¹⁷ / ᴡᴀssᴇʀʀᴇғʟᴇxɪᴏɴ
𝙹𝚊𝚗𝚜 𝚂𝚒𝚌𝚑𝚝
Wir gehen die ganze Zeit händchenhaltend und unbeschwert durch den Park. Obwohl wir weder zusammen sind, noch Gefühle füreinander haben, fühle ich mich gut. So gut wie lange nicht mehr. Alle negativen Gedanken sind aus meinem Kopf geblasen.
Leider hält die Stimmung nicht allzu lange an.
Viele, dessen prüfenden Blick an unseren Händen haften bleiben, welche sich in verziehende Fratzen verwandeln, gehen an uns vorbei. Meistens ältere Personen mit Gehstock oder Rollator, welchen Gisela auch sofort den Mittelfinger zeigt. Ausnahmsweise bin ich sogar ihrer Meinung.
Solche Blicke bin ich schon gewohnt, also kann ich sie gut ignorieren, sie verletzen mich auch nicht mehr.
Tim sieht nicht einmal so aus, als würde er Notiz davon bekommen. Oder es ist ihm ebenfalls egal.
„Scheiß Schwuchteln", höre ich jedoch auch von zwei Männern, vielleicht fünf Jahre älter als wir, die gerade an uns vorbei gelaufen sind.
In Sekundenschnelle verschwindet mein Lächeln aus dem Gesicht und mit ihm auch meine gute Laune. Es ist sehr lange her, dass ich so etwas an den Kopf geworfen bekommen habe. Tim hundertprozentig noch nie.
Schnell entzieht dieser sich meiner Hand, wodurch sie sofort kalt wird.
Das war aber noch nicht alles, denn schneller als ich handeln kann, hat Tim sich schon umgedreht und geht auf die jungen Männer zu.
„Was habt ihr gerade gesagt?!"
Zum Glück kann ich ihn noch rechtzeitig aufhalten und somit das Schlimmste verhindern.
„Hey, Tim. Tim, fahr runter, es ist doch alles gut", beruhigend lege ich meine Hände an seine Oberarme, um ihn zu stoppen.
„Nein, ist es nicht! Es macht mich einfach unglaublich wütend, wenn Menschen nicht verstehen können, dass Homosexualität nichts verwerfliches, etwas vollkommen Normales ist, dass es kein Grund ist, jemanden zu beleidigen, dass es keine Beleidigung ist. Am liebsten würde ich umdrehen und die beiden verprügeln!"
„Tim, schau mir in die Augen."
Scheiße, warum habe ich das gesagt? Und warum befolgt er jetzt mal meine Aufforderung? Sein Blick ist so eindringlich, dass ich fast vergesse, was ich sagen wollte. In seinen Augen wird durch die Sonne ein unruhiges Meer reflektiert.
„Feuer lässt sich aber nicht mit Feuer bekämpfen."
Missmutig lacht er auf. „Findest du das echt gar nicht schlimm?"
„Man gewöhnt sich dran, wenn solche Beleidigungen zur Normalität werden."
„Fuck, sowas ist normal? Jan, bitte sag mir, dass das ein Witz ist. Bitte sag mir, dass dir noch nie wehgetan wurde deswegen."
Mein Blick geht nach unten. Ich sacke ein.
„Scheiße." Damit umarmt er mich. „Das wusste ich nicht, ich dachte immer, du bist damit verschont geblieben. Tut mir leid, dass ich deine Hand gehalten habe. Ich hätte sie sofort loslassen sollen, dann wären wir nicht beleidigt worden. Ich meine, wir sind nicht einmal zusammen, also war das eigentlich vollkommen unnötig, wir hätten es verhindern können."
„Mach dir keine Vorwürfe, es ist nicht deine Schuld. Das waren einfach irgendwelche homophoben Menschen, denen wir keine Beachtung schenken sollten, okay?"
Er nickt gezwungen. „Okay."
