¹⁸ / ɢʀᴀᴜᴇʀ sᴄʜɪᴍᴍᴇʀ
𝙹𝚊𝚗𝚜 𝚂𝚒𝚌𝚑𝚝
Immer wieder hallt Tims Aussage in meinem Kopf wieder, obwohl ich eigentlich schlafen will.
Wie toll du eigentlich bist.
Warum habe ich gehofft, dass er es auf eine andere Art und Weise meinte? Auf diese Art und Weise. Auf die Art und Weise, von der ich nicht hoffen sollte, dass er es so meinte. Nicht darf.
Und warum bin ich so enttäuscht, dass es nicht so ist? Auch bin ich enttäuscht darüber, dass Tim an diesem Abend nicht ein einziges Mal mehr meine Nähe sucht, was sonst eigentlich normal für uns ist.
Als ich am nächsten Morgen vor Tim wach werde, stelle ich aber erfreut fest, dass er sich doch noch an mich heran gekuschelt hat. Wie lange war er denn noch wach? Ich konnte gefühlte zwei Stunden nicht schlafen und dachte, Tim wäre sofort eingeschlafen. Er hat sich gar nicht mehr gerührt, nur noch gleichmäßig geatmet.
Wobei: war wirklich er das, oder war es traumbedingt? Oder dachte er gar, dass Emilia neben ihm liegt? Hoffentlich nicht, ich will nicht mit ihr verwechselt werden.
Jeder von uns hat seine eigene Decke, nur hat Tim seine zur Hälfte über mich gelegt und da ich auf dem Rücken lag, liegt sein Arm auf meinem Bauch.
Als ich die Lage verstanden habe und mir vorstelle, wie wir wohl aussehen müssen, wird ganz wohlig im Magen und ich beginne, schneller zu atmen.
Normalerweise war das bisher immer ein Anzeichen, dass eine Panikattacke naht, aber in diesem Moment ist es einfach wundervoll.
Ein paar Minuten bleibe ich noch gedankenverloren liegen, da ich aber keine unangenehme Situation hervorrufen will, entscheide ich mich, aufzustehen.
Vorsichtig nehme ich seinen Arm von mir herunter, lege ihn auf die Decke, aus welcher ich mich anschließend schäle.
Ein Blick aus dem Fenster sagt mir, dass wir heute wohl die meiste Zeit Zuhause hängen werden.
Die Stadt ist einen tristen Grauton getaucht.
Vielleicht will Tim aber auch gleich nach dem Aufstehen nach Hause. Ich wünsche mir alles andere als das, aber verbieten könnte ich es ihm nicht, da habe ich kein Recht drauf.
𝚃𝚒𝚖𝚜 𝚂𝚒𝚌𝚑𝚝
Als ich am nächsten Morgen aufwache, liege ich mutterseelenallein im Bett, die Zimmertür ist zu, ich fühle mich unangenehm alleine.
Wie soll ich Jan gleich gegenüber treten? Was soll ich ihm sagen? War es komisch für ihn, dass ich mich doch noch an ihn heran gekuschelt habe?
In welcher Position habe ich mich am Ende überhaupt befunden? Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass ich vorsichtig zu ihm heran gerutscht bin, sodass sich unsere Seiten berührt haben. Hoffentlich habe ich mich nicht allzu viel bewegt während des Schlafens.
Mein Plan war auch eigentlich, dass wir mehr oder weniger gemeinsam wach werden und dann durch unsere Nähe alles wieder gut ist. Dadurch haben wir in letzter Zeit einige Probleme gelöst bekommen.
Mal wieder eine Situation in der ich viel zu naiv gedacht habe. Emilia hatte echt Recht.
Ich höre kein einziges Wort, nicht einmal etwas von Gisela. Hat Jan die Wohnung verlassen?
Im Wohnzimmer entdecke ich ihn dann aber, wobei ich nicht glaube, dass er mich sieht. Er schaut irgendein YouTube-Video und trinkt wahrscheinlich Kaffee.
Ich entscheide mich, in die Küche zu gehen, um mir einen Kakao zu machen. Und auch, um mir zu überlegen, was ich gleich sagen soll.
