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„Du bist also Hyuna. Ich bin Jimin, freut mich, dich kennenzulernen." – freundlich grinsend streckte der Pinkhaarige der Älteren seine Hand entgegen, die diese mit einem Nicken annahm und sich in Jungkooks Augen unnötiger Weise noch einmal vorstellte.

„Jungkook." – nur kurz die Hand hebend musterte der Student die Frau erneut eindringlich, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder Yoongi schenkte, der die beiden Ältesten einfach nur bei ihrem Gespräch über Babys und wie süß diese Geschöpfe doch seien, belauschte.

Er persönlich konnte sich im Moment nicht mal ansatzweise an dem Gespräch beteiligen, da er sich noch nie nennenswert für Babys interessiert hatte. Sie waren eben Babys und das jedes Elternteil den Menschen um ihnen herum nun erzählte, dass ihres das Schönste sei, war eben nur normal. Jungkook selbst fand sie eigentlich meist nur nervig und verknautscht, aber das würde er nie und nimmer jemandem erzählen. Schließlich konnte man mit einer solchen Äußerung ganz schönen Schaden anrichten.

Yoongi hingegen lauschte dem Gespräch offensichtlich so angeregt, dass er es praktisch nicht mitbekam, wie der Rothaarige immer mal wieder einen Schritt näher zu ihm heranrückte und ohne dass Jungkook es beeinflussen konnte, störte ihn dies stärker, als es eigentlich sollte. Es hinterließ einen sauren Beigeschmack, dass er den beiden einfach mehr Beachtung schenkte, fast schon mit einer gewissen Sentimentalität zuhörte, obwohl er ja nicht der Vater war.

„Oh und unser Yoongi hier wird der Patenonkel von unserem kleinen Engel." – grinsend deutete die Braunhaarige auf den 22-Jährigen, der daraufhin nur die Augen verdrehte. – „Ob er will oder nicht."

„Du kannst doch niemanden dazu zwingen." – Jungkook, der nun neben dem Schwarzhaarigen stand, presste seinen Kiefer stärker aufeinander, sodass er schon leicht Sorge um seine Zähne bekam.

„Sie zwingt mich ja auch nicht." – seufzend schüttelte der Jüngste den Kopf, als er die angespannte Atmosphäre bemerkte. – „Ich bin nur nicht davon begeistert, eingeschissene Windeln zu wechseln und bei der Geburt will ich auch nicht dabei sein." – seinen Standpunkt noch mal verdeutlichend, blickte er seine beste Freundin eindringlich an. Hier, mit Jimin und Jungkook, hatte er eine größere Chance, dass sie ihr Vorhaben endlich aufgab.

„Dann sollte sie das respektieren." – der Rothaarige bedachte die Schwangere unterschwellig mit der Aufforderung, es zu respektieren. Nicht jeder Mensch wollte Zeuge von einer Geburt werden.

„Mach ich ja." – den Größeren missmutig anfunkelnd, seufzte sie innerlich. Sie hätte ihren besten Freund nie gezwungen und war ihm auch nicht böse, dennoch hätte sie sich gewünscht, ihn dabei zu haben.

„Schick, da wir das jetzt gelöst haben, kommt ihr noch mit zum Café?" – Jimin, der die schlechte Laune gar nicht ertragen konnte, klatschte aufgeregt in die Hände. Schließlich waren Jungkook und er eigentlich auf dem Weg zu eben diesem gewesen und dementsprechend schon spät dran.

„Ahh, vielleicht ein andermal." – der 22-Jährige grinste dem Flummi entschuldigend entgegen. – „Wir wollten uns heute noch ein wenig umsehen. Ich werde morgen wieder vorbeikommen."

„Ihr geht Shoppen?" – überrascht blinzelte Jungkook. Gab es irgendwo in der Stadt so billige Sachen, dass es auch für Menschen mit wenig Geld als Shoppen gelten konnte? Hätte er sich etwa den sündhaft teuren Toaster sparen können?

„Nein, leider nicht." – Hyuna, die Yoongi mit einem bösen Blick fixierte, da sie theoretisch, nur eventuell, shoppen gehen könnten, wenn er endlich das nahm, was direkt vor ihm lag. Denn im Gegensatz zu ihrem besten Freund hatte sie sich nicht freiwillig dazu entschieden, so zu leben. – „Aber gucken kostet ja nichts."