„Außerdem hat es mir gefallen", flüstere ich verlegen, in der Hoffnung, er hat es nicht gehört.
Schnell rede ich weiter, damit er nicht zu Wort kommen kann.
„Komm, wir bringen jetzt erst einmal Henry zu dir um ihn zu braten und zu essen dann fahren wir zu mir, bestellen Pizza, gucken einen Film... was sagst du?"
Aufgeregt nickt er.
Ich hoffe, dass er die Konfrontation sofort vergisst. Er sollte sich nicht auch noch damit auseinander setzen, momentan hat er so viele andere Sachen um die Ohren.
Zumal ist er heterosexuell, also war die Aussage der Typen nicht einmal berechtigt.
Aber dennoch ist er halb ausgerastet...
𝚃𝚒𝚖𝚜 𝚂𝚒𝚌𝚑𝚝
So schnell wie Jan konnte mich noch niemand beruhigen. Nicht einmal Emilia. Durch seinen intensiven Blick hab ich auf der Stelle nicht mehr an die Typen gedacht. In dem Moment war ich nur noch auf seine wundervollen braunen Augen konzentriert.
Und hätte mich beinahe in ihnen verloren. Sie stahlen solch eine Ruhe aus, die ich auch gerne mal wieder spüren würde.
In letzter Zeit war ich so aufgewühlt wie noch nie.
.
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Tatsächlich hatte ich lange nicht mehr so einen schönen Abend. Der letzte, der vergleichbar mit diesem ist, war der, an dem Jan und ich erst gemeinsam Lasagne gekocht haben und anschließend filmeguckend Arm in Arm auf seinem Sofa eingeschlafen sind. Als ich gehen musste, wollte er mich fast nicht aus der Tür treten lassen. Er hat mir vorgeschlagen, bei ihm zu übernachten, welchen ich abgelehnt habe. Zum Abschied hat er mich ganz fest umarmt und um ehrlich zu sein, wollte auch ich alles andere als nach Hause zu fahren.
Der Tag war so unbeschwert, ich konnte einfach ich sein, ohne mich verstellen zu müssen, ohne darauf zu achten, dass alles fehlerfrei ist, denn bei Jan wird es automatisch perfekt, ohne, dass ich mich anstrengen muss, es passiert einfach.
„Weißt du Jan, ich bin dir wirklich, wirklich dankbar", sage ich aus dem Nichts während wir filmschauend in seinem Bett liegen. Mein Blick geht jedoch zur Decke.
Ich weiß nicht einmal, ob er mich überhaupt hört, aber ich rede trotzdem weiter, ohne nachzudenken.
„Ich war die ganze Zeit so sehr mit Emilia beschäftigt, dass ich gar nicht gecheckt hab, wie toll du eigentlich bist."
Abrupt setzt er sich auf und guckt mich schockiert an. Er hat mir genau zugehört.
„A-also im Sinne wie toller Freund oder so, nichts falsches denken."
Meine Nervosität überspielend lache ich. Ich sollte mir echt vorher die Wörter zurecht legen, bevor ich anfange, zu sprechen, aber das passiert leider, wenn der Mund schneller arbeitet als das Gehirn.
Er nickt benommen und legt sich wieder armeverschrenkend hin, sein Blick ist auf den Fernseher gerichtet.
Hab ich was falsches gesagt?
Auf einmal spüre ich eine unglaubliche Distanz zwischen uns, wodurch ich das Bedürfnis bekomme, seine Arme auseinander zu ziehen, um anschließend meinen Arm um ihn zu legen.
Sollte ich?
Warum mache ich mir solche Gedanken darüber? Früher hätte ich das einfach gemacht, ohne irgendwie darüber nachzudenken, aber jetzt werde ich alleine durch den Gedanken, mit Jan kuschelnd in seinem Bett zu liegen, schon nervös.
Was passiert gerade nur mit mir? Mit uns?
Ich entscheide mich missmutig dafür, ruhig liegen zu bleiben und ihn morgen darauf anzusprechen.
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