ℬℯ𝓁𝓁𝒶𝓂𝓊𝓈 - Die Botin des Todes




Meine Ausbildung hatte vor einigen Wochen begonnen. Ich war auf dem besten Weg, meinen Traum zu verwirklichen und Auror zu werden. Alles lief, wie es laufen sollte. Dem Orden des Phönix hatten meine Freunde und ich uns auch schon angeschlossen, was wir eigentlich schon während unserer Schulzeit getan haben wollten. Aber wir wurden als zu jung befunden. Jetzt jedoch, kurz nach unserem Schulabschluss und am Anfang unserer Karrieren wurden wir in die Widerstandsgruppe aufgenommen.

Gerade war ich auf dem Weg in das geheime Versteck des Ordens. Zu Fuß hatte ich mich heute aufgemacht, den kleinen Wald dorthin zu durchqueren. Ich brauchte einfach ein wenig Ruhe von den ganzen Büchern, die sich allmählich in meinem kleinen Haus begonnen hatten zu stapeln. Nirgends fühlte ich mich wohler als alleine unter den mächtigen Kronen des Waldes.

Meinen Gedanken nachhängend folgte ich dem moosbewachsenen Trampelpfad zwischen den Baumstämmen hindurch. Es war schon verrückt, wie schnell die Schulzeit letztendlich dann doch vergangen war. Und ich trauerte der Zeit als Rumtreiber nach. Auch wenn ich froh war, dass dadurch auch das ständige Ärgern von Severus ein Ende genommen hatte, vermisste ich unsere nächtlichen Streifzüge durchs Schloss doch sehr.

Jäh wurden meine Gedanken gestoppt, als ich eine dunkel gekleidete Gestalt etwas Abseits des Weges liegen sah. Nachdem ich den ersten Schreck über das Blut auf dem Waldboden überwunden hatte, trat ich hastig näher. Ich fiel neben der Person auf die Knie, die den Rücken zu mir gewandt hatte.

„Hallo?", fragte ich mit zittriger Stimme und rüttelte an der Schulter, die sich unter einem schwarzen Umhang verbarg. „Können Sie mich hören?"

Ich bekam ein mattes Seufzen als Antwort und vernahm erneut einen ähnlichen Ton, als ich die Person auf den Rücken drehte, um ihr ins Gesicht sehen zu können. Eine Blutspur, völlig verwischt, zog sich von der Nase – oder dem was davon übrig war – bis hinunter zum Hals.

„Was ist passiert?", brach es bestürzt aus mir heraus, während ich nach meinem eigenen Zauberstab griff, um dem jungen Mann mit den stechend grünen Augen helfen zu können, so gut es meine magischen Fähigkeiten im Bereich der Heilung zuließen. Immerhin war mein Fachgebiet die Verhinderung solcher dunklen Magie, die ihn offensichtlich getroffen hat, und nicht die Versorgung danach.

Trotz all meiner Unsicherheit, wie ich mit der Verletzung umzugehen hatte, konnte ich wohl von mir behaupten, meinen Job gut gemacht zu haben. Die Blutung stoppte nach kurzer Zeit und der Mann schien keine Schmerzen mehr zu haben. Noch etwas wacklig auf den Beinen stütze ich ihn, als er sich aufrichten wollte.

„Ich sollte gehen", sagte er angestrengt.

„Aber wollen Sie denn nicht besser ins Mungus? Ich kann Sie auch dorthin bringen", bot ich an.

„Nein, nicht nötig. Mir geht es gut", wank der Mann ab.

„Sicher?"

Meine Frage ließ der Mann unbeantwortet, löste sich jedoch von mir, um selbstständig zu stehen. Eine Hand am nächsten Baum sah er mir tief in die Augen.

„Weist du eigentlich, wem du gerade geholfen hast?", fragte er dann mit gesenkter Stimme, seinen Blick nicht von mir lassend.

„Sollte ich das, Sir?", erwiderte ich verwirrt.

„Hättest du es gewusst, hättest du meinen Moment der Schwäche ausnutzen können", antwortete er etwas rätselhaft.

„Aber wofür denn?"

„Um den, dessen Namen nicht genannt werden darf, zur Strecke zu bringen", sagte der Mann mit einem gewissen Stolz in der Stimme. Dann zückte er elegant seinen Zauberstab, um ihn drohend auf mich zu richten. „Ich mache keine Ausnahmen und lasse keine Überlebenden zurück", setzte er an und ich spürte die Wirkung eines stummen Zaubers, der mir meinen Zauberstab entriss, bevor ich etwas hätte tun können.