„Du meinst, so wie dieses Glas ursprünglich nur gucken war." – der Schwarzhaarige, der die Sticheleien ignorierte, hob das Glas ‚Kürbis Pur' hoch.

„Das war eine Ausnahme."

„Hmm, schon klar." – das Glas in eine seiner Jackentaschen steckend, rieb er seine Hände kurz aneinander, um sie von den eisigen Temperaturen etwas aufzuwärmen. – „Aber ich würde jetzt mal sagen, dass wir alle weitermüssen, also man sieht sich." – den beiden Studenten winkend, wobei Jimin ja nicht mehr offiziell studierte, drückte er die Braunhaarige mit einer Hand am unteren Rücken sanft vorwärts. Er mag es vielleicht hassen, dass er eben das Glas mit der Babynahrung gekauft hatte, doch sprach in seinen Augen nichts dagegen, schnell in den nächsten Laden zu flüchten, selbst wenn sie da nichts kaufen würden, da es heute nun mal verdammt kalt war.

„Yoongi!"

Gerade als sie in den Laden neben dem Drogeriemarkt treten wollten, rief der Rothaarige noch einmal nach dem Obdachlosen, der wie vom Blitz erschlagen dastand. Es war lange her, dass jemand anderes als Hyuna oder Taehyung nach ihm rief und das diesmal nicht negativ behaftet war, weil er einem Fremden in die Quere gekommen war.

Die Schwangere, die ebenfalls stehen geblieben war, obwohl sie überhaupt nicht gerufen wurde, blickte unsicher zwischen dem Psychologiestudenten, der gerade auf sie zu lief und dem Jüngsten hin und her.

„Geh schon mal rein. Ich komme gleich nach." – ihr die Entscheidung abnehmend, drückte der Schwarzhaarige sie in den warmen Laden, bevor er sich nun gänzlich zu Jungkook umdrehte, der nun direkt vor ihm stand.

„Ehm, also." – sich unangenehm an den Nacken fassend, da er ja der Grund war, warum der Kleinere gewartet hatte, versucht der Rothaarige sich die Wörter zurechtzulegen. Es sollte ja auch nicht so wirken, als wenn er sich so große Sorgen machen würde. – „Diese Nacht soll es noch kälter werden und ich wollte nur fragen, wo du heute schläfst. Wir werden uns ja voraussichtlich erst morgen wieder sehen."

„Schlafen?" – kurz darüber nachdenkend zuckte der Obdachlose zur Enttäuschung des Größeren mit den Schultern. – „Ich entscheide das vermutlich wieder spontan. Aber essen werde ich heute wieder an der Tafel. Also alles kein Grund zur Sorge."

„Sorge? Es wird arschkalt. Sie haben sogar eine Warnung für Menschen herausgegeben, die kein Zuhause haben." – nun einen Scheiß darauf gebend, wie besorgt er sich anhören würde, trat Jungkook noch einen weiteren Schritt auf den Kleineren zu. – „Ich weiß, es ist dein Leben und so, aber warum? Warum denkst du, es sei für Menschen, die dich kennen, schön, dass sie vielleicht am nächsten Tag in den Nachrichten hören müssen, du seist erfroren."

„Die meisten Menschen wissen gar nicht, dass es mich gibt. Also warum sollte es sie treffen. Und ich sowie viele andere haben übrigens nur selten eine Chance, die Nachrichten zu hören. Also können sie sich die Warnung eigentlich auch sparen." – leicht lachte der Schwarzhaarige auf. Dieses geheuchelte Mitleid ertrug er einfach nicht. Wenn es den Menschen wirklich darum ging, dass Obdachlose nicht erfrieren sollten, würde es mehr Initiativen geben. Es würden mehr Menschen wie Hwasa geben, doch das war nicht der Fall. Stattdessen versuchten sie sich mit solchen Warnungen rein zu waschen. Sie wollten damit nur ihr Gewissen bereinigen, obwohl sie genau wussten, dass das, was sie taten, nichts brachte.

