16. 𝔇𝔞𝔰 𝔣𝔢𝔥𝔩𝔢𝔫𝔡𝔢 𝔓𝔲𝔷𝔷𝔩𝔢𝔱𝔢𝔦𝔩

Außer Atem kam Luna bei ihm an.

»Und? Wie ist es gelaufen?«

»Gut«, stieß sie aus, während sie Luft holte.

»Was hast du herausbekommen?«, drängte Blaise.

»Lass mich erst einmal zu Atem kommen.« Luna atmete tief ein und aus. Blaise hatte sie gebeten, sich mit ihr zu treffen, damit sie ihm erzählen konnte, was sie herausgefunden hatte.

»Harry und Hermine treffen sich am Samstag in Hogsmeade. Ich habe ein bisschen nachgeforscht und dabei entdeckt, dass Pansy und Theodor ihnen verfälschte Briefe geschrieben haben.«

»Du bist fantastisch, Luna. Wie hast du das herausgefunden?« Blaise grinste breit und stolz auf seine Spionin.

»Ich habe ihnen nachspioniert. Manchmal fühle ich mich wie ein Geist, weil mich keine:r bemerkt. Wie etwas aus Nebel, das gar nicht existiert.«

»Ich liebe Nebel«, sagte Blaise.

»Nebel ist doch nur Nichts. Deshalb mag ich ihn nicht.«

»Nebel ist viel mehr als das. Du erkennst es aber erst, wenn du in sein tiefstes Inneres schaust. Du bist auch viel mehr, als du allen zeigst. Du bist ein sehr liebevoller, hilfsbereiter Mensch.«

Luna lächelte ihm dankbar zu.

»Wie kann ich dir nur danken, dass du Granger und Potter für mich ausgehorcht hast?«, fragte Blaise.

»Ich will dir helfen, zwei Menschen, die zusammen gehören, zusammenzubringen. Es reicht mir, wenn wir es schaffen, dass Draco und Hermine sich ineinander verlieben.«

Luna starrte für eine Weile in die Luft. Blaise legte ihr eine Hand auf die Schulter.

»Das schaffen wir. Zuerst sollten wir das Date am Samstag sabotieren. Hast du eine Idee, wie wir dazwischenfunken können?«

»Nein, noch nicht.«

Luna richtete ihren Blick in die Ferne, während Blaise sich im Kreis bewegte.

»Ich werde darüber nachdenken und Bescheid sagen, wenn ich eine Idee habe.«

• • •

In den nächsten Tagen dachte Luna viel darüber nach, wie sie das Date von Harry und Hermine zerstören konnte. Sie wollte nicht zu gemein sein. Sie wollte den beiden nur zeigen, dass sie nicht füreinander bestimmt waren.

Luna beobachtete Hermine und Harry ständig, doch niemand bemerkte sie. Wieder fühlte sie sich wie ein Geist. Manchmal pirschte sie lautlos auf Harry zu oder folgte Hermine, ohne dass sie sie sah.

Am Samstag suchte sie Blaise auf, doch sie traf ihn nirgendwo.

Also folgte sie einfach Hermine und Harry nach Hogsmeade.

Sie setzte sich nicht in das Café, sondern verharrte davor. Sie hatte sich auf einer Bank niedergelassen und die Beine an sich gezogen. Das Kinn hatte sie auf den Knien abgelegt. Sie wollte Blaise nicht enttäuschen. Sie hatte ihn noch nie wahrgenommen, bis er sie angesprochen hatte. Er hatte sie bemerkt! Viele übersahen sie einfach oder ärgerten sie. Er aber war von Anfang an nett zu ihr gewesen. Sie wollte ihn nicht verlieren, auch wenn das bedeutete, dass sie für ihn Freund:innen ausspionierte. Freund:innen, die sie kaum beachteten. Blaises Erscheinung kam ihr in den Sinn. Seine Haare waren zwar kurz, sahen aber dennoch wunderschön aus. Seine Statur fand Luna ebenfalls attraktiv. Doch Blaises Augen zogen sie am meisten an. Wenn sie ihn anblickte, fühlte sie sich geborgen und wohl.

