𝒥𝒶𝓁ℯ𝓎 - Der Grund von allem
TW: Gewalt, Mobbing
„Krone, hast du schon gesehen, wie Snivellus heute wieder hinter Lily her ist?" Eine Hand legte sich auf meine Schulter und drehte mich bestimmt herum. Mit einem genervten Gesichtsausdruck sah ich meinem besten Freund, Tatze – oder auch Sirius –, ins Gesicht. Auch er wirkte genervt von dem Fakt.
Ich schnaubte nur verächtlich. Dieser kleine Schwarzmagier dachte auch, er könnte so seinen erbärmlichen Blutstatus verbergen!
„Wir sollten ihm seine Grenzen aufzeigen", schlug Tatze grinsend vor und ich konnte regelrecht in seinen Augen lesen, wie sehr ihn auch nur der Gedanke daran erfreute.
„Das müssen wir wohl", korrigierte ich unumwunden. „Heute Abend. Wir fangen ihn nach dem Abendessen ab, wenn er in die Keller abtauchen möchte."
„Gut, was ist der Plan?"
„Er hat schon lange nicht mehr Bekanntschaft mit der Peitschenden Weide gemacht", erwähnte ich scheinbar zufällig und wand mich mit einem Augenzwinkern ab. „Sag Wurmschwanz und Moony Bescheid."
Tatze reckte seinen Daumen und ließ mich wieder alleine auf meinem Platz am Geländer des Astronomieturms, von dem aus ich gerne auf die Ländereien hinabblickte. Mehrere Schüler nutzen die Nachmittagsstunden zum Lernen im Freien. Gerade jetzt, wo das Wetter auch so gut mitspielte. Entspannt reckte ich mein Gesicht der Sonne entgegen und atmete die angenehm laue Luft ein. Es war ein herrlicher Tag, um Snivellus in den Krankenflügel zu befördern. Noch schöner wäre es natürlich, wenn man ihn erst Morgen irgendwann finden würde, sollte seine Abwesenheit denn überhaupt so schnell auffallen...
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Mit einem zufriedenen Lächeln quittierte ich, dass Snivellus gerade mit einem Buch unter dem Arm die Große Halle verlassen hatte. Seine zielgerichteten Schritte folgten dem Gang in Richtung Treppe hinunter in die Kerker, wo sich die Fledermaus in der Dunkelheit verschanzen wollte. Ich gab Moony und Tatze einen Wink, die sich etwas weiter an der Treppe im Schatten der Säulen versteckt hielten. Sie nickten erwartungsvoll und traten keine zwei Meter vor der Fledermaus ins Licht, um ihm augenblicklich einen Ganzkörperklammerfluch auf den Hals zu jagen. Wie ein steifes, schwarzes Brett fiel Snivellus zu Boden. Seinem Gesicht nach zu urteilen, schlug er sich dabei mächtig den Hinterkopf an.
Triumphierend traten nun auch Wurmschwanz und ich an ihn heran, um ihn von oben zu belächeln.
„Dreckiger Todesser", begrüßte ich ihn und spuckte der Fledermaus ins Gesicht. Angewidert sah er mich an, ohne auch nur zu versuchen, sich zu wehren.
„Heute wirst du eine neue Lektion lernen; und zwar wie groß der Abstand zwischen dir und Lily zu sein hat", drohte Wurmschwanz ihm.
„Ganz genau", bestätigte ich. Gemeinsam hoben wir ihn hoch, um ihn hinaus auf das Schulgelände zu tragen. Im Schatten der Dunkelheit des hereingebrochenen Abends schleppten wir den starren Körper in die Nähe der Peitschenden Weide. Tatze fesselte ihm die Beine und nahm ihm den Zauberstab ab, damit wir gefahrenlos den Fluch aufheben konnten. Sofort begann Snivellus sich zu winden und gegen seine Fesseln anzukämpfen.
„Ihr könnt mich alle mal!", fluchte er wütend. Seine Stimme war nicht einmal sonderlich laut, aber dennoch eindringlich. Mein Kopf wollte kurz nicken, meine Hände ihm die Fesseln lösen und meine Lippen entschuldigende Worte formen, aber der Wille, ihn in Richtung der Peitschenden Weide zu kicken, siegte in diesem Moment der Schwäche über mich. Und so tat ich es; gab Snivellus den letzten Fußtritt, der ihn in die Reichweite des Baumes beförderte:
„Merk dir den Abstand vom Stamm. Näher wirst du Lily nie wieder kommen!"
