Aufregung

Luxe

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Irgendwie schaffte ich es Lea und Ben meine Situation klar zu machen, ohne Rhyse zu erwähnen, gab einen sogar 5-seitigen Aufsatz ab und quälte mich durch die Klausur, die glücklicherweise nicht ganz so schwer war, wie ich erwartet hatte.

Heute würden Lina und Tom wiederkommen. Es war Dienstag und ich hatte schon nach der sechsten Stunde Schluss. Ein wenig hibbelig lief ich zusammen mit Lea zur Haltestelle. Ben hatten wir irgendwie auf dem Weg verloren, aber Lea war zuversichtlich, dass er uns schon noch finden würde.

Ich selbst machte mir auch nicht wirklich Gedanken darum, wo der andere blieb. Ben verschwand oft und leise wie ein Windhauch. Wüsste ich es nicht besser würde ich raten, dass er sich einfach in Luft auflöste.

Es gab nur das Problem, dass wir alle zu Lea wollten und der andere noch vor dem Bus erscheinen musste. Oder Ben wollte zu Lea, ich musste. Dabei hatte ich andere Sachen zu tun, die ich ungerne aufschieben wollte. Aber wenn die rothaarige sich erstmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann konnte niemand sie mehr abhalten.

Mittlerweile waren wir an der Bushaltestelle angekommen, an der doch tatsächlich Ben auf uns wartete. Wie war er denn jetzt dahin gekommen?

„Du teleportierst dich, jetzt habe ich es verstanden."

Ein wenig überrumpelt wechselten Ben und ich einen verwirrten Blick, dann dämmerte mir was Lea meinte.

„Nein, er teleportiert sich nicht. Er wird zu einem Windhauch und kommt dann her. Teleportieren wäre viel zu auffällig", mischte sich eine weitere Stimme ein und ein hellbrauner Schopf tauchte neben mir auf.

Das war Anna, Bens kleine Schwester. Soweit ich das überblicken konnte tauchte sie überall auf, während Ben immer verschwand. Die beiden ergänzten sich also super. Außerdem war Anna nett, auch wenn sie sich immer mit Lea stritt. So wie jetzt über Bens Superkraft.

Ben tat so als würde er es nicht hören und starrte ausdruckslos auf sein Handy und ich hörte Musik, während ich mich etwas aus dem Kreis entfernte. Leider schien mein Fluchtversuch aufzufallen oder Lea hatte einfach ein verdammt gutes Timing, denn sie hakte sich plötzlich bei mir unter. Dann zog sie einen Kopfhörer aus meinem Ohr und nutzte ihn für sich selbst.

Die Diskussion schien vergessen, während sie ihren Kopf im Takt des Songs bewegte. War auch besser so, Lea regte sich auch Stunden später noch auf, wenn sie die Dispute nicht rechtzeitig beendete. Oder sie provozierte andere Personen, bis diese mit ihr diskutierten.

Bevor ich mir den Kopf noch weiter über meine beste Freundin zerbrechen konnte kam der Bus und Lea zog mich hinter sich her in das überraschend leeren Verkehrsmittel. Dann ließ sie sich mit mir in eine Vierer plumpsen und wartete, immer noch meine Musik hörend, auf die beiden Geschwister.

Die Fahrt verlief schweigend, was größtenteils daran lag das Lea, Ben und ich zu beschäftigt waren, um mit Anna zu reden, die schließlich schmollend an ihrer Haltestelle ausstieg. Lea konnte Ben gerade noch so von einem Fluchtversuch abhalten und klammerte sich stattdessen an seinen Arm.

Ben verzog keine Miene, sondern schob nur Leas Haare etwas zur Seite. Man konnte genau sehen, dass da etwas lief. Sonst hasste Ben Körperkontakt noch mehr als ich Leute, die über meine Haarfrisur lästerten. Oder über meine Freunde.