Eine kleine Amsel landete neben ihr, tapste über die Lehne der Bank und schwang sich dann wieder in die Lüfte. Sie flog über sie, über die ganzen Menschen im Dorf hinweg wie Harry, wenn er Quidditch spielte. Quidditch. Besen. Fliegen.

Luna sprang auf und schlug sich mit der Hand auf die Stirn. Sie wusste, was sie tun würde. Nein, tun musste, um Blaise als Freund zu behalten.
Sie wollte gerade in das Café stürmen, als Harry und Hermine heraustraten. Sie folgte ihnen lautlos in einen unbekannten Buchladen. Während Hermine von den Büchern abgelenkt war, zog Luna Harry in eine Ecke.

»Triffst du dich gerade mit Hermine?«, fragte sie scheinheilig.

»Ja, sie ist toll«, antwortete Harry.

»Sie fände dich bestimmt auch toll, wenn du ihr eine Leidenschaft von dir zeigst.«

»Was meinst du?«

»Es gibt doch bestimmt eine Sache, die du über alles liebst«, begann Luna.

»Ja, klar. Ich liebe Quidditch.«

»Dann zeige Hermine deine Begeisterung für Quidditch. Nimm sie mit auf einen romantischen Flug«, schlug Luna vor.

»Du hast recht. Danke Luna!«

Harry drückte Luna kurz an sich und verschwand dann zu Hermine. Luna schwebte aus dem Laden. Sie folgte Hermine und Harry. Wie immer bemerkte sie niemand. Dann kletterte sie auf einen Kirschbaum und beobachtete, wie Harry seinen Besen rief und mit Hermine in die Luft jagte. Kurz darauf landete Harry wieder und Hermine rannte davon. Es hatte geklappt. Luna hatte das Date sabotiert.

Luna sprang vom Baum hinab und lief zu Harry.

»Du wirst die richtige Person noch finden. Das Schicksal wollte dich nicht mit Hermine zusammen sehen«, sagte sie und schenkte ihm ein Lächeln, bevor sie nach Hogsmeade zurückrannte.

Auf der Hauptstraße entdeckte sie Blaise, der sich suchend umschaute. Sie flitzte zu ihm und er breitete instinktiv seine Arme aus. Sie sprang in seine Umarmung.

»Ich habe es geschafft!«, rief sie lachend, während Blaise sie herumwirbelte und dann wieder auf dem Boden abstellte.

»Wo sind Potter und Granger?«, fragte er.

»Bitte nenn sie Harry und Hermine«, sagte Luna.

»Na gut, aber wo sind sie denn?«

»Sie haben sich gestritten. So sah es zumindest aus.«

»Echt?« In Blaises Augen blitzte Freude auf. »Warum?«

»Ich habe Harry gesagt, er soll mit Hermine fliegen«, antwortete Luna. »Hermine hasst das Fliegen. Sie hat einmal gesagt, dass man das Fliegen nicht mithilfe von Büchern lernen kannst. Ich glaube, in der Luft fühlt sie sich einfach hilflos.«

Blaise grinste sie an. Dann sah er einen Schatten, nahm Lunas Hand und zog sie in eine Gasse. Ihre Körper drängten sich dicht aneinander. Luna spürte ihren kräftigen Herzschlag, zu kräftig, zu schnell. Sie blickte Blaise verwirrt an, doch dieser deutete nur auf die Hauptstraße. Ron trottete vorbei. Er hatte seine Hand mit Katies verschlungen und sie lachten über einen Witz, den Ron wahrscheinlich erzählt hatte.

»Ich wusste gar nicht, dass Weasley und Katie Bell miteinander ausgehen«, sagte Blaise.

»Ich wusste es auch nicht«, meinte Luna mit leicht verträumter Stimme.

