Kapitel 85
Er erstarrte. Hatte diese freche Göre ihn gerade unterbrochen?! Sein vernichtender Blick glitt über sie. Ihre Magie wirbelte schon wieder wild um sie herum, was in der Dunkelheit besonders eindrucksvoll war, glich sie in Farbe und Intensität sehr dem Mondlicht. Und eben jenes funkelnde Schauspiel, als auch ihr störrisches Verhalten irritierten ihn zutiefst. Oder eher die Tatsache, dass es ihn faszinierte.
Sein Wangenmuskel zuckte, doch hatte er einen Moment zu lange geschwiegen und so sprach sie bereits weiter. „Er hat uns geholfen, Professor Snape! Was auch immer da zwischen ihnen ist, er..."
„Miss Carrow!", donnerte Snape und sein dunkler Blick war so voller Wut, dass sie den Drang verspürte, zurückzuweichen, das konnte er ihr deutlich ansehen. Doch tat sie es natürlich nicht. Stures Ding!
„Wenn Sie nicht augenblicklich ihren Hintern ins Schloss bewegen, werde ich Ihrem Haus soviele Punkte abziehen, dass sie nichtmal mehr wissen, wie Hauspokal geschrieben wird!" Warum tat er es eigentlich nicht längst? Doch hatte ihn der Hass fest im Griff. Der Hass auf Black, Lupin und all die Gryffindors, die immer meinten, sich über Regeln hinwegsetzen zu dürfen.
„Sie sind ganz genauso wie er!", spie er ihr entgegen, auf Black deutend, der rasselnd ein- und ausatmete, als wolle er etwas sagen. Die Augen des Mädchens vor ihm weiteten sich leicht und er hörte ihre schockierten Gedanken, doch bekam er sich nicht in den Griff. „Beide aus einer langen Reihe von Slytherins, beide verhätschelt und so privilegiert aufgewachsen, dass Sie denken, Sie könnten sich alles erlauben!"
∾
Avessa starrte ihn fassungslos an, auch wenn die Wut nicht wich. Wie konnte er es wagen, so mit ihr zu sprechen?!
„Ach, Schniefelus...", erklang schwach eine heisere und doch leicht spöttische Stimme. „Lass das arme Mädchen doch in Ruhe...du bist auf mich wütend und nicht auf sie..." Er hustete und Snapes Zauberstab zuckte. Ein Blitz traf Black, der keuchend zusammensackte. Avessa schrie auf, doch Snape beachtete sie nicht, sondern hatte seinen fast manischen Blick auf den knieenden Mann gerichtet.
„Schweig, Black! Dich erwartet nichts Anderes mehr, als der Kuss der Dementoren!", giftete der sonst so beherrschte Professor für Zaubertränke, der erneut den Stab erhob.
„Professor Snape!", rief Avessa erschrocken und sprang zwischen ihn und Black, der ächzte und „Nicht...", wisperte. „Das bin ich nicht wert..." Avessa achtete gar nicht auf ihn, sondern behielt nur ihren Zaubertranklehrer im Blick, eine Hand abwehrend oder beschwichtigend erhoben. Dieser schien von ihrer erneut sehr gryffindorschen Tat überrascht. Nur so konnte sie sich erklären, warum er sie noch nicht verflucht hatte.
Doch schien er es nun nachholen zu wollen. Er kam sehr dicht an sie heran und knurrte leise. Der Laut ging Avessa durch Mark und Bein und sie schluckte unwohl. „Sie sollten sehr schnell das Weite suchen, Miss Carrow...", drohte er ihr dunkel und sie spürte ihre Magie nervös um sich knistern, die sich, als er eine ruckartige Bewegung mit seiner Zauberstabhand machte, in einen schimmernden Schild entlud, der sie und den Mann hinter sich einhüllte und Snape ein wenig von sich schob.
Sturm loderte in den Augen des Letzteren auf und er umfasste den Zauberstab fester, als... „Severus! Miss Carrow!" Sie wirbelte herum und erkannte Professor Dumbledore, der mit dem Minister für Zauberei die Schlosstreppe hinabschritt. Dieser sah etwas erschüttert von einem zum anderen, während der Schulleiter beschwichtigend eine Hand auf die Schulter des Meisters für Zaubertränke legte.
