12
Unwohl seine Hände aneinanderreibend blickte der Schwarzhaarige einmal um sich.
Die Sonne war bereits dabei, sich für den heutigen Tag zu verabschieden, doch bedeutete das leider noch lange nicht, dass es bald Nacht werden würde. Ganz im Gegenteil. Mit Glück war es gerade mal 17 Uhr, was bedeutete, der Tag hatte noch genug Stunden, bis es wirklich Zeit war, sich schlafen zu legen.
Das Problem? Sobald die Sonne sich dem Horizont neigte, begannen die Menschen in Busan sich zu beeilen. Jeder wollte einfach nur noch nach Hause und nach einem anstrengenden Tag die Ruhe genießen. Eben die allbekannte Winterstimmung, die sich so langsam in jedem Herzen der Einwohner breitmachte. Schließlich war es tausendmal angenehmer, zu Hause mit einem heißen Getränk zu sitzen, als durch die dusteren, von kalten Winden heimgesuchten Straßen der Großstadt zu laufen.
Betrunkene gab es natürlich nach wie vor, doch brachten diese dem 22-Jährigen nichts. Sie würden nicht spenden und auch wenn seine Hauptmotivation einfach nur das Spielen war, freute er sich dennoch, wenn er sich am Ende des Tages eine angenehm warme Rahmensuppe kaufen konnte. Nicht, dass man ihn falsch verstand. Das Essen an der Tafel war gut, aber manchmal, da verzehrte sich die Seele eben nach etwas anderem. Etwas Speziellen, womit man sich selbst etwas Gutes tun konnte.
Ebenso wenig brachten ihm die Hundebesitzer etwas, die, wenn es schlecht lief, ihre Tiere nicht mal im Griff hatten, wie die Dame heute früh bewies. Und wenn Yoongi ehrlich sein wollte, sein Bedarf an Hunden war für die nächsten Monate gedeckt.
Sie brachten ihm nach eigenen Erfahrungen nur Schmerzen und Leid. Denn auch wenn die Besitzer ihre Tiere liebten, hatten sie einen großen Hass auf den Obdachlosen, wenn die Hunde Interesse an ihm zeigten und gestreichelt werden wollten.
Obwohl der Hund von heute früh in ihm wohl eher einen Snack gesehen hatte, anstatt einer Streichelstation.
Wie zur Demonstration rief ein etwas kleinerer Junge nach seinem Dackel, der für den Obdachlosen immer wie eine Wurst auf vier Beinen aussah und er dementsprechend solche Hunde sowie deren Besitzer nie richtig erst nehmen konnte.
Nicht, dass er irgendwie diskriminierend sein wollte, aber die waren auch irgendwie vom Leben bestraft.
Sich letztendlich dazu entscheidend, seine Sachen zusammen zu packen, da er schließlich schon mehrere Stunden in dem Park gesessen hatte, zog er den Koffer für sein Instrument näher an sich heran.
Es war eines der wenigen Sachen, die er von zu Hause mitgenommen hatte, jedoch nur aus dem Grund, weil es ein Geschenk gewesen war, an welchem ein emotionaler Wert hing. Der Preis der Gitarre interessierte ihn nicht, denn die Bedeutung dahinter war sowieso unbezahlbar. Seine Eltern hatten zu seinem Glück das Instrument gehasst und es somit nicht mal bemerkt, dass es verschwunden war.
Das wenige Geld, das zusammengekommen war, fand recht schnell den Weg in seine Hosentasche, bevor er alles fein säuberlich verstaute, seine Decke unter den Arm klemmte und mit den wenigen Habseligkeiten seinen Weg recht zügig in Richtung Café antrat. Zum einen, weil der Zettel, welcher offenbar den Wert eines Gutscheins hatte, viel zu penetrant in seiner Hosentasche geknittert lag und zum anderen, weil er sein Instrument wieder verstecken musste. Es war zwar immer mit Gefahren verbunden, die Gitarre zu verstecken, da immer jemand auf das Versteck aufmerksam werden könnte, doch war es noch gefährlicher, sie bei sich zu haben.
Im Schlaf oder in einem unbeobachteten Moment konnte sich jeder daran bedienen und auch wenn man nicht viel Geld dafür bekommen würde, für einen armen Menschen war ein wenig immer besser als nichts. Erst recht, wenn der Magen sich bereits schmerzhaft zusammenzog, man fror und eigentlich jede Nacht dem Tod entgegenblickte.
Auf seinem Weg begegnete er immer wieder beschäftigten Menschen. Viele beachteten ihn nicht oder sahen ihn ganz einfach nicht. Zu beschäftigt war jeder mit seinen eigenen Problemen, was den Weg deutlich entspannter machte, bis er nach einem viertelstündigen Spaziergang eine Erhöhung erreichte.
Sie lag auf der anderen Seite des Parks, in dem er die vergangenen Nächte übernachtet hatte und der dort aufgeschüttete Schotterweg diente als Parkplatz für die Parkbesucher.
Jetzt, wo die Sonne schon fast vollkommen verschwunden war und die wenigen Plusgrade, die sich über den Tag aufgebaut hatten, schlagartig in den einstelligen minus Bereich vielen, war der Park verlassen. Nicht mal Hundebesitzer liefen jetzt noch gerne durch den kalt wirkenden, düsteren Park und somit konnte Yoongi ganz entspannt den dort aufgestellten Müllcontainer zur Seite schieben.
