in einer halben Stunde weiter."
Und wie auf Kommando hörte Taehyung trappelnde, eilige Schritte, die näher kamen, und dann wie jemand den Stuhl neben seinen zurückschob und sich darauf setzte.
Mr Jung lachte. "Scheint mir so als ob Jimin unbedingt mit dir zusammen Pause machen möchte."
Und so kam es, dass die beiden Jungen zusammen an Taehyungs Tisch saßen und ihre Pause gemeinsam verbrachten. Taehyung war anfangs etwas überrumpelt, doch es dauerte nicht lange bis der schüchterne Junge etwas auftaute.
Mr Jung stand etwas abseits mit den anderen Lehrern, trank seinen Pausenkaffee und beobachtete die beiden Jungen gerührt. Jimin saß neben Taehyung und schrieb immer wieder Zeichen auf dessen Hand (scheinbar hatte er seinem neuen Freund viel zu erzählen), woraufhin der schüchterne Blonde immer wieder nickte oder den Kopf schüttelte.
Und als Taehyung ein Mal sogar als Reaktion kurz sein Boxysmile zeigte, schmolz Mr Jungs Herz nur so dahin.
Er war sicher, dass Jimin dem schüchternen Taehyung dabei helfen konnte etwas aus sich heraus zu kommen und sich mit der neuen Situation anzufreunden.
Und so übergab er Jimin auch die Aufgabe Taehyung die Toilette zu zeigen, als dieser schüchtern und leise danach fragte.
Jimin hatte eifrig genickt und Taehyungs Hand in seine genommen, während er ihn aus dem Klassenzimmer hinaus auf den Schulflur führte.
Sie gingen um einige Ecken, Flure entlang und dann wieder um eine Kurve, und Taehyung hatte keine Chance sich bei Jimins schnellem Tempo auch nur irgendetwas von dem Weg zu merken.
Schließlich öffnete Jimin eine Tür und schrieb "wir sind da" auf Taehyungs Handfläche.
Taehyung bedankte sich und wollte gerade in eine der Kabinen verschwinden, als Jimin noch etwas auf seine Hand schrieb:
"Brauchst du Hilfe?"
"N-Nein", antworte Taehyung mit hochrotem Kopf, bevor er in einer der Kabinen verschwand.
Jimin wartete geduldig und hielt solange Teahyungs Blindenstock. Er half Taehyung anschließend noch beim Händewaschen, zeigte ihm wo der Seifenspender stand und zupfte für ihn ein Paar Papiertücher aus dem Spender.
"Danke", murmelte Taehyung und lächelte zaghaft.
Als sie fertig waren nahm Jimin wieder Taehyungs Hand und übergab ihm seinen Bindenstock, doch gerade als sie aus der Tür gehen wollten, betraten ein Paar Jugendliche aus der Oberstufe laut lachend das Männerklo und versperrten den beiden Jüngeren den Weg.
Als ihre Blicke auf Jimin trafen, verstummten sie kurz, doch dann verzog sich die Miene von einem der Jungen zu einem fiesen Grinsen.
"Wen haben wir denn da?", fragte er mit tiefer Stimme, die Taehyung alles andere als sympathisch vorkam.
"Das ist doch der stumme Spasti aus der Behindertenklasse?", warf ein anderer Junge belustigt dazwischen.
Taehyung spürte wie sich Jimin versteifte und sich seine Hand fester um seine schloss.
"Haben wir dir nicht beim letzten Mal schon klar gemacht, dass du hier nichts zu suchen hast?", fragte der Junge mit der tiefen Stimme und stellte sich bedrohlich vor Jimin.
"Jimin, wer—" wollte Taehyung gerade fragen, aber dann wurde Jimins Hand plötzlich ruckartig aus seiner gerissen, als der Oberschüler den Kleineren grob schubste. "Jimin?!"
Panisch und ratlos stand Taehyung inmitten der Männertoillete. Er wusste nicht was hier gerade passierte, doch es jagte ihm Angst ein und er hielt sich an seinem Stock fest.
"Keine Sorge, wir zeigen dir den Ausgang!", sagte der Junge mit der tiefen Stimme amüsiert und schubste Jimin erneut. Dann wurde Jimin von einem der anderen Jungs am Arm gepackt und grob aus der Tür gestoßen, so dass er unsanft auf dem harten Boden des Schulflurs landete.
"Was ist mit dir?", hörte Taehyung die tiefe Stimme fragen und erstarrte. "Willst du deinem Freund nicht hinaus folgen?"
"Warte mal... das ist doch bestimmt auch so ein Spasti?"
"Du hast Recht, der ist blind!"
"Die Behindertentoilette ist woanders."
"I-Ich wusste n-nicht—", stotterte Taehyung verunsichert, wurde dann aber an seiner Schulter geschupst, woraufhin er erschrocken rückwärts taumelte und unsanft auf seinem Po landete.
