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Der Schlafrhythmus, ein jeder Mensch besitzt ihn.

Natürlich hört man an jeder Ecke, dass man keinen hätte, doch selbst in dem Chaos verbirgt sich ein Rhythmus und wenn man sich genug Zeit lassen würde, Stress und Sorgen beiseitelegte, würde sich der eigene Rhythmus wieder einstellen.

Was den Rhythmus bei Menschen, die ein Dach über den Kopf hatten und arbeiteten, kaputt machte, war der Wecker.

Man arbeitete eine 40 Stundenwoche, hatte einen Anfahrtsweg und man musste so was wie Kochen, Duschen und anderer Pflege betreiben. Da blieb den Menschen nicht viel Zeit für Freizeit und das wiederum sorgte dafür, dass sie statt zu schlafen, wenn ihr Körper danach verlangte, dem Hobby nachgingen oder ewig in die Sozialen Medien flohen. Und wenn man einmal in diesem Teufelskreis gefangen war, kam man nur schwer wieder heraus.

Bei Yoongi hingegen lief das ganze etwas anders ab. Er schlief so, wie es sein Körper meist verlangte. Die Uhr, nach der sein Rhythmus lief, war der Sonnen Auf- und Untergang. Im Sommer schlief er nur knapp 4, wenn es hochkam 5 Stunden sollte er unter freiem Himmel schlafen. Im Winter schlief er immer mindestens 8 Stunden. Denn selbst wenn er erst um Mitternacht schlafen gehen sollte, weil ein gewisser blauhaariger Schlumpf ihn in Gespräche verwickelte, schaffte es die schwache Herbstsonne, ihn erst gegen 8 Uhr zu wecken. Die um ihn herum herrschende Kälte machte es ihm meist nicht leicht, einfach sofort aufzustehen.

Doch darum ging es gar nicht.

Das, was Yoongi genoss, war, dass er sich trotz seiner jämmerlichen Umstände erholt fühlte.

Klar schmerzten hier und da mal die Gelenke und er fror, aber es mangelte ihm nie an Schlaf. Selbst im Sommer mit den wenigen Stunden reichte es seinem Körper vollkommen und eben das war ein weiterer Vorteil, weshalb der 22-Jährige nicht wieder zurückwollte.

Zurück bedeutete, seinen Rhythmus und Frieden einem System zu verschreiben, dass er bis auf den Tod nicht ausstehen konnte.

Er wollte nicht um 5 Uhr im Winter aufstehen müssen, nur weil sein Chef ihn um 8 Uhr auf der Arbeit wissen wollte. Er wollte seine Freiheit haben. Sein Körper sagte ihm schon, was er wann brauchte und eigentlich hatte er kaum Sorgen. Er wusste, wo er eine warme Mahlzeit herbekam, ein Buch zum Lesen fand er auch immer und dann stellte sich nur die Frage, mit was er die verbleibenden 15 Stunden des Tages füllen sollte.

Der Unterschlupf und die Decke sollten Yoongi gerade heute genug Schlaf geben und ihm die Ruhe schenken, nach der sein Körper ihn bat.

Doch schlief der Schwarzhaarige anders als sonst heute schon lange nicht mehr, als sich die ersten Sonnenstrahlen durch das bunte Blätterdach schlängelten und überall noch im Morgentau, der die ehemals hellblaue Kuscheldecke eisig klamm gemacht hatte, Schatten und Lichtspiele hinwarfen.

Yoongi saß ungewöhnlich still da, aufrecht wie eine Kerze. Die Beine waren schützend an seinen Oberkörper gezogen und der schwarze Kater knurrte immer mal wieder leise auf. Seine Gefährtin hatte sich derweil nahe an den dünnen Körper des obdachlosen Mannes gedrängt, während sie ihren Blick nur dem kleinen Eingang widmete, wo normalerweise nur Yoongi und die beiden Katzen durchkamen.

„BALU!" – dass unheimlich hohe Quietschen der älteren Frau, die seit den frühen Morgenstunden schreiend durch den Park rannte, ließ alle Insassen in der kleinen Naturhöhle zusammenzucken.

Beide Katzen waren gezwungen, ihre Ohren anzulegen und am liebsten wollte auch der Schwarzhaarige seine empfindlichen Gehörgänge schützen, wenn er nicht gerade das Buch, das er noch lesen wollte, in Abwehrhaltung vor sich hielt.

Tiefe Bissspuren waren auf dem bereits ausgefransten und leicht dreckigen Einband zu erkennen und ein dicker Tropfen an durchsichtigem, zähem Speichel tropfte von der Ecke in den Dreck.

Das Knurren, was Yoongi und seine Begleiter noch vor den ersten Lebewesen geweckt hatte, dröhnte noch immer in seinem Kopf nach, und die hechelnd heiße Luft, die er nahe seinem Hals gespürt hatte, jagte ihm ab und an noch vereinzelt Schauer über den Rücken.

Er hatte geschlafen, ebenso wie die beiden Katzen und hatte sich aufgrund seines Verstecks verdammt sicher gefühlt. Dementsprechend tief hatte er geschlafen.

Wer sollte ihn hier auch angreifen?

Wach wurde er erst durch das Fauchen der Katzen, dem heißen Atem in seinem entblößten Nacken und die schmatzenden Geräusche der Lefzen, von denen Speichel auf ihn tropfte.

Dann konnte er sich nur noch daran erinnern, wie er panisch in das Versteck mit dem Buch griff und es dem Hund überzog.