Geschockt darüber und über die Tatsache, Voldemort gegenüber zu stehen, der seine Gestalt anscheinend verändert hatte, oder bloß vorrübergehend Vielsafttrank nutzte, sagte ich nichts. Ich beobachtete jede seiner Bewegungen, um den besten Moment abzupassen, um ihn zu überwältigen. Denn noch hatte ich einen Vorteil: Er war geschwächt, ich nicht!

„Aber da du mir das Leben gerettet hast, will ich nochmal gnädig sein. Jedenfalls für den Moment. Heute darfst du weiterleben, auch morgen noch. Ich werde Boten schicken, sobald deine Zeit gekommen sein wird", drohte er mir und ein diabolisches Grinsen huschte über sein entstelltes Gesicht.

„Bitte", gab ich nur von mir. „Wie lange habe ich?"

„Mal sehen", geheimnisvoll ließ er diese Antwort in der Luft stehen, während sich sein Körper binnen weniger einer Sekunde in Luft auflöste. Voldemort war appariert, gerettet von mir und hatte mir zum Dank meinen Tod durch seine Hand versprochen. Kraftlos sank ich auf den Waldboden, wo ich hektisch nach meinem Zauberstab tastete.

· · ─────── ·𖥸· ─────── · ·

Nach dem seltsamen Vorfall hatte der Orden des Phönix den Wald durchkämmt, war aber nicht fündig geworden. Kein Wunder. Seitdem war nichts mehr passiert und ich hatte meine Angst, jede Sekunde einen Boten des Todes zu sehen, mehrheitlich abgelegt. Solang nichts geschah, konnte ich immerhin sicher sein, dass der dunkle Lord mich nicht überfallen würde.

Zwei Jahre später, James und Lily hatten geheiratet und Harry war vor ein paar Tagen auf die Welt gekommen, besuchte ich mal wieder Tatze.

So klopfte ich in Erwartung eines entspannten Abends bei ihm an der Tür. Doch statt meinen langjährigen Freund zu erblicken, machte mir eine Frau mit wild gelockten Haaren die Türe auf.

„Lupin, ich habe dich schon erwartet", begrüßte mich die Fremde und trat aus dem Schatten des Türrahmens heraus. Das dämmringe Licht der Straßenlaterne erhellte ihre Gesichtszüge. Mild lächelnd stand sie vor mir und wies mir den Weg hinein.

„Kennen wir uns?", fragte ich überrascht, dass sie meinen Namen kannte und überhaupt aus Sirius' Haus kam.

„Bellatrix Lestrange", stellte sie sich vor und reichte mir ihre zierliche Hand.

„Sirius' Cousin", sagte ich und ergriff ihre Hand.

„Ganz richtig", bestätigte sie, wollte aber meine Hand nicht wieder freigeben. Stattdessen zog sie mich etwas zu sich, um mir ins Ohr flüstern zu können: „Viele Gemeinsamkeiten habe ich aber nicht mit ihm."

Noch verwirrter über diese Aussage löste ich mich von ihr, was sie diesmal zuließ.

„Ich sollte dann mal zu Sirius gehen", entschuldigte ich mich und ließ die Frau in ihrem schwarzen Kleid im Dunkeln des Flurs stehen, wo sie halb mit der Dunkelheit verschmolz. „Deine Cousine ist komisch", damit betrat ich Tatzes Wohnzimmer, ohne auf eine Reaktion auf mein Anklopfen zu warten.

„Hi Moony", begrüßte er mich. „Das kannst du laut sagen. Sie wollte wohl irgendwas wegen meinem Erbe klären. Meinte, sie hätte viel mehr Anrecht darauf als ich. Ich hab ihre Forderungen zurückgewiesen. Nur weil sie knapp bei Kasse ist!"

„Komisch", wiederhole ich mich.

„Trotzdem; kann sie heute Abend mitkommen? Sie hat eben gefragt, und ich sollte mich mit ihr guthalten. Im Moment ist sie die einzige aus meiner Familie, die überhaupt noch sporadisch Kontakt zu mir hat", fragte Tatze dann, der vom Sofa aufstand und sich seine Jacke von der Lehne schnappte.

