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„Einfach jemanden anzustarren ist sehr unhöflich." – Yoongi, der noch immer seinen Blick in das nun fast komplett ausgelesene Buch gerichtet hatte, konnte sich ein Schmunzeln nicht mehr verkneifen, als der Rothaarige verlegen den Blick abwendete.
Der Größere, der das Tablet mit dem Essen auf einen Nachbartisch abgestellt hatte, war wohl der festen Überzeugung gewesen, dass der Gast ihn nicht bemerkt hatte, geschweige denn seinen Blick wahrnahm. Somit hatte er den Schwarzhaarigen ungeniert angestarrt. Beziehungsweise hatte er auf das Pflaster gestarrt, welches sich unübersehbar auf dem Gesicht des Mannes befand und ihn schon seit dem ersten Augenblick, wo er es sah, gestört hatte.
„Tut mir leid." – sich höflich verbeugend, kratzte Jungkook sich verlegen am Nacken. – „Ich dachte, du- ..."
„Ich bekomme es nicht mit?" – der 22-Jährige blätterte die letzte Seite des Romans um und las die letzten Sätze aus, bevor er es zuklappte und auf die Decke neben sich legte. – „Man bekommt ein Gespür dafür, wenn man seit Jahren solche Blicke zugeworfen bekommt. Außerdem ist es hier drinnen hell. Draußen ist es dunkel und somit spiegelst du dich nun mal perfekt in der Scheibe." – Zur Seite nickend folgte der Rothaarige seiner Geste und fand nun das Bild, was der Kleinere die gesamte Zeit im Augenwinkel gesehen hatte.
Es zeigte perfekt die Szene und wenn es draußen regnen würde, wäre es fast schon die nächste romantische Szene in dem nächsten Boyslove-Drama. Es würde ungefähr die 5., vielleicht auch 6. Folge sein, wo sich die beiden Hauptprotagonisten endlich näherkamen. Und genau das war der Grund, weshalb sich in Jungkook alles komisch zusammenzog und zu kribbeln begann. Er war es nicht gewohnt. Klar, er sah gut aus, doch hatte er für sowas wie romantische Beziehungen einfach keine Zeit. Zumindest redete er es sich ein.
„Wenn du also etwas wissen möchtest, frag direkt und erspar uns dieses peinliche, versuchte, unbemerkte Starren."
„Okay." – schluckend, da es für den Studenten so schon unangenehm genug war und seine Unauffälligkeit offensichtlich nicht so diskret war, wie es gerne hätte, zog er den Stuhl zurück, den Jimin sich vor einer Stunde schon genommen hatte, und setzte sich an den Tisch.
„Das Pflaster in deinem Gesicht ..." – in die Region in seinem eigenen Gesicht deutend, verbildlichte er das Angesprochene noch mal, obwohl dies nicht nötig war. Yoongi spürte noch immer den Schmerz, der davon ausging. – „Was ist passiert?"
„Ein Hund ist passiert." – seinen Blick von dem Rothaarigen abwendend, sah er sein eigenes Spiegelbild in der Scheibe an. Das Pflaster störte ihn sehr. Es ließ ihn in seinen Augen schwach erscheinen, obwohl keiner wusste, wie es wirklich abgelaufen war. – „Er hat mich im Schlaf angegriffen, gekratzt und mein Buch probiert." – das Buch noch mal hochhebend und die Bissspuren auf den Einband präsentierend, verzog er unzufrieden das Gesicht. Der Einband roch noch immer etwas nach dem ekligen, fischigen und fauligen Mundgeruch des Tieres und ihm tat es fast schon leid für die nächste Person, die sich das Buch aus der Tauschbibliothek ausleihen würde.
„Dein Hund?!" – bestürzt, da er in einer Nebenvorlesung seines Studiums darüber aufgeklärt wurde, wie man einige Menschen auch mit Tieren therapieren konnte, besonders Kinder, weiteten sich seine Pupillen. Hunde sollten doch lieb sein.
„Nein." – nun grinsend schüttelte Yoongi den Kopf. – „Ich kann mir keinen Hund oder allgemein ein Haustier leisten. Außerdem wäre es kein Haustier. Es hat bei mir kein Haus, in dem es schlafen könnte."
„Wessen Hund war es dann?" – interessiert beobachtete Jungkook weiterhin sein Gegenüber. Er wirkte nicht mehr so verspannt wie vor einigen Stunden, als er das Café betreten hatte, wodurch die Atmosphäre mehr der eines angenehmen Abends unter Bekannten glich.
„Keine Ahnung. Ich kann nur sagen, dass der Hund Balu heißt. Zumindest hat die Besitzerin mir mit dem Kreischen meine Trommelfelle zerstört." – mit der Erinnerung an die quietschende Stimme jagte auch gleich ein unangenehmer Schauer über seinen Rücken. Es kribbelte unangenehm und er legte keinen gesteigerten Wert darauf, weder Balu noch seinem Frauchen jemals wieder zu begegnen.
„Wo hast du bitte übernachtet? In einer Studentenherberge?" – grinsend, da Jungkook sich selbst an so einige komische Vorfälle in diesen Einrichtungen erinnerte, überschlug er die Beine, um etwas bequemer zu sitzen.