Zum Vorschein kam ein Gullydeckel, den man, wenn man es denn einmal herausgefunden hatte, an einer Seite ganz leicht und ohne viel Aufwand öffnen konnte. Darunter befand sich das Abwasser und kein normaler Mensch würde da heruntersteigen.
Der Schwarzhaarige hingegen gehörte zu den wenigen, die wussten, dass in vielen der damals eingebauten Schächte ungefähr auf der Hälfte eine Nische war, die genug Platz zum Verstauen von Gegenständen bot. Viele in der Drogenbranche nutzten diese Verstecke zum Lagern der in Plastikbeutel eingeschweißten Drogen. Niemand sah dort nach und somit machte der Schwarzhaarige eben diese Nische zum Versteck für seinen kostbaren Schatz.
Die Wahrscheinlichkeit, dass hier jemals jemand nachsah, war gleich null.
Man musste schließlich erst mal einen Müllcontainer bewegen und so fand auch jetzt die Gitarre Platz in dem Versteck, nachdem der Obdachlose die wenigen Eisenstufen hinabgestiegen war.
Noch einmal kontrollierend, dass sein Instrument nicht einfach herunterfallen könnte, kletterte der 22-Jährige anschließend wieder nach oben, schob alles auf seinen rechtmäßigen Platz und verwischte die Spuren im Schotter. Schließlich war es immer noch eine Kanalisation und wirklich viel Zeit wollte er dort unten auch nicht verbringen.
Im Sommer, wenn es zu wenig Wasser gab, stieg aus einigen auch ein unangenehmer Gestank, der einem fast den Atem nahm.
Zufrieden mit dem Verwischen seiner Spuren klopfte sich der Schwarzhaarige die Hände gegeneinander ab und schnappte sich seine Kuscheldecke, die er so lange auf eine der aufgestellten Bänke abgelegt hatte. Schließlich wollte er sie nicht direkt wieder dreckig machen, erst recht nicht, wenn er heute neben Hyuna schlafen sollte.
Der Weg von der Anhöhe hinunter zum Café war vielleicht 5 Minuten lang, wodurch in der Hochsaison, wenn der Park gut besucht war, eine Menge an Gästen, manchmal auch Touristen das Café stürmten. Jetzt, im späten Herbst und Anfang Winter war um diese Uhrzeit nichts mehr los und so konnte der Schwarzhaarige, sobald er aus dem Park vor die Eingangstür des Cafés trat, bereits die beiden jungen Männer von gestern und von vor wenigen Stunden erkennen.
Der Sohn des Eigentümers wischte eine der Tische noch einmal sauber, von dem soeben eine Schülergruppe aufgestanden war und die sich in der Ecke die Jacken sowie Schal und Mützen gegen die winterlichen Temperaturen anzogen.
Der Rothaarige, der ihn gestern auch gebeten hatte zu gehen, stand derweil hinter dem Tresen und blätterte in einem Buch, was verdächtig nach einem Wälzer für wissenschaftliche Arbeiten aussah. Etwas, was Yoongi zu seiner Zeit, wo er noch zu Hause gelebt hatte, um sich hätte stapeln können. Vermissen tat er diese Zeit jedoch nicht.
„Habt ihr schon den Englischaufsatz fertig?" – die Schülergruppe, die inzwischen mit dem Anziehen fertig war und geschlossen das Café verließ, unterhielt sich neben Beziehungen über das Einzige, was zu dem Moment wirklich relevant war. Nämlich Schule. Die Noten mussten sitzen, genau das konnte der Schwarzhaarige nur zu gut nachvollziehen.
„Nein. Wir haben auch noch etwas Zeit." – der größte der Gruppe zog eine Zigarettenpackung heraus, nahm sich eine und reichte die restlichen an seine Freunde weiter, bevor sich zusammenstellten, die Flamme vor dem Wind schützten und die Stängel somit zum Glimmen brachten.
Yoongi, der das Ganze nur kurz beobachtete, wurde von der Gruppe zu seiner Erleichterung wie Luft behandelt, bevor sie sich in Richtung Bahnstation aufmachten.
Somit war der 22-Jährige allein.
Die beiden im Café hatten ihn aufgrund der Dunkelheit und seinen schwarzen Klamotten noch nicht bemerkt, und trotz des Zettels, um den sich seine Hand in der Hosentasche schloss, zögerte er.
Er hatte Angst, dass alles nur ein Scherz war und er sich gleich lächerlich machen würde.
Doch dann nahm ihm der nächste kalte Windstoß die Entscheidung ab und trieb den Schwarzhaarigen schon fast in das kleine, süß aussehende, warme Café.
Entweder würde Yoongi jetzt einen schönen, warmen Abend genießen oder aber es würde so unangenehm werden, dass er sich freiwillig ein neues Café suchen würde.
.....(°^°).....
Ich weiß, ich bin selbst daran Schuld, aber trotzdem macht es mich traurig, wie wenige es eigentlich noch lesen. Manchmal wünsche ich mir, dass es Follower-Zahlen, Reads und Votes nicht existieren.
Und lacht niemals über ein 'Problem' von anderen. Nur, weil es banal ist und vielleicht für euch kein Problem ist, kann es für die Person gegenüber der Weltuntergang sein.
Hab euch lieb <3
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top