𝓢𝓲𝓮𝓫𝓮𝓷


„Wir müssen fliehen."

Suras Augen weiteten sich und geschockt sah sie ihren Freund an. „Taehyung, das ist nicht dein Ernst!" Als sie bemerkte, wie die anderen Omegas fragend zu ihnen sahen, senkte sie ihre Stimme und steckte mit Taehyung die Köpfe zusammen. „Das ist völlig unmöglich", fügte sie im Flüsterton hinzu.

„Wir müssen es versuchen. Wenn wir hier bleiben, sterben wir", gab der junge Omega ebenfalls flüsternd zurück.

„Wenn wir fliehen, sterben wir genau so. Entweder weil wir da draußen verhungern, oder weil sie uns finden und zur Strafe töten."

„Trotzdem gehe ich lieber bei dem Versuch drauf, als ein Leben als Sklave zu führen, der diesen Mördern einen Dreck wert ist!" Taehyungs ernste Miene wurde für einen Moment traurig und mit belegter Stimme flüsterte er: „Sie haben Kalla einfach sterben lassen... Wir sind in ihren Augen nichts wert."

Sura drückte mitfühlend seine Hand. Dennoch schüttelte sie nach einiger Zeit den Kopf und nickte unauffällig zu den Wachen vorm Gitterkäfig. „Hier sind überall Krieger, wir sind keine Sekunde lang unbewacht. Wie zum Henker sollten wir das anstellen?"

Er spürte, wie die Zuversicht, die er eben noch gespürt hatte, ihn auf einmal verließ, und Taehyung schluckte schwer. „Ich weiß es nicht", gestand der Brünette schließlich. „Aber wir können hier nicht bleiben. Wir müssen es wenigstens versuchen! Wenn nicht für uns, dann wenigstens für die Kinder."

Er sah wie Suras Miene sich versteifte und beinahe gepresst flüsterte sie: „Unsere Kinder sind in Sicherheit."

„Wissen wir das?", unterbrach Taehyung seine Freundin mit ernster Miene. „Wissen wir wirklich, ob sie in Sicherheit sind? Ich habe sie zu den Höhlen geschickt und Kaiwo und Yoona konnten fliehen. Aber heißt das, dass sie in Sicherheit sind?"

Sura anwortete nicht, stattdessen starrte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen auf ihre Hände.

„Sura" Taehyung nahm die zitternden Hände der jungen Omega in seine.

„Hör auf!", zischte Sura und zog ihre Hände wieder weg. Wütend sah sie Taehyung an. Doch er erkannte in ihrem Blick noch etwas anderes: Verzweiflung, Trauer und Furcht. „Hör auf mir meine einzige Hoffnung zu nehmen!"

Es lag nicht in Taehyungs Absicht die junge Omega zu verletzen, doch er wusste, dass sie die selben Sorgen und Ängste hatte wie er. Denn niemand wusste, ob es den Kindern gut ginge. Alle klammerten sich an den Gedanken, dass die Alphas ihres Packs die Kinder in den Höhlen suchen und finden würden. Dass es den Kleinen gut gehen würde.

Doch wer garantierte ihnen, dass die Alphas noch am leben waren?

Oder die Kinder?

Sie bekamen keinerlei Informationen darüber, was mit ihrem Dorf geschehen war, geschweige denn mit denen, die nicht verschleppt worden waren.

„Es tut mir leid", sagte Taehyung und senkte den Kopf. „Ich wollte nicht—"

„Nein" Sura biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. „Nein, es tut mir leid. Ich..." Als Taehyung Sura wieder ansah, blickte er direkt in ihr tränenüberströmtes Gesicht. „Ich habe Angst, Tae."

Als der junge Omega die Furcht in Suras Augen sah, sagte er nichts mehr. Stattdessen nahm er seine Freundin in den Arm und hielt sie fest. „Ich weiß."

Ich auch.










Die halbe Nacht lag Taehyung wach und zerbrach sich den Kopf darüber, was zu tun war.

Das stundenlange Grübeln hatte ihn nicht wirklich weit gebracht und am Ende der viel zu kurzen Nacht war er sich nur einer Sache wirklich sicher:
Ganz gleich was es kosten würde, er würde einen Ausweg finden, Hilfe suchen und seine Freunde befreien.

Er wusste nur, dass eine Flucht unmöglich war, solange er in diesem Gittergefängnis war. Die einzige Chance zu einem Fluchtversuch war also wenn er sich außerhalb des Käfigs befand. Und das würde er nur unter einem ganz bestimmten Vorwand hinkriegen...

Der junge Omega wartete bis kurz vorm Morgengrauen und je näher dieser kam, desto nervöser wurde er. Er verdrängte die Zweifel und die Angst und redete sich selber Mut zu.

Er hatte Angst es zu vermasseln und den falschen Zeitpunkt zu wählen.

Aber wann gab es den schon?

Er seufzte und schaute von seinem üblichen Platz am Gitter rüber zu Sura, die noch friedlich schlief. Er machte ihr keinen Vorwurf, wie konnte er auch. Er verstand ihre Angst. Sie und die anderen Omegas hatten weitaus schlimmere Dinge gesehen und erlebt als er, schließlich waren sie von Anfang an bei dem Angriff dabei gewesen und mussten ihre Gefährten, Kinder und Freunde vor ihren Augen sterben sehen.