Mein Gehirn kann noch nicht richtig arbeiten, weswegen ich völlig auf mich und mein Mund alleine gestellt zu meinem besten Freund ins Wohnzimmer schleiche.
Ohne ein Wort zu sagen, setze ich mich mit einem gesunden Abstand neben ihn. Von der Seite aus musterte ich ihn, er hingegen schenkt mir keine Aufmerksamkeit.
Nachdem ich ein Schluck von dem noch viel zu heißen Kakao getrunken habe, stelle ich die Tasse auf den Tisch.
„Warum warst du gestern Abend auf einmal so abweisend?“, falle ich schließlich mit der Tür ins Haus.
Schockiert sieht Jan mich nun an. Der gleiche Blick wie der im Bett.
Was ist bloß los mit ihm?
Ich drehe mich zu ihm, um ihn besser anschauen zu können.
„Was belastet dich? Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst, oder? Ich würde dich niemals verurteilen.“
„Ich weiß, Tim, danke“, ist das erste, was er zu mir sagt, nachdem auch er sich zu mir gedreht hat und mir nun tief in die Augen schaut.
Bleib ruhig.
„Ich kann's dir aber nicht sagen.“
Seine Stimme ist nur ein Flüstern.
Ich hoffe, es ist nichts schlimmes, aber etwas unwichtiges kann es einfach nicht sein. Dafür sind Jan und vor allem Gisela, die sich bisher nur durch motorische Ticks bemerkbar gemacht hat, zu still. Viel zu still.
Bestimmend nehme ich seine Hände, die er auf dem Sofa und auf seinem Bein abgelegt hat, in meine. Rücke ein Stück näher an ihn heran, unsere Kniescheiben berühren sich.
Bleib ruhig.
Es ist eine ganz normale Geste zwischen engen besten Freunden, die schon jegliche Hemmungen verloren haben.
Meine Augen sind immer noch mit seinen verankert.
„Bitte. Rede mit mir. Ich halte diese Abwesenheit nicht aus, ich will dir helfen, so, wie du auch mir hilfst.“
„Bei mir ist alles gut, du brauchst mir nicht helfen, wirklich.“
Seine Stimme ist plötzlich wieder unglaublich distanziert.
Er vertraut mir nicht mehr. Und das ist wohlmöglich auch noch meine eigene Schuld.
„Ja, ganz genau, es ist alles paletti.“
Durch den Tick unterbricht er den Blickkontakt und nimmt ihn auch nicht wieder auf, als dieser vorbei ist.
Stattdessen ist er auf unsere verschränkte Hände gerichtet.
Fühlt er sich unwohl? Sollte ich sie jetzt lieber loslassen? Aber hätte er sich dann nicht schon gelöst?
Oh Gott, seit wann mache ich mir bitte solche Gedanken?
Auch ich schaue nun auf unsere Hände. Langsam beginne ich, mit meinem Daumen über seinen Handrücken zu streicheln.
Was machen wir hier eigentlich?
„Jan.“
Ich schaue wieder in seine Augen, was er mir gleich tut.
„Du kannst mir vertrauen. Es gibt keinen Grund, es nicht zu tun. Und es wird auch nie wieder einen geben. Ich werde dich nicht mehr im Stich lassen. Egal, was passiert. Bitte, glaub mir das.“
Zum ersten Mal an diesem Morgen huscht ein Lächeln über sein Gesicht, was meine Laune augenblicklich wieder erhellt.
Es ist atemberaubend.
Wir sitzen noch eine Weile schweigend, händchenhaltend in den Augen des jeweils anderen versunken auf der Couch, nicht fähig, jetzt abzubrechen, was ich aber auch gar nicht will und ich könnte schwören, wir kommen uns immer näher, ohne es wirklich zu merken.
Erst das „he, wir drehen gleich ‘nen Porno“, lässt mich wieder in die Realität kommen.
Scheiße, was ist hier gerade passiert?
{ iwie geht mir das momentan zwischen den beiden bisschen zu schnell, um noch realistisch zu sein, was meint ihr? :/ }
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