𝟚𝟝. 𝕎𝕖𝕚𝕙𝕟𝕒𝕔𝕙𝕥𝕤𝕞𝕒𝕣𝕜𝕥

Es klingelte zum zweiten Mal, weshalb ich an Dad vorbei zur Tür rannte und sie aufriss. Dominik stand da, beschienen von einer Straßenlaterne in eine dicke Winterjacke gehüllt, die seinen faszinierenden Körperbau verbargen. Auf den Zylinder hatte er zum Glück nicht verzichtet. Er hob diesen an und senkte seinen Kopf zum Gruß. Diese Geste erzeugte ein Grinsen auf meinem Gesicht.

»Hi«, brachte ich heraus.

»Hallo, Levi.«

»Ich muss nur kurz meine Stiefel anziehen. Ich bin gleich da«, sagte ich und verschwand kurz im Inneren. »Bis später, Dad.«

»Vergiss nicht, dich zu melden. Ist Maike schon weg?«

»Ähm ja, nein. Sie ist bei mir eingeschlafen. Ich werde auf der Couch übernachten, wenn sie nachher noch da ist. Du hast doch kein Problem damit, oder doch? Wenn, dann musst du sie wecken. Ich habe es nicht über mich gebracht!«

»Ah ja.« Dad wackelte mit den Augenbrauen. »Ich lass sie mal dort liegen. Sie steht schon von selbst auf. Spätestens morgen.«

In Dads Augen sah ich ein Funkeln, welches verriet, dass er garantiert irgendetwas vorhatte. Doch ich hatte keine Zeit, um nachzuhaken. Dominik räusperte sich hinter mir.

»Können wir los?«

»Natürlich.«

Dominik war mit dem Auto da. Wir stiegen ein.

»Wer ist denn Maike?«, fragte er neugierig. Ich meinte, auch ein wenig Eifersucht aus seinem Unterton herauszuhören. Aber bestimmt irrte ich mich dabei.

»Das ist doch die Schwester von Michi.«

»Ach so.« Dominik konzentrierte sich ein paar Minuten auf das Fahren. Dann griff er das Thema wieder auf. »Und warum schläft sie bei dir?«

»Sie ist eingeschlafen, als ich mich für dieses Treffen fertiggemacht habe. Und na ja, jetzt liegt sie da.«

»Hm, okay.«

»Wie geht es dir denn?«, fragte ich, um vom Thema abzulenken.

»Es läuft richtig gut. Stell dir vor, dieser eine Paartanz mit dem Typen ist richtig gut gelaufen. Ich habe es geschafft, dass ich mehr Gefühle zum Ausdruck bringe. Und gestern habe ich bei einem Steppwettbewerb den zweiten Platz belegt.«

»Wow, das ist cool.«

»Ja. Es geht weiter, auch wenn ich mehr brauche.«

»Mehr?«

»Na ja, du weißt schon. Ich muss berühmt werden, um vom Tanzen allein leben zu können. Na ja, gut. Ich könnte auch coachen und so was, aber das will ich nicht wirklich. Mein Herz schlägt für das Tanzen allein.«

Dominik hielt bei einer roten Ampel an und drehte sich zu mir.

»Wie geht es dir denn?« Dabei schaute er mir fest in die Augen.

»Ähm -« Warum brachten mich diese Augen so durcheinander? Vielleicht, weil ich einfach noch nicht über ihn weg war. Und dieses Date war eine ganz schlechte Idee. Egal, das würde ich ignorieren und einfach nur Spaß haben und mit July abschließen. »Mir geht es gut. Ich bin glücklich mit meinem Leben. Mehr oder weniger, zumindest. Vor allem, wenn ich meine Sorgen verdränge.«

»Welche Sorgen hast du denn?«

»Ach, nur die Üblichen in den Zwanzigern.«

»Geld- und Jobprobleme? Keine Wohnung? Alles geht schief?«

»Nein, das nicht. Eher Unsicherheit.«

»Warum das? Du bist doch so selbstbewusst. Vor allem, wenn es darum geht, Mann zu sein.«

»Ja, was das angeht, bin ich schon lange nicht mehr unsicher im Vergleich zu früher. Es ist eher die Sorge, dass ich nie eine Beziehung führen werde.«

Dominik parkte sein Auto. Ich stieg als Erstes aus. Ich brauchte frische Luft, wollte durchatmen.

