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„Nora, du wirst gebraucht!“ stürmt Alexander in die Küche hinein. Ich seufze und stehe langsam auf. Mein Blick huscht noch einmal kurz zu Jack. Er sieht angespannt aus und presst seinen Kiefer stark aufeinander. Was in seinem Kopf wohl gerade vorgeht? Ich löse meinen Blick mit einem kurzen Kopfschütteln von ihm und folge Alexander aus der Küche.

„Was ist los?“ Er schaut mich eindringlich an und zieht mich, ohne etwas zu äußern, einfach weiter. Anscheinend ist es etwas Schlimmes...

Als wir vor einer anderen Station eines Patienten ankamen, hielt er an und drehte sich mit einer angespannten Miene zu mir um.

„Dort drinnen ist Thomas. Er ist eben auf zwei Pfleger losgegangen. Er will sich nicht beruhigen lassen, und da du schon einmal mit ihm zu tun hattest, musst du unbedingt helfen.“ Ich nicke und trete vorsichtig hinein.

Thomas sitzt aufrecht im Bett. Sein Blick fixiert mich, er sieht angespannt aus und sein Gesicht ist zu einer Grimasse verzogen, als würde er sich unwohl fühlen. „Nora, du verstehst es nicht... du weißt nicht, was sie tun...“, sagt er leise, aber bestimmt.

„Thomas, was ist denn los?“, rede ich ruhig und bewege mich zu ihm ans Bett. „Du denkst, das hier ist ein sicherer Ort der Heilung, aber da irrst du dich. Die Psychiatrie hier ist nicht ganz das, was du glaubst...“ 
Ich atme einmal tief ein. Das ist nicht gerade das, was ich in diesem Moment gebrauchen kann.

Aber was meint er damit? Nicht ganz das, was ich glaube. Ich verstehe nicht, was er meint. Die Luft hier im Raum wird schwer. Ich arbeite hier seit zwei Monaten, und mir ist noch nie etwas aufgefallen. Hatte er vielleicht Probleme mit einem Pfleger, die in ihm etwas ausgelöst haben?

„Thomas, ich verstehe nicht. Hattest du Probleme mit jemandem, einem Pfleger vielleicht? Du kannst mit mir reden. Was ist denn mit der Klinik? Was sollte ich denn wissen?“ Versuche ich, ihn mit sanfter Stimme und einem leichten Lächeln im Gesicht zu beruhigen.

„Du solltest fliehen, Nora. Die Menschen hier sind nicht das, wofür sie sich ausgeben“, gibt er mit fester Überzeugung von sich. Wie bitte? Ein flaues Gefühl macht sich in meinem Magen breit. Thomas war immer ein Patient, der etwas paranoid war oder öfters halluzinierte, aber heute ist es irgendwie anders.

„Thomas, beruhige dich, okay? Niemand will dir etwas Böses. Wir wollen dir nur helfen. Versuche, dich zu entspannen und vertraue mir.“

Doch kaum habe ich das ausgesprochen, reißt er panisch seine Augen auf und springt alarmiert auf. Seine Hände greifen plötzlich nach meinen Schultern, die er fest packt. Durch die grobe Geste erschrecke ich mich und keuche auf. „Du verstehst nicht, Nora. Ihr alle versteht es nicht. Ihr werdet es bald wissen. Ihr werdet nicht entkommen können“, wird er lauter und immer panischer. Seine Finger krallen sich in meine Schultern, und ich fange selbst an, Panik zu bekommen.

So etwas ist mir noch nicht passiert. Doch plötzlich höre ich mehrere Schritte, die sich uns nähern. „Lassen Sie sie los!“ höre ich Alexanders laute Stimme. Direkt darauf eilen auch zwei Kollegen herbei und reißen mit einem festen Griff Thomas von mir weg.

Thomas wird von den Pflegern in einen Stuhl gedrückt, während sie versuchen, ihn zu beruhigen. Mein Herz pocht wie wild und meine Atmung geht unregelmäßig. Was meinte er mit „nicht entkommen“ und wieso hat er das zu mir gesagt?

„Nora!“ höre ich auf einmal Jack im Flur brüllen. Seine schnellen Schritte hallen im Flur wieder und innerhalb einer Sekunde steht er auch schon bei mir und nimmt mich kurz in den Arm, bevor er sich löst und mich prüfend mustert. „Ist alles okay?“ kommt es nun von Alexander und Jack gleichzeitig wie aus einem Mund. „Ja, ich gehe nur mal was trinken und setze mich kurz hin,“ gebe ich kurz angebunden zurück. Alex nickt einfühlsam und wendet sich damit auch zu Thomas, ehe ich aus dem Zimmer heraus stolpere.

„Hey, ist wirklich alles gut?“ läuft Jack neben mir her. Ich antworte nicht darauf und gehe zurück in die Küche, wo ich mit zittrigen Händen nach einem Glas greife, Wasser auffülle und dieses in einem Zug leer trinke.

„Du siehst nicht gut aus“, sagt Jack schließlich und streckt die Hand aus, als wollte er mich stützen. „Ich glaube, du solltest dich setzen. Komm mit mir.“ Er legt nun stützend seinen Arm um mich und führt mich zu einem Stuhl, in den er mich reindrückt. „Danke, aber es wäre nicht nötig gewesen.“ Ich greife wortlos nach der Tasche, die auf dem Tisch steht, und krame kurz darin, bis ich meinen Übeltäter finde, den ich jetzt brauche.

„Jack, kannst du das Glas bitte wegstellen?“ Er geht wortlos meiner Bitte nach, worauf ich direkt, als er mit dem Rücken zu mir steht, die Beruhigungstablette einnehme und diese direkt nach Einnahme wieder verstaue, sodass niemand etwas davon merkt. Ich hoffe, dadurch beruhige ich mich wieder, bevor ich hier. Selber noch in einer Panikattacke ausarte. Die Situation belastet mich wirklich. Ich fühle mich gerade so, als ob ich nicht mehr klar denken kann.

Naja, gleich müsste es wieder besser werden, und dann kann ich auch wieder konzentriert meiner Arbeit nachgehen.

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