Kapitel 9

Lia's  Sicht

Die Nacht über hatte ich kein Auge zu bekommen. Jedes Mal, sobald ich die Augen schloss, kamen mir Bilder/Gedanken hoch die ich am liebsten vergessen würde, die ich verdrängt hatte. Doch dann taucht so eine Schlampe wie Leya Button auf und reißt alte Wunden wieder auf.

Ich hatte gar keine Motivation heute arbeiten zu gehen, denn ich würde sie wetten wieder sehen. Und ein Blick auf meinen Termin Kalender verschlimmerte nur alles. Raphael Castro. Warum wurde er mir zugeteilt!? Hätten die nicht irgendwen anderes für ihn nehmen können?! Nein, natürlich musste ich den reichen Schnösel behandeln. Ich schloss meinen Dienstplan und lief zur Haustür, schnappte mir meinen Schlüssel, zog mich an und lief hinaus zu meinem Auto.

In der Klinik angekommen lief ich durch zum Gemeinschaftsraum und zog mir am Spind meine Dienstkleidung an. "Hey Schwester, darf ich dich was Fragen?". Ich schreckte kurz zusammen da ich niemanden hinter mir erwartet hatte und drehte mich anschließt um. Doch als ich die dunklen Haare und die dunklen Augen vor mir sah, kam ich etwas runter. "Luke, was gibt's?", "Wegen Dr. Reinergs", "Ja was ist mit Daniel?". Ich find es irgendwie ziemlich witzig, dass er Daniel bei seinem Nachnamen nennen muss und ich den Vornamen nehmen darf, wenn wir über ihn reden. "Hast du mit ihm geredet", "vielleicht, vielleicht aber auch nicht", "Lia! Du....du sollst das nicht machen", "sehe ich so aus als würde mich das interessieren?". Luke lachte leicht auf und schüttelte mit dem Kopf. Ich lachte mit und widmete mich meinen Dienstsachen. "Nein, Lia, du weißt, was ich meine", "Ich weiß ja, aber es interessiert mich wirklich nicht", "du weißt schon, dass ich eigentlich der ältere Bruder bin? Oder? Dafür verhältst du dich als wär es andersherum", "Vielleicht, weil ich im Job höher stehe? Und ich hab es gern getan, also nimm es an". Er schüttelte nochmals grinsend mit dem Kopf und lief dann dankend weg.

Ja, ich war Oberarzt und Luke Assistenz Arzt, obwohl Luke 41 Jahre alt ist und ich 35. Ganz einfache Erklärung. Luke war erst beim Militär und dann bei der Polizei, bis er dann vor einem Jahr zum Medizinstudium wechselte. Ich war anfangs sehr überrascht gewesen, doch es war das erste Mal, dass Luke sich in einem Job wirklich wohlfühlte und man gewöhnte sich daran, so komisch es auch war.

So langsam verging immer mehr Zeit und ich musste zu dem Zimmer auf dem Raphael Santiago lag. Allein auf dem Weg sank meine Laune komplett. Ich hasste diesen Mann abgrundtief und er tat das gleiche, warum muss dann ausgerechnet ich ihn von all unseren Kollegen zu geteilt bekommen? Er war eigentlich ein Teil meiner Vergangenheit, den ich dachte, vergraben zu können. Aber irgendwie tauchten alle Geister meiner Vergangenheit nun hier auf. Don, Leya, Raphael. Wer kommt bitte noch? Genervt stand ich im Aufzug und blätterte seine Akte durch. Eine Naht war aufgeplatzt und er musste neu genäht werden. Na super. Ich dachte, es könnte wenigstens schnell gehen, aber nein.

Im Aufzug lief mir Amy entgegen und mal wieder starrte sie lächelnd auf ihr Handy. "Und mit wem schreibst du mal wieder?", "Jake". Bitte was!? Ich hoffe, ich hab mich verhört. "Jake!?", "Ja, Jake. Was ist dein Problem mit ihm Jones!?". Jones? Wow. Waren wir jetzt an dem Punkt angekommen, wo wir uns bei Nachnamen nannten? "Mein Problem Amy? Jake ist ein Arschloch, der Frauen schneller und häufiger wechselt als seine Unterwäsche! Und sind wir jetzt ehrlich an dem Punkt angekommen, wo wir uns beim Nachnamen nennen, Dr. Stanfoarth?". Sie rollte mit den Augen und ich war verwirrter als zuvor. Wann waren wir von besten Freunden zu Feinden geworden?

Als wir dann auf der Etage ankamen, wo ich rausmusste, würdigten wir uns nicht mal eines Blickes und ich verließ den Aufzug und lief zu Zimmer 416.

Kurz vor der Tür atmete ich nochmals tief durch bevor ich die Klinke in die Hand nahm und diese runterdrückte.

