Kapitel 86
Avessa nickte und beeilte sich, den Worten Madam Pomfreys nachzukommen, bevor diese es sich noch anders überlegen konnte. Sie schnappte sich die Schokolade und schlüpfte vorsichtig aus dem Krankensaal, da sie nicht in Professor Snape oder den Minister hineinlaufen wollte.
Doch waren die beiden Zauberer anscheinend bereits Professor Dumbledore hinterher. Nachdenklich sah sie sich um. Wo konnten sie nur hin sein? „Kann ich dir helfen, junge Dame?", fragte eine freundliche, wenn auch leicht blasierte Stimme.
Avessa wandte den Kopf und lächelte. „Sir Nicholas", begrüßte sie den Geist von Gryffindor, der in seiner feinen Robe und der Halskrause wie aus der Zeit gefallen aussah. Nun, das war er ja im Grunde auch. „Nun, ich suche..." Sie krauste die Nase, da sie nicht wusste, ob sie Sir Nick sagen konnte, was sie vorhatte.
Dieser schien genau zu wissen, was in ihrem Kopf vorging und lächelte. „Lassen Sie es sich gesagt sein, Sir Nicholas de Mimsy-Porpington ist immer für die Schüler seines Hauses da! Und nur für diese...", setzte er bedeutungsvoll hinzu und sie konnte nicht anders, als sein schelmisches Lächeln zu erwidern.
„Nun...", begann sie zögerlich und hatte damit die ganze Aufmerksamkeit des Hausgeistes der Gryffindors. „Sie kennen doch sicher Sirius Black..." Sir Nick warf sich in die Brust. „Ob ich ihn kenne? Aber natürlich kenne ich ihn! Großartiger Junge, wenn auch ein wenig rebellisch. Bester Freund von James Potter, Remus Lupin und Peter Pettigrew. Hat angeblich die Potters an Du-weißt-schon-wen verraten..."
Avessa horchte auf. „Angeblich? Glauben Sie nicht, dass er es getan hat?" Sir Nicholas wiegte den Kopf hin und her, der daraufhin zur Seite kippte und von ihm wieder auf den Hals zurückgekippt werden musste. Diese ungewöhnliche Tatsache, dass sein Kopf bei seiner Hinrichtung 1492 nicht ganz vom Hals getrennt worden war, hatte ihm unter den Schülerinnen und Schülern den Beinamen „Der Fast Kopflose Nick" eingehandelt – wovon er ganz und gar nicht begeistert war.
„Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Nein", sagte er und fasste Avessa ins neblige Auge. „Ich weiß, wie das klingt, aber ich kannte die Jungs sehr gut! Und meiner bescheidenen Meinung nach hätte Sirius niemals einem seiner Freunde so etwas angetan." Dann seufzte er.
„Auf der anderen Seite weiß man wohl nie, wie es in den Herzen anderer wirklich aussieht...oder in seinem eigenen...", fügte er leise hinzu und wurde von einem auf den anderen Moment furchtbar melancholisch. Für Avessa ein eigenartiges Gefühl, da die seinen sie sonst nur sehr diffus erreichten und das jetzige doch recht kraftvoll war.
„Ich meine, ich wusste schon immer, dass ich nicht der...Tollkühnste war, dennoch hätte ich eigentlich nicht erwartet, dass ich mich des letzten Schrittes verweigern und die Ewigkeit daraufhin als Geist verbringen würde."
Avessa war neugierig, was er meinte, doch schien es ihr, als drängte für Sirius Black und der Möglichkeit, die Wahrheit über das, was passiert war, herauszufinden, die Zeit. „Uhm...Sir Nicholas, wegen Sirius Black nochmal..." Der Fast Kopflose Nick straffte sich. „Natürlich, natürlich. Sirius. Ein feiner Kerl. Mutig, tollkühn und treu. Er war eher..."
Avessa unterbrach ihn. „So sehr ich an ihrer Meinung dazu interessiert bin, müssten wir das Gespräch vielleicht auf einen anderen Zeitpunkt verschieben", sagte sie entschuldigend. „Ich glaube, Mister Black hat nicht mehr viel Zeit, bevor er nach Askaban zurückgebracht wird."