An der entsprechenden Haltestelle angekommen stiegen wir aus und Lea harkte sich wieder bei mir unter. So schlichen wir dann im Schneckentempo zu dem Haus ihrer Großeltern, die uns auch direkt empfingen. Dann schwätzte Leas Großmutter uns etwas zu essen auf, selbstgemachte Pizza, und wir machten es uns satt in Leas Zimmer gemütlich.

Einige Zeit lang hingen wir unseren Gedanken nach.

„Wir könnten am Samstag feiern gehen", schlug Ben plötzlich zusammenhanglos vor.

Kurz spielte ich mit dem Gedanken zuzusagen, dann fiel mir wieder der Grund meiner anfänglichen Aufregung ein.

„Sorry, ich bin am Wochenende wahrscheinlich weg."

Lea sah mich neugierig an.

„Mit deinem Typ?"

Ich verzog das Gesicht.

„Nenn ihn nicht immer 'meinen Typ'. Sag was freundlicheres."

Lea verdrehte bloß die Augen.

„Okay, okay. Ich nenne ihn... Teddybär, wenn du mir seinen Namen schon nicht sagen willst. Und du hast meine Frage nicht beantwortet", meinte sie schließlich schmollend.

Gott, das Mädchen war seltsam. Was in aller Welt hatte mich nochmal dazu getrieben, mich mit ihr zu befreunden?

„Man kann sagen, dass wir wegfahren. Aber das ist nicht der der Hauptgrund."

„Und was, wenn du mir die Frage erlaubst, ist der Hauptgrund?", fragte Ben überraschenderweise.

„Ich möchte das Grab meiner Eltern besuchen. Es ist schon so lange her, dass ich da war."

Jetzt wusste auch Lea nicht, wie sie reagieren sollte. Betreten richtete sie ihren Blick auf den Boden. Ich schmunzelte bei der Reaktion nur, auch wenn es eher traurig wirken mussten. Ich hasste solche Reaktionen.

„Schau nicht so betreten, Lea. Steht dir nicht", warf Ben Lea dann plötzlich vor.

Wie vom Blitz getroffen fuhr meine beste Freundin hoch und warf sich auf Ben. Der kippte überrascht nach hinten, vom Bett herunter, auf dem wir saßen. Eigentlich hätte ich vermutet, dass das genug Rache für Lea war, doch als ich einen vorsichtigen Blick über die Bettkante warf zuckte ich direkt wieder zurück.

DAS wollte ich nämlich nicht sehen. Also räusperte ich mich, in der Hoffnung die beiden auf mich aufmerksam zu machen. Aber reagieren taten sie nicht. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte mir dann, dass wir etwa halb fünf hatten. Wir hatten wohl doch etwas länger Löcher in de Luft gestarrt.

Leise erhob ich mich auf der Seite, auf der Ben und Lea nicht mit abschlecken, igitt, beschäftigt waren, vom Bett und schlich aus dem Zimmer. Auf der Treppe traf ich auf Leas Oma, die mich überrascht ansah.

„Du gehst schon?"

Ich nickte als Antwort und fügte noch hinzu: „Ja, ich habe noch etwas zu tun. Könnten sie den beiden vielleicht später Bescheid sagen, dass ich weg bin? Sie waren beschäftigt und ich wollte sie nicht unbedingt unterbrechen."

Jetzt war es an Leas Großmutter zu nicken. Mit einem lächeln schlüpfte ich in meine Schuhe und hob meine Schultasche hoch. Dann rief ich noch eine leise Verabschiedung und schob mich aus der Haustür. Über mein Handy lief bereits Musik, die ich während meines Heimwegs hörte.

Von weitem konnte ich schon das Auto der McLaneys sehen und meine innere Unruhe stieg. Teilweise, weil ich wirklich gerne meine Eltern besuchen würde, teilweise weil ich befürchtete, dass sie es mir verbieten wollten. Und auch, weil ich nicht wusste, wie es jetzt mit Rhyse und mir weitergehen würde.

