Kapitel 2

Die Damentoilette war nicht gerade der beste Ort um solch eine Situation zu erklären. Allerdings der beste Ort, wenn man in einem Club wie diesem war.

Der Junge hatte uns noch immer nicht gesagt wie er hieß, er nannte uns lediglich eine Nummer: 666.

In dem Moment als Siarra ihn durch die Tür lies hätte ich sie erwürgen können. Ich hatte überlegt ihn einfach wieder raus zu werfen... doch ich hatte gesehen wozu er in der Lage war, und außerdem war mein Herz ja auch nicht aus Stein. Die Art wie er dort kniete, schweiß überströmt und mit der blanken Angst in den Augen hatte mein Mitleid geweckt.

Also hatte ich die beiden an den wohl ruhigsten Ort in diesem Laden hier geschleppt. Und da waren wir nun. In einer versifften, stinkenden Damentoilette deren Wände voller obszöner krakelleinen und anderem Zeug war, das ich gar nicht erst versuchte zu identifizieren.

Der Junge wusste nicht so recht wo er hinsehen sollte. Er fühlte sich eindeutig unwohl in seiner Haut... verständlich. Siarra sah schüchtern zu Boden. Ich war natürlich die, die anfangen durfte. „Es wäre leichter dich anzusprechen, wenn du uns deinen Namen nennen würdest", startete ich. Er sah mit gesenktem Kopf durch dunkle schwarze Wimpern zu mir auf. Als ich seine Augen sah wusste ich nicht so recht wie ich reagieren sollte. Erschrocken oder fasziniert?

Sie waren Weiß! Fast silbern sogar! Seine Augen schimmerten im hässlichen Licht der Damentoilette wie kleine Sterne. Ich holte tief Luft und wollte mit meinen Fragen anfangen, doch da antwortete er mir. Als ich seine Stimme eben gehört hatte war mir schon aufgefallen wie unerwartet tief sie war, doch nun überraschte sie mich erneut „Ich habe keinen Namen. Nur eine Nummer. 666." Ich schluckte und sah zu Siarra. Diese hatte den Blick fasziniert auf den hübschen Flüchtling gerichtet. „Okay 666... Ich weiß nicht warum du uns nachgelaufen bist, oder was du von uns erwartest, aber egal was du...getan hast, wir können dir nicht helfen." Siarra sah mich enttäuscht an. „Wieso nicht?", fragte sie und ich hätte mir am liebsten die Hand auf die Stirn geschlagen. „Weeeiiil..." ich zog das Wort extra deutlich in die Länge „...Wir weder wissen was genau das für eine Anstalt war, aus der unser Freund hier ausgebüchst ist, noch wissen weshalb er dort überhaupt reingekommen ist."

„Ich bin dort ein Gefangener gewesen, weil ich anders bin" war seine dürftige Antwort auf meine letzte Frage. Wir warteten, doch es kam nichts „Etwas genauer darf es schon sein Kollege", durchbrach ich die Stille nach einem kurzen Räuspern. „Ich gehöre keiner der Jahreszeiten an... ich bin ..." Wir wurden von zwei gackernden Tussen unterbrochen, die, die Tür zur Toilette energisch aufstießen. „schnell in die Kabine da!", zischte ich und schob ihn in eine der Kabinen und zog schnell die Tür hinter mir zu. Um Siarra noch mit rein zu holen war keine Zeit. Ich hätte mich ja eigentlich auch nicht verstecken müssen, doch in meiner Eile hatte ich das kurz vergessen. „... Ich weiß auch nicht was das sollte!" hörte ich eine hohe Frauenstimme sagen „Die kamen einfach rein gestürmt und fingen an Leute rum zu schupsen!" „So eine Frechheit! Sieh dir mein Top an! Mike hat mir sein halbes Glas wegen diesen Idioten übergeschüttet!" „Was ist das überhaupt...?" „Das ist doch egal! Ich hoffe die verschwinden gleich wieder." Ich hörte wie der Wasserhahn aufgedreht wurde „Wer soll verschwinden?", hörte ich Siarras eher kindliche Stimme schüchtern fragen „Oh, Hi Süße dich hab ich ja gar nicht bemerkt!", rief die eine aus und lachte. Man hörte, dass sie eindeutig betrunken war. „...Also?", hakte Siarra noch mal zurückhaltend nach „Ich hab keine Ahnung Kindchen", antwortete dieselbe, die gelacht hatte. „So Typen in schweren schwarzen Uniformen. Sie sind plötzlich hier rein gestürmt. Ich würde an deiner Stelle erst mal hier bleiben Schätzchen." Ich sah erschrocken zu dem Jungen hinter mir, der sich ganz nach hinten in die Kabine gedrängt hatte. Seine Sternenaugen sahen mich panisch an. Er war vollkommen erstarrt vor Angst und mein Mitleid wuchs. Was hatten die ihm bloß angetan?