Sir Nicholas nickte ernst und deutete auf eine Treppe. „Hier hinauf." Er schwebte neben ihr her, als sie die Treppe erklomm und tunlichst nicht nach unten sah. „Ich befürchte allerdings, dass sie für ihn etwas Anderes im Sinn haben, als Askaban...", gab er zu Bedenken und warf ihr einen Seitenblick zu.
Avessa sah stirnrunzelnd zu ihm und nahm mehrere Stufen auf einmal, gänzlich unempfänglich für die Tatsache, dass sie nach oben ging. „Was meinen Sie damit, Sir Nick?" Er nestelte an seiner Halskrause herum, als sei sie zu eng und räusperte sich. „Nun, ich hörte, dass sie nach...Dementoren geschickt haben", entkam es ihm dumpf und Avessa blieb schockiert stehen.
„Nein!", keuchte sie und wusste selbst nicht so genau, warum es sie so traf. Wenn man es genau nahm, kannte sie den Mann doch gar nicht. Und ob er getan hatte, was ihm alle vorwarfen, wusste sie auch nicht. Es war eben nur so ein Gefühl. Dafür ein sehr starkes, das sie entschlossen immer weiter drängte und dem sie aus irgendeinem Grund vertraute.
Wie sie auch Sirius Black vertraute – ebenfalls, ohne einen Grund dafür nennen zu können.
Sie biss die Zähne zusammen und knurrte leise. „Das können sie nicht machen!", ereiferte sie sich und warf ihm einen verzweifelten Blick zu. „Er hat uns gerettet!" Sie Nick sah sie fragend an. „Inwiefern gerettet?", fragte er und Avessa erzählte es ihm. Daraufhin nickte Sir Nicholas und sie spürte, wie zufrieden er war. „Siehst du! Genau das meinte ich. Er ist ein Beschützer und hätte niemals seine Freunde verraten."
Auch Avessa nickte und nach einer weiteren Kurve bedeutete ihr der Hausgeist der Gryffindors leise zu sein. Sie schlichen zur nächsten Abzweigung und lugten um die Ecke. Vor einer recht wehrhaft aussehenden Tür standen zwei Frauen, Ministeriumshexen, vermutete Avessa, da sie sie noch nie im Schloss gesehen hatte. „Das ist ja das Büro von Professor Flittwick", flüsterte sie und der Geist neben ihr nickte. „In der Tat."
Der Anblick entmutigte Avessa ein wenig. Wie sollte sie da reinkommen? Und was sollte sie machen, wenn sie erstmal drin war? Die wage Idee, die Dementoren mit einem Patronus von Mister Black fernzuhalten geisterte durch ihren Kopf, doch konzentrierte sie sich erstmal auf die nun anstehende Aufgabe: In das Zimmer hineinkommen.
Noch während sie verschiedene Szenarien erwog, unter anderem eines, in dem der Fast Kopflose Nick in einem etwas weiter entfernten Gang panisch um Hilfe schreien sollte, ging die Tür auf und niemand Geringeres als Professor Dumbledore trat heraus. Er sah sich kurz um und es schien ihr, als bliebe sein Blick kurz an der Stelle hängen, an der sie durch eine Rüstung lugte.
Doch wandte er sich wieder ab, bevor sie zurückweichen konnte und sagte etwas zu den beiden Hexen. Die beiden folgten ihm nach einem kurzen Blick auf die Tür um die Ecke und Avessa nutzte ihre Chance. Sie sprintete zur Tür und zückte ihren Zauberstab. „Alohomora!", wisperte sie, woraufhin sie hören konnte, wie die Tür entriegelte. Schnell schlüpfte sie in den Raum und schloss die Tür mit einem leisen „Colloportus" auch wieder. Nicht eine Sekunde zu früh, konnte sie vor der Tür die leisen Stimmen zweier Frauen hören.
Dann wandte sie sich um und sah sich Auge in Auge mit dem angeblichen Massenmörder Sirius Black konfrontiert, der sie aus großen grauen Augen erstaunt anstarrte.
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