Schließlich angekommen öffnete Rhyse mir mit einem Lächeln die Tür.

„Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du schon so früh kommst."

Ich schenkte dem Älteren kurz ein schiefes Grinsen, dann antwortete ich leicht angewidert: „Ich auch nicht, aber ich wollte Ben und Lea nicht unbedingt beim abschlecken zusehen."

Dann schob ich mich an Rhyse vorbei und zog meine Schuhe aus. Aus dem Wohnzimmer konnte ich Lina und Tom hören, weswegen ich mich mit fragendem Blick zu Rhyse umdrehte. Der nickte bloß aufmunternd und ging dann selbst in das große Zimmer. Ich sprang erstmal die Treppe hoch um mein Schulzeug wegzubringen, dann lief ich langsam wieder runter und betrat den Wohnraum.

Sofort verstummten die drei und ich lehnte mich etwas nervös gegen den Türrahmen.

„Hi."

Lina begann zu strahlen, während Tom mich argwöhnisch musterte. Die Reaktionen hatte ich nicht erwartet, ich hatte ja nur ein einziges Wort gesagt.

„Hallo Luxe, schön dich zu sehen. Setz dich doch zu uns, neben Rhyse ist noch platz. Ich wüsste gerne, was ihr alles schönes gemacht habt, während wir weg waren."

Seufzend stieß ich mich von dem Holz ab und lief ruhig zu dem Sofa. Da ließ ich mich neben Rhyse plumpsen und verschränkte reflexartig meine Arme vor der Brust. Rhyse begann beinah sofort zu erzählen, ließ aber alles aus, was mit unserer Beziehung, oder wie man das auch immer nennen sollte, zu tun hatte. Und er übersprang meine Prügelei mit Luke, wofür ich ihm unglaublich dankbar war.

Kurze Zeit blieb es still, dann wandte Tom sich überraschenderweise an mich: „Hast du dem noch etwas hinzuzufügen?"

Aus mir unerfindlichen Gründen kam mir die Frage wie bei einem Verhör vor. Am liebsten hätte ich den Kopf geschüttelt, aber es war eine perfekte Überleitung zu meinem Anliegen.

„Nicht direkt. Ich habe aber eine Frage: Könnten Rhyse und ich am Wochenende vielleicht in meine alte Heimat fahren und das Grab meiner Eltern besuchen?"


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Ein pünktliches und ein ganz klein wenig längeres Kapitel. Es ist zwar meines Ermessen nach nicht wirklich gelungen, aber besser als nichts. Ich habe gerade mal nachgedacht, und dabei ist rausgekommen: Das Buch wird nicht mehr viele Kapitel haben. Wenn ich es so aufteile, wie ich es geplant habe, werden es zwischen 3 und 6 Teile. (ahem, 9)

Aber jetzt zu etwas fröhlicherem: Meine Schwester fährt bald endlich weg. 10 Tage ohne sie. Und ja, ich weiß das sie das liest. Und ja, ich weiß das sie weiß, dass ich mich freue wenn sie weg ist. Und ja, ich weiß das meine Sätze zu viel 'ich weiß' beinhalten.

Frage: Habt ihr Geschwister?

Ich habe eine Zwillingsschwester (die, die verschwindet) und einen Halbbruder, den ich mit viel Glück (oder Pech) höchstens ein mal im Jahr sehe.

Over and Out, _Amnesia_Malum_

PS: Das Video oben finde ich (vielleicht grundlos) sau lustig und die Dramaversion ist einfach nur göttlich.

PPS: Wie so oft: Ich habe nicht korrigiert, also...

21/08/2019: Ich habe meinen Bruder dieses Jahr zum ersten Mal seit zwei Jahren gesehen (wahrscheinlich kamen die feelings wegen meines Milzrisses bei uns allen) und ich kann sagen, dass es schön war, ihn zu sehen. 


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