„Sie scheinen Jemanden zu suchen. Wen auch immer sie suchen hier wird er nicht sein. Hier sind nur geladene Gäste. Der Typ der diese Party schmeißt hat uns versichert das keine Kriminellen oder Vorgestraften hier sein würden!" die Andere lachte laut auf „Amber die meisten unserer Freunde die hier sind, sind Vorgestraft!" Amber hatte keine Gelegenheit noch etwas dazu zu sagen denn erneut wurde die Tür aufgestoßen und wir hielten den Atem an. Wir hörten mehrere schwere Schritte in den Raum stürmen. Ich hörte wie die Musik erst lauter dann wieder leiser wurde, mit dem öffnen und schließen der Tür. Die Mädchen quiekten auf und fingen an sich Lauthalls zu beschweren „Das ist das Damen-Klo!" „Was erlauben sie sich?!" „fassen sie mich nicht an!" unter all dem Stimmengehwirr war nur Siarras Stimme nicht aus zu machen. Ich hörte wie 666 anfing laut und hektisch zu atmen. Seine Augen waren nun noch größer geworden. Ich presste meine Hand auf seinen Mund. Die Türen der Toiletten Kabinen wurden der Reihe nach aufgestoßen. Es gab einen lauten Knall, als gegen unsere einzige verschlossene Tür getreten wurde und die Kabine erzitterte. „komm da raus!", donnerte eine Stimme durch die Tür. Der Junge und ich starrten uns in die Augen und ich überlegte mir panisch einen Plan „Ich wäre ihnen sehr verbunden, wenn ich meine Sache hier zuerst beenden könnte", sagte ich mit meiner freundlichsten Unschuldsstimme. Für einen Augenblick war nichts weiter als das gedämpfte Dröhnen der Musik zu hören. „Entschuldigen sie Miss. Ich hatte...mit Jemand anderem gerechnet", hörte ich den Mann mit peinlich berührter Stimme sagen „Wen haben sie denn erwartet auf dem Damenklo vorzufinden? mal von einer Frau auf der Toilette abgesehen?", hakte ich mit gespieltem Ärger nach. „Tut mir leid Miss, wir suchen nur..." „Das interessiert mich nen scheiß! Darf ich wohl in Ruhe mein Geschäft erledigen Herrgott nochmal?!" „Entschuldigung", hörte ich ihn noch murmeln bevor er mit seinen Männern die Toilette verließ. Ich sah dem Jungen die Erleichterung deutlich an. Er sah aus, als hätte ich ihn gerade vor dem Todesurteil bewahrt. „So was aber auch!", rief Amber aus „Wo gibt es denn so was?" lachte die andere. Ich hörte Siarra verkrampft mit lachen. „Haha, ja lächerlich! Als ob sich ein Flüchtling oder so auf dem Frauen Klo verstecken würde!" sie kicherte nervös und ich hatte schon fast Angst, die beiden Hühner könnten verdacht schöpfen, doch sie lachten nur. „Komm wir gehen, Josh wartet auf uns. Bis dann süße", verabschiedeten sie sich und wir hörten erneut, wie die Tür auf und zu ging. Ich öffnete langsam die Kabine und spähte hinaus. Unser ausgebüchster Freund hielt mich kurz am Arm fest, ließ mich aber gleich wieder los. Es erstaunte mich, dass dieser junge Mann mir nicht die geringste Angst machte. Schließlich wussten wir nach wie vor nicht wieso er eingesperrt wurde. Siarra stand mit weit auf gerissenen Augen am Waschbecken „Das war so knapp!", zischte sie, als befürchtete sie jemand könnte uns von draußen über die laute Musik hinweg belauschen. „Okay, ich glaube nicht, dass sie hier noch mal suchen werden ... aber wir sollten trotzdem schleunigst hier weg. Es könnte sein das die hier ein Bild rum gezeigt haben...", sagte ich „eine von uns sollte erst mal nachsehen ob sie schon weg sind.", schlug Siarra immer noch schüchtern vor. Unsere Nummer 666 nickte „Ja, ich denke das wäre besser" sagte er und lächelte Siarra schwach an. Das lächeln wirkte etwas eingerostet. Er machte den Eindruck als wüsste er nicht genau wie das geht. „Okaaaayyy... ich macht das", meldete ich mich freiwillig „Nein, lass. Ich weiß wie paar von ihnen aussehen" „Siarra, sie tragen doch eh Uniformen." „Ja, aber in der Menge erkennt man die vielleicht nicht sofort..." „Okay, von mir aus. Aber sei vorsichtig. Wir wissen nicht was das für Typen sind" „Das sind Böse Menschen", sagte 666 leise „Sie Arbeiten für eine geheime Gesellschaft der Regierung. Sie sind mit der Aufgabe bedacht worden Menschen wie mich vor den Reichen geheim zu halten.", fügte er hinzu... als er das sagte nahm seine Stimme einen noch dunkleren Ton an.