Augenblicklich begannen sich die dünnen Äste der Weide zu regen. Dann schließlich hatte der Baum erkannt, dass jemand seine Nähe aufgesucht hatte und reagierte mit einem dickeren Ast, der begann, Schwung zu holen.
„Dein dreckiges Schlammblut soll den Boden völlig bedecken!", kam es hasserfüllt aus meinem Mund. Zeitlich traf den wehrunfähigen Körper der erste Schlag der Peitschenden Weide, die für den Anfang einen noch mäßig dicken Ast geschickt hatte.
„Was tut ihr denn da?!", schrie jemand hinter uns, die wir dastanden und uns an dem Anblick der Fledermaus ergötzten, die sich vor Schmerz krümmte und zusammenrollte. Der Baum hatte Snivellus' linken Arm erwischt.
Erschrocken fuhren wir alle vier um; Moony als erster.
„Ihr könnt doch nicht einfach Severus unter die Peitschende Weide legen. Sie wird ihn doch umbringen", fluchte Arthur Weasley, der Rotschopf, der auf uns zu gerannt kam, seine Gesichtsfarbe glich der seiner Haare.
„Ach was", winkte Wurmschwanz ab.
„Außerdem", erhob Arthur erneut seine Stimme und blieb unmittelbar vor mir stehen. „Nur weil du dich deines reinen Blutes rühmen kannst, heißt das nicht, dass du andere für etwas verantwortlich machen kannst, für das sie nichts können!"
Und eine flache Hand traf meine Wange, die bis eben noch zu einem fiesen Grinsen verzogen gewesen war, nun aber unter dem Schmerz errötete, den die Backpfeife in mir auslöste. Während ich noch verwundert meine Wange betastete, war Arthur schon längst an mir vorbeigerannt. Er lief schnurstracks in den gefährlichen Bereich um die Weide herum hinein, um sich Snivellus zu nähern. Ein dicker Ast wurde der Bewegung gewahr und holte mit einer fürchterlichen Kraft aus, die ich selbst von dem Baum nicht kannte.
Arthur löste Snivellus' Fesseln mithilfe seines Zauberstabs, aber ihn aus dem Gefahrenbereich zuholen, vermochte er nicht so schnell. Der Slytherin hatte mittlerweile mehr als nur einen verletzten Arm und hatte bereits nach kürzester Zeit heftig begonnen zu bluten. Der Gryffindor, dabei seinen Mut zu beweisen, der mich regelrecht beeindruckte, versuchte den Schwächeren zu stützen. Der Ast aber war schneller und traf beide, als sie sich versuchten aufzurichten.
Ich stieß ungestüm einen Fluch aus. Niemand um mich herum rührte sich. Dass es in Moony Kopf kräftig ratterte, konnte ich förmlich hören. Gleichzeitig aber auch Wurmschwanz gehässiges Lachen und Tatze, der zufrieden auf die Szene hinabblickte, widerte mich an. Der Baum schien all seine Kräfte zu mobilisieren und mir schien, als könnten die beiden sich nicht aus ihrer Lage befreien. Es widerstrebte mir, zu meinem eigenen Verwundern.
Mit einem Satz war ich bei Arthur und Severus, die beide mehr oder weniger wackelig auf den Beinen waren. Ich wollte ihnen aufhelfen, wusste aber, dass keine Chance bestand, dass ich beide aus der Reichweite bringen konnte, ohne zu langsam zu sein oder einen zurückzulassen. Dem nächsten Schlag der Weide wich ich mehr oder weniger geschickt aus, was auch den beiden gelang. Während die Äste sich zurückzogen, um heftiger zuzuschlagen, hechtete ich in Richtung des Stammes, stolperte über eine Wurzel und kam selber zum Liegen.
Ein Ast traf mich glücklicherweise nicht allzu stark am Rücken. Es genügte aber, dass ich kurzzeitig völlig überfordert nach Luft rang. Erst dann kroch ich das letzte Stück und schlug förmlich auf den geheimen Wurzelknollen, den die Peitschende Weide sofort zum Stillstehen brachte. Schwer atmend bekam ich nur noch halb mit, dass Arthur und Severus sich aufrappelten. Die Rumtreiber standen bloß geschockt daneben.
