-~49~- Von Corgis und Collies

John und Mrs. Hudson betraten nun die Küche. Auf beiden Gesichtern zeichnete sich Sorge ab.
,,Meine liebe Liv, unten vor der Tür stehen zwei Männer, die darauf bestehen, dass du mit ihnen sprichst. Weißt du vielleicht, was sie wollen?", fragte die ältere Dame aufgeregt.
,,Das weiß ich, Mrs. Hudson. Und ich dachte, ich hätte ihnen deutlich gemacht, dass ich nicht mit ihnen arbeiten werde", erwiderte ich etwas ungläubig, dass die beiden Agenten immer noch draußen auf mich warteten.
,,Wenn Mycrofts Hütehunde auf dich angesetzt sind, werden sie wohl nicht locker lassen, bis ihr Herrchen sie zurückpfeift. Ich empfehle einen Anruf zu machen", kommentierte Sherlock und sah hinauf zur Decke, als hätte er etwas spannendes am Putz entdeckt. Ich sah ebenfalls nach oben, doch da war nichts. Vielleicht sah er nur zum Himmel, wenn er an seinen Bruder dachte.
,,Es sind nicht Mycrofts Collies. Das haben sie zumindest behauptet. Und ich bin kein Schaf", antwortete ich auf seine Metapher.

,,Wenn sie sagen, mein Bruder hat nichts damit zu tun, dann weiß er bereits alles. Jedes kleinste Detail. Selbst, was du heute zum Frühstück hattest. Was hattest du? Gras? Blätter? Heu? Mäh!" Er äffte ein Schaf nach und streckte mir die Zunge entgegen.
,,Nichts!", zischte ich als Antwort, ,,Aber vielleicht fresse ich dich, wenn du dich weiter so benimmst." Ich sah zu John herüber, der sich sichtlich über unsere Stichelei amüsierte.

,,Wie auch immer", beendete Sherlock nun unser Gespräch und erhob sich von seinem Stuhl. Er rieb die Handflächen aneinander. ,,Ich habe Lust, auf ein kleines Spiel mit den Hunden meines Bruders. Lasst uns aber zunächst herausfinden, was sie wissen. Mrs. Hudson, würden Sie die Herren bitte heraufgeleiten?"

______

Als die zwei Anzugträger das Wohnzimmer betraten, saßen Sherlock und John bereits jeweils in ihren Sesseln. Ich stand hinter John und stützte mich auf der Lehne ab. Uns gegenüber standen zwei Stühle für die Klienten. In der Küche stand immer noch Mrs. Hudson, die sich mit irgendwas zu beschäftigen schien, den Geräuschen nach zu urteilen.
Die Männer setzten sich und wir warteten ab, bis einer von ihnen das Wort ergriff.

,,Also..." Der Kleinere räusperte sich. ,,Es wäre mir lieber, wenn wir das ganze in einem engeren Kreis besprechen könnten."
,,Und mir ist es lieber, wenn meine beiden Freunde dabei wären. Sie kriegen uns drei, oder keinen."
Mit einem scharfen Blick Richtung Küche nickte Lonigan widerwillig.

,,Es ist eine internationale Angelegenheit, in die Sie hineingeraten sind, Mrs. Carter und Mr. Holmes. Mit dieser neuen Droge ist nicht zu spaßen", sagte Bowman.
Mrs. Hudson stieß nun aus der Küche zu uns, in den Händen ein Tablett mit Tee und Keksen für alle. Sie stellte es auf dem Tisch neben den Sesseln ab, doch als sie sich wieder zu Lonigan und Bowman umdrehte, sahen die beiden sie nur finster an.
Entschuldigend hob sie die Hände. ,,Ich lasse Sie alle dann mal alleine. Ich bin unten, falls Sie mich brauchen sollten."
,,Danke, Mrs. Hudson", sagte Sherlock und ich sah misstrauisch zu ihm herüber, weil er so freundlich war. Mrs. Hudson verschwand mit diesen Worten aus der Wohnung.

,,Wie Sie vielleicht schon wissen, ist Cylen eine neue Droge, die vor einigen Wochen zum ersten Mal in einem spanischen Frachter als Schmuggelware entdeckt worden ist. Die Auswirkungen bei Einnahme wurden bereits ausführlich erforscht. Sie haben ja bereits damit Bekanntschaft gemacht."
Ich sah kurz zu Sherlock herüber, nachdem ich Bowmans Worte vernommen hatte, und nickte dann leicht.
,,Die Wirkung ist aggressiv, jedoch von relativ kurzer Dauer. Nur wenige Stunden, ohne nennenswerte Nebenwirkungen. Dafür kann die Droge über viele verschiedene Wege in den menschlichen Körper gelangen: von Einnahme über Getränke oder Speisen bis zum Einatmen über die Luft ist alles dabei. Selbst bei bloßer Berührung mit der Haut zeigen sich bereits Symptome."
,,Warten Sie", unterbrach ich den Agenten, ,,Keine Nebenwirkungen? Aber Sherlock und ich hatten sogar sehr starke Nebenwirkungen. Wochenlang!"
Bowman und Lonigan schauten mich skeptisch an. ,,Wie sahen denn diese Nebenwirkungen aus, von denen Sie sprechen?"
,,Gedächtnisverlust, geringe Alkoholverträglichkeit, hohe Emotionalität... Ich habe eine ganze Liste. Wollen Sie sie sehen?", antwortete ich.

,,Alles was Sie genannt haben, sind Auswirkungen der Droge selbst, die innerhalb der wenigen Stunden der Wirkung auftreten. Ich muss vermuten, dass man Ihnen die Substanz wiederholt verabreicht hat. Vielleicht sogar täglich", erwiderte Lonigan. Sherlock und ich sahen uns überrascht an.
,,Jeden Tag?", fragte John, ,,Wie soll das möglich sein?"
Die beiden Agenten zuckten mit den Schultern. ,,Vermutlich sollten Sie sich in Ihrem Bekanntenkreis umsehen. Und ich empfehle Ihnen, nicht alles zu essen, was man Ihnen anbietet", antwortete Bowman.

,,Aber John hat doch keine Symptome? Wie können Sherlock und ich betroffen sein, er jedoch nicht?", fragte ich nachdenklich.
,,Es hat sich herausgestellt, dass manche Menschen eine gewisse Immunität gegen den Wirkstoff aufweisen. Was der genaue Grund ist, ist noch unklar, aber vielleicht hat Mr. Watson einfach Glück."
Bowman holte aus seiner Innentasche eine Visitenkarte und reichte sie John. ,,Wenn Sie noch weitere Symptome bemerken sollten, rufen Sie mich an. Morgen, um zehn Uhr, findet eine Zeugenbefragung in unserem Department statt. Ich möchte Sie bitten, zu kommen. Die Adresse steht auf meiner Karte."
,,Wir werden da sein", antwortete Sherlock geistesabwesend. Er hatte seine Hände in seiner gewohnten Denkhaltung vor dem Gesicht aneinandergepresst und starrte an die gegenüberliegende Wand.
,,Das werden wir", bestätigte ich ihn.

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