„Nee." – den Kopf schüttelnd blickte der Schwarzhaarige erneut kurz zu dem Fenster, aus dem man normalerweise einen Teil des Parks sehen konnte. – „In so was kann ich nicht schlafen. Ich bin kein Student. Ich habe im Park geschlafen. Aber wer kann denn schon davon ausgehen, dass Menschen um 5 oder 6 Uhr morgens Gassi gehen und die Regeln im Park missachten." – tadelnd mit der Zunge schnalzend machte sich in Yoongi noch immer eine Wut breit, wenn er daran dachte, wie Menschen Regeln übergingen, als wenn sie gegen alles immun wären.
„Park? Der hier?" – verwundert deutete der Größere in Richtung des nun vollkommen dunklen Parks.
„Ja, warum bist du so überrascht?"
„Nun, ich habe dich nicht so eingeschätzt, dass du Alkohol trinkst und in einem Park einschläfst, anstatt nach Hause zu finden." – noch einmal in die Dunkelheit blickend, fröstelte es den Studenten. So wenig Platz wie er auch in seiner kleinen, fast schon schäbigen Wohnung hatte, er würde sie immer dem Park oder der Straße vorziehen.
„Ich habe kein Alkohol getrunken." – einen Bissen vom Keks nehmend, verschränkte er anschließend die Arme vor der Brust, was jedoch nicht als Abwehrhaltung gemeint war. – „Aber wie wirke ich auf dich. Was für ein Mensch denkst du, bin ich?"
„Naja ..." – den Jungen vor sich musternd, biss sich der Rothaarige auf die Lippen. Sollte er wirklich seinen ersten Eindruck von vor zwei Tagen laut aussprechen? Würde es den Mann nicht zu sehr verletzen?
„Sag es einfach. Ich werde es eh nicht so persönlich nehmen. Ich wette sogar, ich habe in den letzten Jahren schon viel schlimmere Einschätzungen bekommen." – Yoongi, der das Zögern bemerkt hatte, wartete gespannt auf die Beurteilung des Größeren. Es war immer wieder interessant, wenn er eingeschätzt wurde, ob gewollt oder nicht. Aber egal, wann die Menschen ihn beurteilten, sie steckten ihn meist in eine Schublade, in die er nicht mehr passte.
„Also auf den ersten Blick dachte ich mir, selbstverletzendes Verhalten und Essstörung. Zwar passt dein Keks nicht wirklich da rein, doch Essstörungen zeigen sich in den unterschiedlichsten Varianten." – sich an die Studie erinnernd, die er vor einigen Stunden in dem wissenschaftlichen Buch gelesen hatte, als im Café immer weniger los war und plötzlich der Schwarzhaarige vor ihm stand, nickte er sich selbst zu.
Er hatte sich über einiges nochmals belesen und das zum größten Teil wegen des Mannes vor sich. Er bekam ihn eben nicht aus dem Kopf und offensichtlich auch nicht aus den Augen. Sie waren sich in den letzten beiden Tagen häufiger begegnet, als er einigen seiner Kommilitonen begegnete, mit denen er gemeinsam eine Vorlesung besuchte. – „Vielleicht würde ich noch Depressionen hinzufügen, aber das muss nicht sein. Hast du Stress mit Geld, Familie oder Leistungen beim Lernen?"
„Du studierst Psychologie." – Yoongi, der seinem Gegenüber nur zugehört hatte, grinste leicht. Es musste so sein, ansonsten hätte er sich nicht so auf diese offensichtlichen Sachen gestürzt, die seine Psyche angingen, sondern direkt angesprochen, dass er obdachlos war.
„Was hat mich verraten?" – überrascht von der Treffsicherheit seines Gegenübers setzte sich der Rothaarige noch mal gemütlicher auf den Stuhl. Schließlich würden sie auch gleich gemeinsam essen, wenn Jimin denn endlich mal seinen Toilettengang abschloss.
„Dein Gesamtpaket, würde ich sagen." – einmal auf den Größeren deutend, nickte der Schwarzhaarige selbst bestätigend. – „Deine Art und Weise, der Ansatz und das Buch. Entweder du studierst Jura, die rennen auch immer so gestresst mit einem Buch herum oder eben Psychologie. Letzteres war nach deiner Äußerung am wahrscheinlichsten. Jura-Studenten würden meine Lebensumstände als Erstes aufzählen."
„Lebensumstände?"
„Ja." – grinsend blickt Yoongi seinem Gegenüber direkt in die Augen. – „Ich bin obdachlos und weder essgestört noch depressiv. Klar, manchmal habe ich wenig Essen zur Verfügung, aber das liegt nicht an meiner Psyche. Mir geht es sehr gut. Besser als zu der Zeit, wo ich noch brav bei meinen Eltern lebte und in dem System meine Rolle gespielt hatte."
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Irgendwie wünsche ich mir manchmal die Zeit zurück von 'Fire Water', 'Principal', 'Moonlight Child' und 'As Cold As Ice'. Sie sind zwar überhaupt nicht Rechtschreib- und Grammatikfehlerfrei, aber sie sind besonders. Ich bin an ihnen gewachsen aber auch die Zeit des Schreibens war angenehmer. Da haben noch mehr aktiv die Storys gelesen, die man geschrieben hat. Ich hatte echt jede freie Minute genutzt, um an denen zu schreiben xD.
<3
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