„Meinetwegen", stimmte ich zu. „Solang das nicht zur Tradition wird."

„Ach was!", meinte er sofort und schob mich zurück in den Flur, wo er sich seinen Schlüssel von einem Brett nahm. „Nur heute."

„Gut."

„Können wir?", kam es von Bellatrix, die die Zeit über im Flur gestanden hatte.

„Sofort", hielt Sirius sie noch kurz hin, als er sich seine Schuhe zu band. Dann scheuchte er uns auf die Straße und damit auf den Weg in unsere angestammte Bar, wo wir ab und zu die Abende zu zweit verbrachten. Vielleicht auch mal mit Peter und James zusammen, aber niemals mit wem anderen. Das war wohl auch der Grund, dass unser Gespräch die paar Minuten bis dorthin verstummte.

Endlich an der Bar angekommen, die wir immer ansteuerten, hielt Sirius uns die Tür auf. Bellatrix vor mir sah sich kurz in dem sich vor uns düster öffnenden Raum um, dann hielt sie auf die Theke zu, wo sie sich auf einen der Barhocker fallen ließ. Wir folgten ihr einverstanden, auch wenn wir sonst immer an einem abgelegenen Tisch saßen. Ehe wir unsere Mäntel ausgezogen und wirklich angekommen waren, hatte sie uns schon jeweils ein Getränk bestellt. Überrascht sah ich auf den Schnaps hinunter.

„Prost!", forderte Bellatrix, stieß mit uns an und trank ihr Gläschen aus.

„Stößchen", erwiderte Sirius, zwinkerte mir zu und tat es seiner Cousine gleich. Stumm schloss ich mich an.

· · ─────── ·𖥸· ─────── · ·

„Du bist so still, Lupin", lachte Bellatrix leicht angesäuselt und stupste mich an, wie ich etwas weggetreten dem Gespräch der beiden über irgendwelche Verwandte zugehört hatte. „Was ist los?"

„Nix", antwortete ich und wand mich der Frau zu, die mir den Abend über sympathischer geworden war, als ich es erwartet hätte. Ihre wachen Augen funkelten im matten Licht der Bar geheimnisvoll. Ihre wilde Lockenmähne schien noch etwas wilder geworden zu sein.

„Moony redet nie viel", entschuldigte Sirius mich und boxte mir auf den Oberarm.

„Is ja gut", murmelte ich nur und versteckte mich hinter meinem Cocktailglas.

„Schade eigentlich", kommentierte Bellatrix. „Oder hast du was zu verbergen, geheimnisvoller Mann?"

Ich schnaubte verächtlich. „Was sollte das schon sein?"

„Beispielsweise, wo dein seltsamer Spitzname herkommt", antwortete sie und gab dem Barkeeper einen Wink, dass sie noch ein Getränk haben wollte.

„Hat sich so ergeben auf einem unserer nächtlichen Streifzüge durch Hogwarts", antwortete ich routiniert, die Halbwahrheit, die ich jedem erzählte, der meinem gut behüteten Geheimnis näherkommen wollte.

„So so", kommentierte sie wenig überzeugt. „Ich wette, du hast etwas zu verbergen."

„Und was sollte das sein?"

„Sag du's mir", forderte Bellatrix, während sie sich näher zu mir lehnte, Sirius dabei, der zwischen uns saß, etwas wegdrängend. Mein Blick huschte über ihr Gesicht, ihre Augen, die mich prüfend musterten. Unsere Blicke trafen sich. Und mit einem Mal hatte ich das Verlangen, ihr die Wahrheit zu erzählen.

„Gut", lenkte ich also ein. Sofort sah Sirius mich verwundert an. „Aber nicht hier. Wenn wir alleine sind."

„Was?", fragte Bellatrix überrascht. „Doch so wichtig?"

„Das kannst du laut sagen!", platzte es aus Sirius, der Bellatrix zurück auf ihren Platz drängte. Dann wand er sich mit warnendem Blick mir zu. „Ich glaube nicht, dass du es ihr erzählen solltest."

„Mach doch nicht so eine große Sache draus", lachte Bellatrix.

„Irgendwie hat sie recht", sagte ich. Damit schien für uns alle das Gespräch beendet. Tatze starrte kurz vor sich hin, als male er sich alle möglichen Szenarien aus, schüttelte dabei mit dem Kopf. Was letztendlich durch seinen Kopf ging, konnte ich nicht sagen, dass er damit allerdings weit von den tatsächlichen Konsequenzen entfernt war, kann ich erst im Nachhinein sagen.