„Okay, aber ich kenne dich. Jimin kennt dich. Hyuna braucht dich. Also warum, warum machst du das. Wenn du nicht für dich selbst kämpfst, dann für andere, denen du etwas bedeutest." – seine zitternden Hände in die Jackentaschen steckend, schluckte der 23-Jährige schwer. Er wollte Yoongi nicht so bedrängen. Im Prinzip waren sie ja Fremde, doch die Testergebnisse waren noch immer wie in Stein gemeißelt in seinem Unterbewusstsein fest verankert. Vielleicht hätte er vergangene Nacht doch einfach schlafen sollen, dann wäre ihm all das hier nicht so wichtig.

„Warum mache ich was?" – den Kopf schräg legend, versuchte er den Größeren zu lesen.

„Warum lebst du auf der Straße und versuchst nicht mal einen Job zu finden. Andere versuchen von der Straße zu kommen, betteln um Geld und versuchen irgendwie ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Aber du, du sitzt im Park, spielst ohne zu betteln Gitarre und liest Bücher, als wenn du steinreich wärst und andere für dich arbeiten würden. Du lebst sorglos. Bezeichnest dich selbst als glücklich. Du stresst dich nicht und planst nicht. Und ich will wissen, warum."

„Es ist ganz einfach." – Yoongi, der diese Fassungslosigkeit schon bei Taehyung gesehen hatte, schmunzelte leicht in sich hinein. Vielleicht musste es so sein, dass der Mensch darauf getrimmt ist, Geld zu haben. Reich zu werden. Vielleicht war das, das Einzige, was einigen den Sinn im Leben gab. Aber für ihn war das eben nicht so. - „Das ist meine Priorität."

„Du wirst mit der Art und Weise nicht lange leben können." – den Kopf schüttelnd wollte es erst nicht in dem Bewusstsein des Studenten ankommen. – „Du wirst erfrieren."

„Immerhin sterbe ich frei." – noch immer schmunzelnd trat er unmerklich einen Schritt auf den Größeren zu. – „Wie du es eben schon richtig zusammengefasst hast. Ich bin glücklich, ohne Stress und ohne Leid. Also lebe ich lieber kurz und glücklich als lange und unglücklich."

„Und wenn sich deine Priorität ändert?" – er sagte es wie aus einem Reflex heraus. Jungkook konnte den Gedanken nicht ertragen, dass der junge Mann vor ihm bald sterben würde, nur weil er sich in so was festbiss. Und wenn er ihn nicht davon wegbekam, mussten sich seine Prinzipien, seine Priorität eben ändern.

Für einen Moment war der Schwarzhaarige wie erstarrt. Er hatte es nicht für möglich gehalten, dass jemand auf eine solche Idee kam. Es war schier unmöglich, diese bei ihm zu ändern. Sie war seit seiner Kindheit gewachsen, also konnte er sich nichts und niemanden vorstellen, der das ändern würde. – „Keine Sorge, das wird sie nicht."

„Und wenn doch?" – ebenfalls einen Schritt auf den Kleineren zugehend, berührten sich ihre Nasenspitzen und für jeden Außenstehenden musste es so aussehen, als wenn sie sich gleich küssen würden.

„Dann sind die Karten eben neu gemischt. Aber bis dahin ist das meine Priorität. Und nur zum Mitschreiben, die Chance, dass sich meine Priorität ändert, ist so wahrscheinlich wie Schnee im August." – wieder Abstand zwischen sich und den Studenten bringend, winkte Yoongi ihm noch einmal zu. – „Wir sehen uns spätestens morgen im Café wieder."

Was beide jedoch nicht auf dem Schirm hatten, schon die Veränderung einer Variablen oder das Wegbrechen einer Konstanten könnte die vollkommenen Prinzipien und Prioritäten von Menschen von einem auf den anderen Schlag verändern. Und dabei müsste Jungkook nichts weiter machen, als einfach in Yoongis Nähe zu bleiben. Er allein würde ungewollt genug in dem Leben des Kleineren verändern und alles, was er daraufhin tun müsste, wäre einfach da zu sein. Einfach die Konstante sein, während alles andere sich verschieben würde.

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