„Wurmschwanz", rief ich kraftlos nach dem einzigen, der mich Unbeschadet hier rausholen könnte und tatsächlich kam er, löste mich am Knollen ab, sodass auch ich außerhalb der Reichweite des Baumes kriechen konnte. Schließlich verwandelte er sich in eine Ratte und schlängelte sich durch die nun wieder tobenden Äste hindurch.
„Warum nicht gleich so?", stöhnte Arthur, der immer noch den Slytherin stützte. Severus sah übel aus. Arthur auch. Ich fühlte mich wahrscheinlich ähnlich, nur dass sich zusätzlich ein tonnenschweres Schuldgefühl in meinen Körper drang.
Und in diesem kleinen Moment erkannte ich, dass mein Blut und Severus' Blut das gleiche waren; nämlich magisch. Es hatte die gleiche Farbe, lief ihm genauso übers Gesicht wie mir.
„Es tut mir leid", flüsterte ich tonlos. Ich hatte es verbockt, und zwar richtig.
„Das sollte es", seufzte Arthur, der sich neben mich ins Gras sinken ließ. Auch Severus kam erneut auf dem Boden zum Liegen.
„Es macht keinen Unterschied", schluchzte ich auf, als eine Welle der Erkenntnis über mich und meine Irrtümer hereinbrach. Ich hatte mich so sehr selbst belogen. „Das Blut nicht, das Haus nicht. Lily ist auch kein Reinblut, aber das hat mich nie gestört. Ich brauchte nur einen Grund, um Severus fertigmachen zu können, früher schon. Ich hab mir eingeredet, eifersüchtig zu sein, um ihn noch mehr hassen zu können. Dieser Hass, ich weiß nicht mal, wo er herkam."
Noch einige Zeit lang gab ich unzusammenhängendes Zeug von mir. Wie sehr ich falsch lag, und meine Gedanken zogen immer engere Kreise um den eigentlichen Ursprung meiner Taten:
„Es war nie Lily. Es ging nie um sie. Es ging um mich. Wie blind ich doch war. Wollte nur verstecken, dass ich nicht wie alle auf das schönste Mädchen der Stufe fliege, dass ich auf gar kein Mädchen stehe."
„Nein, James, is gut jetzt", unterbrach Arthur mich. „Es ist okay."
„Ist es nicht!", wehrte ich mich gegen das Verständnis, das er mir entgegenbrachte, während ich am liebsten vor Scham im Boden versunken wäre. Völlig neben mir begann ich um mich zu schlagen und zu treten, in der Hoffnung so Herr über meine Gefühle zu werden.
„James, beruhig dich! Es ist okay", wiederholte Arthur und griff bestimmend nach meinem Arm. Wie erstarrt sah ich ihm ins Gesicht. „Es ist okay."
„Nein", antwortete ich leise und wollte meinen Blick senken, aber er hielt meinen Kopf an Ort und Stelle.
„Sei still", befahl er mir. Meine Widerrede verstummte augenblicklich, als er mich küsste.
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„Was macht dein Arm? Tut er immer noch weh?", fragte ich Arthur, der entspannt neben mir im Gras lag. Zerknirscht traute ich mich kaum, ihm ins Gesicht zu sehen, das seit dem Vorfall vor zwei Monaten von einer Narbe geziert wurde.
„Es geht", antwortete er lächelnd. „Mach dir keine Sorgen um mich." Seine Lider schlugen auf und gaben den Blick auf seine Augen frei. Nun lächelte auch ich.
„Es tut mir so leid."
„Hautsache ist doch, dass Severus wieder einigermaßen fit ist. Genauso wie wir zwei", antwortete der Rothaarige und richtete sich auf. Zustimmend nickte ich. „Wie läuft es mit Sirius, Remus und Peter?", fragte er dann. Seitdem ich ihm und Severus geholfen hatte, mieden sie mich nicht nur als Person, sondern auch uns beide als Paar.
„Sie wollen nichts mehr mit mir zutun haben", antwortete ich halb geknickt, halb aber auch nicht. Die Freundschaft mit den dreien hatte mir nicht gutgetan. Genauso wenig, wie wir Moony gutgetan hatten. Und Wurmschwanz. Und Sirius auch. Alleine wären wir alle niemals zu so etwas fähig gewesen. Aber gemeinsam – wenn man sich gegenseitig hochschaukelte – da sah das schon ganz anders aus.
„Lass sie dich doch hassen. Geh nur sicher, dass sie deinen Namen richtig buchstabieren. Immerhin warst du noch am vernünftigsten am Ende."
1728 Wörter
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