· · ─────── ·𖥸· ─────── · ·

„Also, Lupin", sprach Bellatrix mich an, hackte sich bei mir unter und lehnte sich gegen meine Schulter, als wir uns gerade von Sirius getrennt hatten, der mich noch einmal gewarnt hatte, Bellatrix den wahren Grund meines Spitznamens zu verraten. Sirius war in seinem Haus verschwunden, hatte mich mit einem Kopfschütteln mit Bellatrix stehen lassen. „Wann verrätst du mir dein dunkles Geheimnis?"

Wieder sahen wir uns an. Ich entschloss, meine Macht, die ich über sie hatte, nun auch auszunutzen. Mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht sagte ich schließlich geheimnisvoll:

„Dafür musst du mit zu mir nach Hause kommen. Uns könnte jemand belauschen."

„Bild dir ja nichts drauf ein, dass ich mitkomme", drohte sie mir, nickte aber einverstanden.

„Nicht doch."

Dann apparierte ich mit Bellatrix zusammen. Kaum, dass wir über die Schwelle meiner Haustür getreten waren, stieß ich die Tür geräuschvoll ins Schloss zurück und wurde dagegen geschubst. Überrascht sah ich Bellatrix an, die vor mir stand, ihre Hände an meinen Schultern. Es passierte automatisch, als ich sie näher zu mir zog, und erst als wir uns so nah waren, dass ich ihre Augen kaum noch scharf sehen konnte, realisierte ich, was gerade passiert war.

„Aber trägst du nicht einen Ehering?", fragte ich verdattert. Bellatrix stieß bloß ein leises Lachen aus, dann überbrückte sie auch noch die letzte Distanz zwischen uns.

· · ─────── ·𖥸· ─────── · ·

An dem Abend habe ich Bellatrix nicht mal erzählt, dass ich ein Werwolf bin. Sie hat nicht weiter nachgefragt. Auch am nächsten Morgen nicht, als sie in meinen Armen aufgewacht ist. So wie sie nie wieder eine Frage über meinen Spitznamen gestellt hat, habe ich nie wieder nach ihrem Ehering gefragt.

Unsere heimliche Affäre geht nun schon seit über einem halben Jahr. Seitdem hat Bellatrix an keinem Abend in der Bar mit Tatze gefehlt und schon gar nicht die Nacht danach bei mir zu Hause. Vielleicht hat sie mittlerweile verstanden, warum wir uns nie treffen, wenn Vollmond ist, vielleicht aber auch nicht.

Heute allerdings hat es nicht an mir gelegen, dass Bellatrix und ich uns nicht gesehen haben. Heute ist sie nicht in der Bar aufgetaucht, wo Sirius und ich uns trotzdem getroffen haben. Irgendwas mit ihrem Mann, mehr weiß ich nicht. Nächste Woche werde ich sie fragen. Aber bis dahin werde ich das freie Wochenende zum Lesen und Lernen nutzen.

Völlig entspannt sitze ich am Kamin, ein Buch in der Hand und restlos vertieft darin, als mir jemand von hinten auf die Schulter klopft. Erschrocken springe ich auf. Dabei fällt mir das Buch aus der Hand. Ungeachtet fällt es zu Boden, direkt vor die Füße eines Fremden, der sich Zutritt zu meinem Haus verschafft hat. Dieser Fremde sieht mich eindringlich an.

Sofort erkenne ich ihn: Es ist der Mann, dem ich im Wald geholfen habe. Damit weiß ich, dass es Voldemort ist, wieder in seiner Gestalt von damals. Angst kriecht mir den Nacken hinauf und setzt sich regelrecht in meinem zitternden Körper fest.

„Remus Lupin", sagt er mit dunkler Stimme und hebt seinen Zauberstab. „Deine Zeit ist gekommen."

„Aber du hast nicht einen einzigen Boten geschickt!", versuche ich mein Leben zu verteidigen.

„Nicht? Ich finde, Bellatrix hat ihren Job ganz gut gemacht."

2239 Wörter

Die Geschichte ist übrigens angelehnt an das Märchen „Die Boten des Todes" von den Gebrüdern Grimm.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top