»Du musst dich damit doch nicht so stressen«, meinte Dominik. Er hatte sich verändert. Vielleicht bestand ja doch die Möglichkeit – nein. Ich konnte dieses Chaos und noch mehr Herzbruch gerade nicht ertragen.

»Willst du denn so sehr eine Beziehung führen?« Dominik lief um das Auto herum und blieb vor mir stehen, sodass ich in seine blauen Augen blicken konnte. Sie waren ernst und verständnisvoll.

»Ja. Ich weiß von Michi, wie schön es in einer Beziehung sein kann. Paare sind meistens glücklich und selten allein. Das will ich auch. Ich will jemanden haben, weißt du?«

»Das kann ich verstehen, obwohl meine Priorität das Tanzen ist. Warum bist du dann nicht mit July zusammen?Ich dachte, ihr versteht euch so gut.«

»Sie ist meine beste Freundin.«

»Trotzdem. Daraus kann ja mehr werden.«

»Zugegeben, ich wollte etwas von mir. Aber sie hat mir mein Herz gebrochen. Jetzt will sie etwas von mir. Alles etwas kompliziert.«

»Willst du denn noch etwas von ihr?«

»Nicht mehr.« In dem Moment, in dem ich das sagte, wusste ich, dass es stimmte. Ich hatte mit July abgeschlossen. Jetzt musste ich ihr das nur noch weismachen. »Ich glaube, ich bin nicht mehr in sie verliebt. Das könnte daran liegen, dass das ein Schutzmechanismus ist und ich mich selbst vor extremen Liebeskummer bewahren will.«

»Liebeskummer ist wirklich der schlimmste Schmerz.«

»Na ja, fast.« Ich dachte an meine Mom und wünschte, ich würde mit ihr über den Weihnachtsmarkt laufen und mit ihr dieses Gespräch führen. Ich wüsste nicht, was sie mir raten würde. Vielleicht, dass ich alle Herzen brechen sollte, bevor mein eigenes gebrochen würde, wie sie es in einem Text geschrieben hatte und wie es mir auch Tara geraten hatte? Auf jeden Fall würde sie mich ganz fest in den Arm nehmen und mich an sich drücken und ich könnte ihren Duft einatmen und mich wie ein Kind fühlen, das seine Mutter brauchte.

»Alles in Ordnung, Levi?«

»Ja. Ich musste nur gerade an meine Mutter denken.« Ich biss mir auf die Lippe. Dominik zögerte einen Moment, dann schloss er mich in seine Arme. Auch, wenn er nicht Mom war, fühlte ich mich wohl. Ich roch sein Aftershave, was mir die Sinne vernebelte. Die Umarmung war nur kurzatmig.

»Na los, wir brauchen beide eine kleine Aufmunterung«, sagte er.

»Und du? Was ist mit dir?«

»Nun ja, ich musste gerade an den letzten Liebeskummer denken. Ich weiß dass das nicht so schlimm ist wie einen Tod verkraften zu müssen, aber es ist alles andere als schön.«

»Man soll Schmerz nicht vergleichen.«

»Ja, ich weiß.«

»Wer hat dir denn den Liebeskummer beschert?«, fragte ich und erwartete dabei, einen weiblichen Namen zu hören.