Der erste Schlag hatte gesessen. Er traf das Tier unerwartet, ganz im Gegensatz zum zweiten Schlag, wo es einen herzhaften Biss von der Literatur genommen hatte.

In dem Moment hatte den obdachlosen Mann alle Hoffnung verlassen. Gegen einen aggressiven Hund hatte er in seiner Position keine Chance und so kam das Unvermeidliche.

Noch während der Kläffer an dem Buch hing, erwischte eine der Krallen an den nach ihm und den Katzen angelnden Tatzen seine Wange. Es brannte und er konnte schon das heiße Blut, das sofort einen metallischen Geruch verbreitete Spüren, doch konnte er sich weder zu dieser Zeit noch jetzt darum sorgen.

Unermüdlich hatten die Katzen auf die Schnauze, die noch am Buch hing, eingeschlagen, was den Hund dazu zwang, aus der für ihn zu kleinen Öffnung zu kriechen.

Und seitdem befand der Schwarzhaarige sich mit seinen zwei Beschützern in dieser Position.

Zitternd lauschten sie dem Hecheln, welches um ihr Versteck herumschlich und zum ersten Mal hasste er es, dass es keine Aufseher in diesem Park gab.

Sie hätten die alte Schrulle, die ihren Köter nicht an der Leine gehabt und noch weniger unter Kontrolle hatte zurechtweisen können. In dem Park herrschte nämlich aus einem Grund Leinenpflicht. Zum Beispiel um Besucher zu schützen oder auch andere Tiere wie Katzen, die hier rumliefen.

Yoongi war sich fast schon todsicher, dass der Katzengeruch den Hund angelockt und angriffslustig gemacht hatte. Da er jedoch mit den Katzen kuschelte und diese ihn manchmal auch ‚putzten', indem sie sanft seine Wange ableckten, hatte er ihren Geruch angenommen, wenn er nicht frisch geduscht war. Das frisch geduscht war er vielleicht einmal in der Woche, wenn überhaupt und somit musste er nur eins und eins zusammenzählen, um sich die nassen Lefzen der Bestie an seinem Hals zu erklären.

„BALU! KOMM SCHON, DU BIST DOCH EIN GUTER JUNGE!" – das Kreischen ertönte noch ein weiteres Mal, wodurch dann auch nach Stunden des Grauens endlich eine Antwort ertönte.

Die Antwort war ein rasselndes Bellen, als wenn der Hund, der definitiv nicht unter Kontrolle war, regelmäßig rauchen würde, was er bei der hellen Stimme der alten Schreckschraube nicht erwarten würde. Das darauffolgende leisere Knurren, was definitiv nicht der verrückten Frau galt, sondern definitiv den drei Beuteopfer in der Höhle, fühlte sich für Yoongi unmittelbar neben seinem Ohr an und er konnte nichts gegen das leise aufeinanderschlagen seiner Zähne tun.

Er hatte Angst.

Er wollte nicht sterben.

Nur weil er kein Haus hatte, hieß es nicht, dass er unglücklich sein musste. Somit sollte sich das grauenhafte, gefährliche Tier jemand anderen suchen, dem es auflauern konnte.

Und so als wenn Gott einmal sein Beten erhört hätte, sah er durch einige Lücken im Blättergewirr eine in Purpur gekleidete, rundliche Frau auf Stöckelschuhen auf das riesige Tier zulaufen.

Der Rasen, den sie dabei überquerte, würde noch bis zum Frühjahr Spuren von diesem Erlebnis tragen, da bei jedem Schritt ihre Pumps mit einem schmatzenden Geräusch in dem durch den Regen der letzten Tage aufgeweichten Boden versanken.

Sie sah nicht annähernd ordentlich aus und hatte in Yoongis Augen mehre Ähnlichkeit mit einem Schwein, das mit Vergnügen die letzte Schlammschlacht für sich gewonnen hatte.

Bei dem Hund angekommen, der noch immer knurrte, zog die Frau zu Yoongis Erleichterung endlich eine Leine hervor, die sie dem Vieh gleich darauf umlegte und begann an dem Strang zu ziehen.

„Komm schon, du hast genug Ärger gemacht. Lass den Busch, Busch sein." – mit einem bestimmenden Ruck, der mehr Kraft in sich hatte, als der obdachlose Mann ihr zugetraut hätte, schaffte sie es endlich, das Tier von Yoongi und den Katzen wegzuziehen.

Es dauerte im Anschluss noch eine ganze Weile, in der andere Besucher mit ihren gut erzogenen Hunden an dem Versteck des Schwarzhaarigen vorbeiliefen, bis er es endlich schaffte, sich aus seiner Starre zu lösen.

Das beruhigende Schnurren der Fellknäuel, die ihn mit beschützt hatten, ließen den Herzschlag des 22-Jährigen wieder in ein normales Tempo zurückfinden. Das anschließende Putzen an seiner Wange ließ den Schwarzhaarigen dann doch zurückschrecken.

Es brannte wie die Hölle und er wollte am liebsten die schneeweiße Katze von sich stoßen, doch ließ er es einfach über sich ergehen, da sie die Wunde wenigstens etwas ‚reinigte'.

Er war nicht geimpft. Seine letzte Impfung war schon seit seiner Flucht in das jetzige Leben abgelaufen und wenn er Tetanus bekommen würde, war es jetzt sowieso zu spät.

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