Er beugte sich rüber und strich Sura sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Nein, er wollte nicht, dass die letzten Menschen, die er liebte, noch mehr Leid erfahren mussten. Er wollte sie mit seinen Plänen nicht in Gefahr bringen.

Würde er gefasst werden bei dem Versuch zu fliehen, dann wäre allein er dran. Deswegen würde er es alleine tun.

Ich werde Hilfe holen! Ich verspreche es.

Ein letztes Mal ließ Taehyung seinen Blick über die schlafenden Gefangenen gleiten, dann stand er auf und ging zum Eisentor des riesigen Käfigs, wo er mit einem leisen Räuspern auf sich aufmerksam machte.

„Was willst du?", fragte einer der Wachen ruppig, als er den Omega bemerkte.

„Ich... uhm... ich müsste mal."

Der Wachmann verdrehte genervt die Augen und stieß seinen Kollegen neben sich mit seinem Ellbogen an.

Die zweite Wache streckte sich daraufhin etwas und gähnte. „Was ist?"

„Hör auf zu pennen!", sagte der Krieger aufgebracht und nickte in Taehyungs Richtung. „Los, bring den Gefangenen zum Waldrand."

Erneut gähnend fischte der Krieger den Schlüsselbund aus seiner Tasche und schloss die Tür auf. Der Krieger war sichtlich müde von seiner langen Nachtschicht und Taehyung konnte gar nicht glauben wie gut dies in seinen Plan passte.

Man legte ihm vor Verlassen des Käfigs Eisenmanschetten um die Handgelenke an, an denen eine schwere Kette angebracht war. Der Krieger führte Taehyung an dieser Kette hinaus und zum nahegelegenen Waldrand.

Taehyung warf einen Blick über seine Schulter uns sah zurück — genau in dem Moment, als Sura erwachte und sich erschrocken umsah. Als sie Taehyung erblickte, warf dieser ihr ein trauriges Lächeln zu. Sofort weiteten sich Suras Augen und sie schüttelte panisch den Kopf, wollte Taehyung damit signalisieren was auch immer er vor hatte bleiben zu lassen.

Doch der junge Omega drehte sich wieder um und führte seinen Weg unbeirrt fort.

Der Krieger führte ihn ein Stück in den Wald hinein, aber so dass das Heerlager noch in Sichtweite lag. Während sie gingen ließ Taehyung immer wieder seinen Blick über den Boden schweifen. Als der Alpha stehen blieb und Taehyung deutlich machte, dass sie nicht weiter gehen würden, fiel Taehyungs Blick endlich auf das, was er die ganze Zeit gesucht hatte. Unauffällig ging er noch ein Paar Schritte und kam erst vor dem Alpha zum Stehen.

Als dieser seinen wachsamen Blick immer noch auf ihn gerichtet hielt, wurde Taehyung nervös und schaute seinen Aufpasser erwartungsvoll an. „K-Könntet Ihr... uhm..."

„Nein", gab der Krieger knapp zurück.

„Könntet Ihr Euch wenigstens umdrehen?"

Mit einem genervten Seufzen drehte sich der Krieger um, die Kette dabei immer noch fest in der Hand. Er war kurz vor Ende seiner anstrengenden Wache und viel zu müde um zu diskutieren, also ließ er dem Omega seinen Willen — auch wenn es streng genommen gegen die Vorschriften verstieß. „Beeilt Euch, ich kann hier nicht ewig stehen", knurrte der Krieger und gähnte erneut.

Taehyung biss sich auf die Unterlippe. Sein Puls raste und er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Langsam, bedacht darauf kein einziges Geräusch zu verursachen, ging der junge Omega in die Knie, ohne den Blick dabei von der Rückseite des Kriegers vor sich zu nehmen.

Er tastete vorsichtig den Boden ab, bis seine Finger etwas kaltes, hartes erfühlten.

„Die Zeit ist um, Omega. Ihr—" Doch als sich der Krieger umdrehen wollte, nahm er aus dem Augenwinkel nur noch etwas Großes wahr, bevor ihn ein harter Schlag auf dem Kopf traf und er haltlos zurücktaumelte.

„AAH FUCK!"

Panisch ließ Taehung den Ast fallen und schlug die Hände vor dem Mund zusammen. Er sah zu, wie der Krieger wimmernd am Boden lag und sich den Kopf hielt, aus dem aus einer Wunde Blut auf den Waldboden lief. 

Oh Gott, er hatte einen Menschen verletzt!
Bei dieser Erkenntnis schossen ihm die Tränen in die Augen und er ließ sich für einige Sekunden von dem Schock und dem schlechten Gewissen lähmen, doch als der Krieger Anstalten machte wieder aufzustehen, erwachte er aus seiner Starre.

Er durfte diese Chance auf keinen Fall ungenutzt lassen!

Taehyung nahm all seinen verbliebenen Mut zusammen und griff nach der Kette. Er riss mit all seiner Kraft daran, bis er sie aus den Händen des immer noch weggetretenen Kriegers zerren konnte.

Mit rasendem Herzen starrte Taehyung auf die Kette in seiner Hand, dann zum Heerlager.

Und ohne sich noch ein Mal umzudrehen rannte der junge Omega los.










Kurzer Spoiler:
Ab jetzt fängt die 💩 erst richtig an zu dampfen!

Danke für's geduldige Warten.
💜

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