»Nick Tasrum.«

»War der nicht einer von Tonis Freunden?«

»Ja. Die beiden haben nicht mehr so viel zu tun, aber ich habe mich nach der Schule mit ihm und Emma getroffen. Manchmal war auch Theresa dabei. Du weißt schon, die waren auch ein bisschen mit Toni befreundet.«

»Und?«

»Na ja, irgendwann habe ich mich mit Nick allein getroffen und angenommen, dass wir Dates hatten. Doch er hat mich nicht ernst genommen. Jedenfalls habe ich ihm meine Liebe gestanden und er hat mir das Herz gebrochen. Er meinte, dass er mich nicht auf die Weise mag und mit Emma zusammengekommen ist.« Dominik verzog die Miene. »Seitdem habe ich der Liebe auch ein bisschen abgeschworen.«

»Eigentlich sollten wir uns davon nicht unterkriegen lassen«, meinte ich.

»Wir bräuchten einfach eine Garantie, dass unsere Herzen nicht gebrochen werden«, bestätigte Dominik. Plötzlich fanden seine Finger meine und verknoteten sich mit ihnen. Gemeinsam flanierten wir zu den Lichtern. Wir drängten uns in die Menschenmenge und ließen uns von der Musik und den herrlichen Angeboten mitreißen.

Wir fuhren mit dem Riesenrad und liefen dann an den Buden entlang, wobei Dominik und ich uns die verschiedensten Leckereien spendierten.

»Probier die hier mal!«, rief ich und hielt ihm eine Papiertüte unter die Nase, sodass der Duft ihn umwarb.

»Was genau ist das? Es riecht fantastisch.«

»Ich habe keine Ahnung. Aber bestimmt kann man das essen.« Ich zwinkerte ihm zu.

»Nur, wenn du auch probierst.« Wir griffen beide gleichzeitig in die Tüte und holten dann gebratene Mandeln hinaus.

»Hm, die schmecken sogar«, meinte ich.

»Wollen wir uns Crêpes holen?«

»Natürlich! Mit Schoko und Banane.« Mir lief schon das Wasser zusammen, als wir uns in der Schlange anstellten. Die Crêpes und Kinderpunsch wärmten uns auf.

»Du musst nicht meinetwegen auf Glühwein verzichten«, sagte Dominik. Ich fahre dich sicher nach Hause, da kannst du auch ein bisschen trinken.«

»Ach nein, schon gut.«

»Ich gebe dir auch einen Glühwein aus. Warte hier.«

Dominik legte sein halb gegessenes Crêpe auf die Bank und kam kurz darauf mit einem großen Becher Glühwein wieder. »Das gehört doch irgendwie zu einem Weihnachtsmarkt dazu. Können wir eigentlich noch mal zum Stand dort hinten? Ich brauche noch ein Weihnachtsgeschenk für meine Eltern.«

»Natürlich. Danke für den Wein.«

»Das ist nicht irgendein Wein. Das ist Glühwein«, erinnerte Dominik mich.

»Ja, danke.«

Ich nahm einen Schluck. Der Wein wärmte mich von innen. Mir wurde ganz heiß und schummrig. »Sehr gut.« Ich reckte einen Daumen in die Höhe. Wir blieben so lange auf der Bank sitzen und beobachteten das Treiben um uns herum, bis ich ausgetrunken hatte.

»Ich will aber nicht betrunken sein.«

»Wenn du es bist, kannst du es sowieso nicht mehr ändern«, meinte Dominik. »Na los.« Dominik griff nach meiner Hand und zog mich von der Bank. Er führte uns zu einem Stand und kaufte Honig für seine Eltern.

»Willst du noch irgendwo hin?«, fragte Dominik.

»Es ist ziemlich viel«, gab ich zu. »Sehr laut und voll. Ich will nicht mehr so lange bleiben.«

»Schenkst du mir einen Tanz?«, fragte Dominik.