Eine Weile schwiegen sie. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Luna hatte Angst, dass Blaise ihr schnelles Atmen bemerkte.

Am liebsten wollte sie diesen Moment voller Spannung unterbrechen, indem sie ihre Lippen auf die von Blaise drückte. Sie hielt es bald nicht mehr aus.

»Ich möchte dir etwas zeigen.« Blaise hatte bis eben überlegt, wie er das Treffen mit Luna fortführen konnte. Er wollte noch nicht nach Hogwarts und in die Wirklichkeit zurückkehren. In der Nähe von Luna fühlte sich alles wunderbar wie ein Traum an. »Komm mit.«

Luna folgte ihm, allerdings lief sie ziemlich langsam. Sie hing noch zu sehr in einem Gedankennetz, aus dem sie sich nicht befreien konnte. Wenn doch, würde sie fallen und alle Gedankenfäden, die das Netz zusammenspannten, vergessen. Deshalb nahm Blaise ihre Hand in seine und führte sie aus dem Dorf. Das riss Luna aus ihrem Gedankennetz. Erschrocken starrte sie auf ihre kribbelnde Hand und vergaß alles. Sie konnte sich auf nichts mehr konzentrieren. Sie konnte noch nicht einmal in ihre geliebte Traumwelt entschwinden.

Luna blickte auf ihre ineinander verschlungenen Hände, bis sie eine Lichtung erreichten. Sie sah sich um und erkannte den See. Auf der anderen Seite des dunklen Wassers stand Hogwarts und es sah prächtiger aus denn je. Die Sonne hatte sich schon geneigt und tauchte unter. Der Himmel hatte sich auf der Sonnenseite rosa und lila gefärbt, auf der anderen funkelten die ersten Sterne.

»Ich habe sehr lange an meinem Leben gepuzzelt und immer wieder Puzzlestücke ausgetauscht, weil sie nicht gepasst haben«, murmelte Luna. »Sie haben das ganze Bild kaputt gemacht. Deshalb habe ich es wieder und wieder probiert. Ich dachte schon, das fehlende Puzzleteil wäre mit meiner Mutter gestorben. Aber jetzt glaube ich, dass sie es mitgenommen hat, um dir das Puzzleteil zu schenken. Ich glaube, du bist mein fehlendes Puzzleteil, nach dem ich gesucht habe.«

Luna blickte auf und traf auf Blaises Augen. Sie schauten sie so durchdringend an, als könnten sie ihr Lebenspuzzle sehen. Sie sehnte sich nach einer Umarmung von ihm. Sie wollte spüren, wie sich seine Arme anfühlten, wenn sie sie hielten. Plötzlich lief ihr ein Schauder über den Rücken. Hatte sie zu viel verraten? Hatte sie ihm einen zu tiefen Einblick in ihre Seele gewährt? Würde er sich abwenden und für immer verschwinden? Hatte sie ihn für immer verloren?

Mum, was kann ich nur tun? Er war der Einzige, der bei mir geblieben ist.

Liebling, er wird bei dir bleiben, weil er dich mag. Hab keine Angst, Liebes.

Luna riss die Augen auf. Noch nie hatte ihre Mutter ihr geantwortet, wenn sie versucht hatte, mit ihr zu sprechen. Sie schloss die Augen und horchte, aber die wunderschöne, ruhige Stimme ihrer Mutter war schon längst wieder verklungen.

»Ich habe mich manchmal gefragt, ob du Geister sehen kannst, die uns verborgen bleiben«, flüsterte Blaise.

Luna hatte tatsächlich ihre Mutter vor sich gesehen. Die blonden, langen Haare flatterten leicht im Wind und sie lächelte ihre kleine Tochter liebevoll an. Doch dies war ein Bild aus der Vergangenheit, eine Erinnerung, gewesen.

»Ich sehe sie nicht, ich spüre sie«, antwortete Luna.