Raphael saß auf seinem Bett und rollte genervt mit den Augen, bevor er spöttisch auflachte. "Wie war das nochmal? Wir sehen uns nicht? Also ich finde das wir uns ziemlich oft sehen". Er grinste breit und in mir stieg Wut und ekel auf. "Klappe, Santiago!". Er lachte erneut. "Behandelst du so also deine Patienten?", "Nur die, die die größten Arschlöcher sind und mit Nachnamen Santiago heißen und jetzt Shirt hoch". Er grinste diesmal anders und der ekel überkam mich vollkommen. "Sperr dein perverses Hirn weg, Santiago! Oder ich lass dich auch gern einfach verbluten", "das dürftest du noch nicht mal". Ich rollte mit den Augen, doch grinste ebenfalls kurz. "Na ja, wenn der Patient sich weigert, kann ich nichts tuen", "Ist ja gut". Nun rollte er mit den Augen und ich grinste innerlich noch breiter. Während ich mich umdrehte und das Nähzeug fertig machte, zog er sein Shirt aus und schmiss es neben sich auf das Bett.

Ich musterte seinen Brustkorb und sofort vielen mir seine ganzen Narben auf. Sein ganzer Brustkorb war übersät mit Narben und ich stockte kurz. Nicht dass ich keine Narben sehen konnte, ich hatte selbst welche. Und zwar viele. Mehr als er. Definitiv! Aber seine waren größer und fast wie verbunden, wenn man das so sagen kann. Ich hatte eher viele kleine oder mittelgroße und über meinen ganzen Oberkörper und Rücken verteilt, doch ich wollte nicht dran denken. Die Erinnerung tat weh und mir kamen erneut Bilder in den Kopf und ich wollte einfach nur noch vergessen. Warum mussten jetzt diese Leute auftauchen und meine Vergangenheit wieder aufwühlen!? Wenn, ich doch alles einfach nur hinter mir lassen wollte.

"Es ist unhöflich zu starren Jones". Er lachte auf und grinste, während ich aus meiner Starre erwachte. Scheiße! Ich hatte ihm auf die Brust gestarrt! Zwar wegen was anderem nicht das was er denkt. Aber trotzdem?! Mensch Lia! Was machst du nur für Scheiße! "Ich hab nicht gestarrt!", "Nein gar nicht. Aber mach ein Foto, hält länger", "Du bist echt widerlich Santiago!", "Wenn du das meinst. Ich mein, ich hab mich nicht angestarrt, oder?", "Fick Dich!", "Wann? Hier? Vor dir?". Was!? Er konnte es aber auch nicht lassen oder?

Mein Mund wurde trocken und für einen kurzen Moment fand ich keine Worte mehr. Ich war sprachlos. Warum hatte er diesen Effekt auf mich!? Ich wollte das nicht! Er ist ein Arschloch! "Verbanne dein perverses Hirn! Ehrlich! Ich war bloß geschockt wie groß und verbunden deine Narben sind. Also bild dir nichts drauf ein", "Na, wenn du das sagst, Jones". Ahhhh! Dieser Mann war nervig! Ich könnte ihn erwürgen oder den Mund zu nähen! Halt! Lia! Das darfst du nicht denken! Komm runter und mach einfach deinen Job. Einatmen. Ausatmen und Ausrasten. Warte was!? Ausrasten? Besser nicht. Ahhh! Lia! Krieg nen klaren Kopf!

Ich nahm die Näh Sachen neben mir in die Hand, betäubte rund um die Wunde die Brust und begann zu nähen. "Geht das auch etwas sanfter!?", "Stell dich nicht so an, Santiago. Du heulst ja mehr rum, als ein kleines Kind", "sag mal willst du mich eigentlich verar- AH! Bist du bescheuert!?". Sein Ernst? Ich hatte, bloß den Faden straf gezogen. Ok, vielleicht etwas schneller und kurz straffer als gewollt, aber das geschieht ihm recht. "Hab ja gesagt. Heulsuse". Er rollte genervt mit den Augen und starrte mich zum ersten Mal mal wieder hasserfüllt an. Jetzt waren wir wieder beim Alten. Zwei Todfeinden, die sich hassten.

Ich nähte ihm die Brust zu Ende zu und klebte so ein Kompressenpflaster?, darauf. Scheiße! Ich hab sogar vergessen, wie das heißt. Ich sollte vielleicht doch mal etwas länger schlafen und nicht zu spät los und zu früh hier.

Nachdem ich fertig war, räumte ich meine Sachen zusammen und drehte mich noch einmal zu Raphael bevor ich den Raum verließ. "Und jetzt, bis auf nimmer Wiedersehen Arschloch!", "Das wollen wir ja mal hoffen, Jones!". Diesmal klang sein Satz wirklich sauer, er war abgefuckt. Tja, da war er nicht der einzige. "Wird so sein"gab ich zurück und drehte mich zur Tür und wollte hinausgehen, als noch ein Satz von Raphael viel. "Stimmt, ich denke, nicht dass du hier noch lange Arbeiten wirst". Ich stockte und fror gefühlt ein. Was meinte er damit?! Ich wollte ihm dennoch auch nicht den Sieg geben und ihm zeigen ich sei verletzlich, also ging ich unwissend aus seinem Zimmer raus.

Was meinte er bitte damit? Er hatte nichts gegen mich in der Hand, ich hatte nichts Falsches getan, außer......

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