»Aber klar.«

»Gut. Danach gehen wir auch nach Hause, versprochen.«

Ich nickte und folgte Dominik zu einer Tanzfläche. Weihnachtsmusik dröhnte aus den Lautsprechern und der Boden, der aus Vierecken bestand, leuchtete in unterschiedlichen Farben. Als wir die Fläche betraten, blinkte ein Viereck auf, dann ein anderes.

»Das ist ein Spiel. Eine Tanzchallenge!«, rief Dominik begeistert. »Du darfst nur auf die Flächen treten, die gerade leuchten«, erklärte er mir.

»Das soll ich im angetrunkenen Zustand hinkriegen?« Missmutig ließ ich den Kopf hängen.

»Ich gewinne das für uns.«

»Hi, macht ihr mit?«, fragte ein Mädchen, das jünger war als wir.

»Aber natürlich«, antwortete Dominik.

Er nickte mir aufmunternd zu und nahm meine Hand. »Wir schaffen das.«

Das Mädchen tanzte mit einem anderen neben uns. Wir sprangen von Viereck zu Viereck und machten einen kleinen Wettbewerb daraus, wer sich mehr bewegte. Dominik gewann definitiv. Eine Bewegung floss elegant in die nächste über und so schwebte er drehend über die Quadrate.

Ich selbst trat mehr als einmal auf unbeleuchteten Boden und schied aus. Nachdem das Lied zu Ende war, tänzelte Dominik zu mir.

»Na los, du siehst müde aus. Ich bringe dich nach Hause.« Dominik hakte meinen Arm unter seinen. »Hättest du Interesse, das zu wiederholen?«, fragte er unsicher.

»Ja, gerne.« Ich nickte heftig mit dem Kopf. Obwohl, eigentlich war das eine schlechte Idee. »Wollen wir nicht noch ein Foto machen?«

»Stimmt, wir müssen Erinnerungen festhalten. Am Ende erinnerst du dich gar nicht, was wir gemacht haben, weil du zu betrunken bist.«

»Bestimmt nicht«, erwiderte ich.

»Das kann vorkommen.«

»Ja, ich weiß. Das ist mit mir und July passiert. Wir haben uns geküsst und einen Tag später konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, hat sie behauptet.« Ich schnaubte, doch schnell zwang ich mich zu einem Lächeln. Dominik schoss mehrere Fotos und schickte sie mir.

Auf der Autofahrt schickte ich ein paar der Fotos in die Gruppe mit July und Michi.

Dominik und ich haben viel Spaß.
Ich bin etwas angetrunken.
Der Abend war toll.

Ich stopfte mein Handy in die Tasche und widmete meine Aufmerksamkeit Dominik, der auf die Straße achtete.

»Lust auf ein bisschen Weihnachtsmusik?«

»Haben wir nicht eigentlich schon genug gehört?«

»Bei Weihnachtsmusik gibt es nicht genug.« Dominik schaltete das Radio an und drehte die Musik voll auf. Vielleicht lag es daran, dass ich betrunken war oder dass ich mich komplett wohlfühlte, jedenfalls sang ich in voller Lautstärke mit. Besser gesagt ich grölte. Doch es machte Spaß.

Dominik setzte mich wie versprochen sicher zu Hause ab. »Fröhliche Weihnachten, Levi«, wünschte er mir.

»Dir auch.« Ich trat unbeholfen von einem Fuß auf den anderen, bis ich es wagte und meine Arme um ihn legte. Fehler!, schrie eine Stimme in meinem Kopf, doch ich ignorierte sie. Wie die vorhin dauerte die Umarmung nicht lange an, doch es war immerhin etwas.

Ich wartete bis Dominiks Auto um die Ecke verschwunden war, dann suchte ich eine Weile nach dem Schlüssel. Als ich ihn fand, versuchte ich drei Minuten lang, ihn ins Schloss zu stecken, verfehlte aber sehr oft, bis die Tür von innen aufgemacht wurde.

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Wie fandet ihr das Date?

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