Blaise trat näher und einem Instinkt folgend nahm er sie in seine Arme. Wohltuende Wärme umgab Luna und Blaises frischer Geruch hüllte sie ein. Sie fühlte sich geborgen. Dieses Gefühl kannte sie. Wenn ihre Mutter sie umarmt hatte, hatte Luna sich beschützt und verstanden, geborgen und geliebt gefühlt. Diese Umarmung zwischen Blaise und Luna war ein Zeichen ihrer schnell entbrannten Liebe. Sie sanken zu Boden, ohne sich loszulassen. Während Luna an ihre Mutter dachte, vergoss sie ein paar Tränen. Blaise kullerten ebenfalls welche hinab, da er den Schmerz mit Luna fühlte. Es war, als hätte sie eine uralte Magie verbunden. Sie spürten die Gefühle der anderen Person und sie dachten die Gedanken. Sie teilten Schmerz und Freude, Erinnerung und Gegenwart.

Luna fürchtete sich davor, dass dieser Moment bald wegfliegen könnte. Sie hatte sich sehr schnell verliebt, weshalb sie Angst hatte, dass diese Liebe nicht lange halten würde. Sie wusste auch nicht, wie ernst diese Liebe war. Sie hoffte darauf, dass Blaise bei ihr blieb.

Gemeinsam weinend und eingekuschelt verbrachten sie die Nacht. Sie schliefen beide ein. Nach wenigen Stunden erwachte Blaise. Ihn hatte etwas angestupst. Er rührte sich nicht, da er Luna nicht wecken wollte. Sie schlief noch, geborgen in seinen Armen. Möglicherweise träumte sie gerade ihren schönsten Traum.
Blaise sah sich um und suchte nach der Quelle seines Erwachens. Eine junge Frau setzte sich zu ihm auf den Boden. Dabei fielen ihr die langen, blonden Haare in leichten Wellen über ihre Schulter.

»Ich habe sie immer beobachtet. Manchmal hat sie mich gespürt, manchmal auch nicht. Doch ich war sehr oft da. ich habe mit ihr gelebt. So schnell hat sie sich noch nie in jemanden verliebt. Sie hat Angst, dass die Liebe nicht ernst gemeint ist oder zu schnell wieder vergeht.« Die Frau schaute sanft zu Luna. Blaise erkannte Lunas Augen. Dies musste Lunas verstorbene Mutter sein.

»Wie sehr liebst du sie?«, fragte sie und blickte Blaise durchdringend an.

»Ich weiß nicht. Ich kenne sie doch erst seit Kurzem. Ich-«

»Öffne dein Herz und horche«, unterbrach ihn Lunas Mutter.
Blaise hörte auf seinen schnellen Herzschlag. Er sprach mit einem Geist. Doch nicht mit irgendeinem Geist. Er sprach mit der Mutter des Mädchens, in das er sich verliebt hatte. Er musste einen guten Eindruck bei ihr hinterlassen.

»Wir beide kennen die Antwort«, sagte sie. »Ich weiß, dass ihr beiden füreinander bestimmt seid. Obwohl eure Liebe bisher nur kurz angedauert hat, wird sie ein Leben lang halten. Vertrau mir, denn ich weiß es besser alle Lebenden.«

Lunas Mutter senkte den Kopf, sodass ihre Haare ihr Gesicht verbargen, dann erhob sie diesen wieder. In ihren Händen hielt sie ein glühendes Puzzleteil. Sie reichte es Blaise, der es staunend in die Hand nahm und betrachtete.

»Das kann ich nicht annehmen!«, rief er. Luna rekelte sich leicht in seinen Armen.

»Du hast dies bereits getan. Pass auf meinen Liebling auf. Und verliere das fehlende Puzzleteil nicht!«

Langsam schwebte sie davon, doch dann kehrte sie wieder zurück. »Sie mag Glühwürmchen«, flüsterte sie Blaise zwinkernd zu. Dann verschwand sie wirklich.







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