"Siehst du? Jetzt bist du gestolpert", sagte einer der Jungs mit gespielt besorgter Miene, während die anderen beiden im Hintergrund lachten. "Das wäre dir im Klo der Behindis nicht passiert."
Tränen stiegen in Taehyungs Augen. Er wollte etwas sagen, doch er traute sich nicht.
"Bleib gefälligst in deinem Bereich der Schule, Blindschleiche!", sagte der Junge schroff, der Taehyung geschubst hatte, und trat vor den am Boden kauernden Jungen.
Taehyung hörte seine Stimme näher kommen und kroch ängstlich rückwärts über den Boden, bis sein Rücken gegen die Wand stieß. Er hörte ihr Gelächter über seinem Kopf und kauerte sich in sich zusammen.
"Kommt lasst und gehen, sonst kriegen wir noch Ärger."
"Wie soll der uns denn verpetzen? Der kann uns ja nicht mal sehen!", sagte einer der Jungen, woraufhin alle anderen anfingen wieder laut zu lachen.
Ein anderer zog eine Handvoll Papiertücher aus dem Spender und warf damit nach Taehyung, der ängstlich aufschrie und zurückzuckte. Er hatte Angst, denn er wusste ja nicht was es war.
Die Jungen machten sich aus seiner panischen Reaktion allerdings einen Spaß und warfen abwechselnd mit noch mehr zusammengeknülltem Papier nach dem zitternden kleinen Jungen, der schützend seine Hände über seinen Kopf hielt und die Beine anzog.
Taehyung wusste nicht genau wie lange er so auf dem kalten dreckigen Boden saß, verängstigt und erniedrigt, aber irgendwann hörte er ein "Loser" und daraufhin eine Tür die geschlossen wurde.
Kaum war er allein ließ er seinen Tränen freien Lauf.
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Mr. Jung kam in die Toilette gestürmt, hinter ihm ein zitternder Jimin, die Augen vor Angst geweitet, während er sich am Hemd seines Lehrers festhielt.
"Taehyu- Oh Gott!" Mr. Jung erschrak und schlug sich eine Hand vor den Mund.
Vor ihm kroch Taehyung auf allen Vieren über den schmutzigen Boden der Jungentoilette und suchte tastend nach seinem Blindenstock, seine Wangen glänzend-feucht vom Weinen und seine Jeans verdreckt.
Sein Lehrer eilte sofort zu ihm und half ihm beim Aufstehen. "Taehyung! Was ist denn passiert?! Oh Gott, was ist nur passiert?!" Besorgt suchte Mr. Jung seinen Schüler nach Verletzungen ab und klopfte den Dreck von seiner Hose.
Taehyung rührte sich nicht, stattdessen stand er einfach nur da, vergrub das Gesicht in seinen Händen und schluchzte so heftig, dass sein kleiner Körper zitterte.
"M-Mama..."
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Seine Eltern hatten Jungkook schon mehrmals verboten aus seinem Zimmerfenster zu steigen und aufs Dach zu klettern — doch wann tat er schon mal das, was seine Eltern wollten?
Und so saß er wie immer, wenn er allein sein wollte, auf dem Dach ihres Hauses und starrte in den blauen Himmel.
Seine Wange pochte noch immer und mittlerweile hatte sich ein großer blauer Fleck gebildet. Vorsichtig fuhr Jungkook mit seinen Fingern über die empfindliche Haut.
Seine Augen fingen an zu brennen, doch er unterdrücke den Drang zu weinen, stattdessen zog er die Knie an und vergrub das Gesicht darin.
Durchs offene Schlafzimmerfenster konnte er seine Eltern streiten hören (und die ganze Nachbarschaft mit Sicherheit ebenso).
Er hasste es so sehr.
Er hasste es, wenn sich seine Eltern wegen ihm stritten.
Er hasste es, wenn seine Mutter sich für ihn einsetzte und sich deshalb mehr als nur häufig selbst eine einfing.
Er hasste die mitleidigen Blicke der Leute, jedes Mal wenn er mit einem blauen Auge herum lief.
Er hasste sein Talent sich selbst immer wieder in Schwierigkeiten zu bringen.
Er hasste diese ganze gottverdammte ungerechte Welt, in der es so viele intakte Familien gab, aber ausgerechnet er in eine hineingeboren wurde, in der Gewalt und Streit an der Tagesordnung standen.
Autogeräusche rissen Jungkook aus seinen Gedanken und er schaute runter zur Straße, wo gerade ein PKW in der Einfahrt der Kims parkte.
Er sah Mrs Kim aussteigen und ums Auto laufen. Sie öffnete eine der hinteren Türen und nahm Taeyong (oder wie er auch immer hieß) auf ihren Arm.
Der blonde Junge sah aufgelöst aus, die Augen verheult. Er klammerte sich an seine Mutter und weinte bitterlich, während sie ihn zum Haus trug.
"So eine blöde Heulsuse", murmelte Jungkook — und wischt sich mit dem Ärmel eine Träne aus dem Gesicht.
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