„Okay... du erzählst uns das am besten in Ruhe zu Hause", sagte Siarra und lächelte ihn, mit ihrem typisch süßem Siarra lächeln, an... ich kannte dieses lächeln nur zu gut. Es verhieß nichts gutes „... zu Hause?", fragte ich mit einem etwas gereiztem Unterton. Klar! Wieso nicht? Laden wir nen Kriminellen zu uns ein „Hast du sie noch alle? Deine Eltern..." Ich kam nicht dazu zu Ende zu sprechen, sie hatte sich schon umgedreht und war durch die Tür gehuscht. Ich drehte mich zu 666 um und sah ihn mit vor misstrauen zusammen gekniffenen Augen an. Ich ging einen Schritt näher auf ihn zu. Er hielt meinem Blick stand und wich nicht zurück. Ich stand nun so nah vor ihm, dass ich seinen Atem in meinem Gesicht spüren konnte. Ich verrenkte mir den Hals als ich zu ihm hochschaute. „Ich weiß Siarra wird nun keine Ruhe geben. Sie hat mitleid. Sie ist Naiv und denkt, dass jeder Mensch was Gutes in sich trägt... manche mehr, manche weniger. Ich warne dich... Einen falschen Schritt und du wirst es bitter bereuen-. Wir werden dir helfen." Er atmete aus, als hätte er während jedes meiner Worte den Atem angehalten. Er blinzelte, dann lächelte er „Ihr werdet mir helfen?" er wirkte so erleichtert und froh, dass ich diese Entscheidung etwas weniger zu bereuen begann. „Ich verspreche, ich habe keine bösen Absichten.", sagte er leise und sah mir dabei tief in die Augen. Mir wurde bewusst, dass ich immer noch etwas zu nah vor ihm stand. Er legte den Kopf etwas schief und seine funkelnden Sternenaugen ließen mich nicht los. Dann machte ich einen großen Schritt zurück. „Das will ich hoffen...", sagte ich mit rauer Stimme. Verärgert über meinen schwachen Moment räusperte ich mich und sagte es noch mal klar und deutlich „Das will ich auch hoffen." Die Tür öffnete sich ruckartig. Der Lärmpegel drang nun noch lauter zu uns durch und wir fuhren beide zusammen. „Sie sind weg", rief Siarra um die Musik übertönen zu können. „Okay, lass und von hier verschwinden", sagte ich und beide stimmten mir nickend zu und wir verließen die stinkige Toilette und gingen in die plötzlich furchtbar auf mich wirkende Menschenmenge. „Da Hinten ist noch ein Ausgang!", rief Siarra „Vielleicht sollten wir lieber dort raus!" „Okay!", schrie ich zurück. Wir machten uns ran, uns durch den überfüllten Raum zu drängeln. Alles war überfüllt. Die Bühne, die Tische, die Theke. Alles! Siarra nahm meine Hand, um mich beim drängen durch die Menschen nicht zu verlieren. Der Junge griff nach meinem Handgelenk, um dasselbe zu verhindern. Ich ließ es zu. In diesem Gedränge war das Risiko wirklich groß sich zu verlieren. Ständig wurden wir hin und her geschubst. Einige betrunkene Typen wollten uns zu sich ziehen, um zu tanzen, doch wir machten uns sofort los und drängten weiter. Wenn einer hartnäckiger wurde, half 666 etwas nach. Das war eigentlich nicht nötig. Aber er konnte ja nicht wissen, dass ich sehr gut in der Lage war mich selbst zu verteidigen. „Siarra, ich sehe die Tür nicht mehr!", versuchte ich über den dröhnenden Bass hinweg zu schreien „Was?!" , schrie sie zurück „ Wohin?!", schrie ich noch mal „ Wir gehen in die richtige Richtung", rief mir der Junge ins Ohr und ich zuckte zusammen, als seine Lippen mein Ohr streiften. Ich drehte mich kurz um „Okay!", rief ich „Geh weiter Siarra!" „Amara, ich hör dich nicht! Komm wir gehen weiter! Da vorne ist die Tür!" Sie zog uns weiter und ich verdrehte die Augen.

Als wir endlich draußen waren holte ich erst mal tief Luft. Von all dem Rauch und dem Geruch nach Alkohol und Erbrochenen war mir schlecht geworden. „Also? Wohin jetzt?", fragte ich jetzt „Siarra, was hast du mit unserem Verbrecher hier vor?" „Ähm... ich weiß nich... also du weißt doch... meine Eltern sind nur von sieben Uhr morgens bis sechs Uhr abends Im Krankenhaus... und deine Mutter..." Ich sah sie verächtlich an „Das war so klar ...", grummelte ich „Deine Mutter würde ihn gar nicht bemerken! Sie hat doch Nachtschicht und schläft tagsüber! Und sie ist auch bei weitem nicht so streng wie meine Eltern ..." Ich schnaubte... „Amara wir müssen ihm helfen..." „Jaja...", sagte ich und wandte mich an den Jungen „wir gehen jetzt zu mir. Und Dann will ich alles wissen! Bis ins kleinste Detail!"

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