„Severus", sagte er sanft. „Wie ich sehe, konnten Sie unsere jungen Helden retten." Snape löste endlich den wilden Blick von der Gestalt des jungen Mädchens und sah zu dem Schulleiter. „Helden!", spottete er, besann sich dann aber endlich beim Anblick der zwei älteren Zauberer.
Tief atmete er durch und nickte knapp. „Ich fand sie am See. Alle bewusstlos. Die Dementoren nahmen gerade ihre Plätze am Rand des Geländes ein, sodass ich sie ohne Schwierigkeiten bergen konnte."
Der Minister der Zauberei nickte anerkennend. „Im Angesicht eines Werwolfs und eines Massenmörders eine sehr mutige und heldenhafte Tat." Avessa schnaubte und zog damit die Aufmerksamkeit der Zauberer auf sich.
„Avessa", begann Professor Dumbledore ungewohnt ernst und sie spürte Sorge und Tadel in ihm, wenn sie auch meinte, Verständnis in seinen Augen funkeln zu sehen. „Hatte ich dir nicht gesagt, dass du im Schloss bleiben sollst?"
Sie senkte den Blick und hob eine Schulter, die Arme verschränkt. Dumbledore schmunzelte. „Würdest du bitte den Schild senken, damit wir die drei hineinbringen können?" Avessas Kopf ruckte hoch, als sie sah, dass Professor Dumbledore den Zauberstab zückte, ihn auf Black zu richten. „Aber Sir, er...", setzte sie an, wurde aber von einem eindringlichen blick des Schulleiters zum Verstummen gebracht.
„Sie werden sich nun mit Harry und Hermine in den Krankenflügel begeben, Miss Carrow", sagte der Schulleiter mit sanfter, aber bestimmter Stimme, sodass sie sich nicht zu widersprechen getraute, auch, wenn sie ihn unbedingt von der Wahrheit überzeugen wollte. Aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass er dieser gar nicht so abgeneigt war, wie sie befürchtete.
Dumbledore blickte Minister Fudge an und deutete auf das Schlossportal, ließ Sirius Black, der offensichtlich wieder in eine gnädige Ohnmacht gefallen war, neben sich herschweben und gemeinsam betraten sie alle das Schloss.
Als sie sich dem Krankenflügel näherten, sah sie, wie Black weitergebracht wurde und runzelte die Stirn. Sollte er nicht auch untersucht werden? Na ja, wahrscheinlich wird er das, aber sicher nicht in der Nähe von Schülern. Wohl war. Wahrscheinlich sperrten sie ihn irgendwo ein.
Ihr Blick ging zu Professor Snape und dem Minister für Zauberei, deren Gespräch ihr Magenschmerzen verursachte. Sie schienen sich darin vollkommen einig, dass Black schuldig war und keine ihrer Aussagen würde an dieser Ansicht etwas ändern.
Dennoch musste sie es versuchen. „Herr Minister, wenn ich etwas dazu sagen dürfte?", fragte sie und bemühte sich sehr um einen respektvollen Ton und ein angemessenes Verhalten, da ihr klar war, dass alles andere nur dazu führen würde, dass er nur das Kind in ihr sah. Sie aber wollte, dass er die Carrow erkannte und vielleicht ein klein wenig darauf geben würde, was diese sagte. Zugegeben, etwas unwahrscheinlich, aber einen Versuch wert.
Der ältere Zauberer verhielt im Schritt und lächelte sie mit einem, wie er sicher meinte, väterlichen Lächeln an. „Ja, Miss Carrow? Soll ich Ihren Vater informieren lassen, auf dass er zu Ihnen kommt?" Avessa konnte gerade noch so ein entsetztes „Oh, Salazar, nein!" unterdrücken und schüttelte nur mit einem dankbaren Lächeln den Kopf.
„Das ist sehr freundlich von Ihnen, doch geht es mir gut, sodass mein Vater nicht aus seinen Geschäften gerissen werden muss." Der Minister nickte zustimmend und sah sie dann neugierig an, obwohl sie spürte, dass er sich nicht wirklich für sie oder das, was sie sagte, interessierte. Viel zu sehr war ihm die Genugtuung anzumerken, dass „er" endlich den Massenmörder Sirius Black gefasst hatte.
Avessa räusperte sich. „Es geht um Sirius Black, Sir. Er ist nicht...", begann sie, doch unterbrach ihr Lehrer für Zaubertränke sie direkt, indem er entnervt seufzte und sich an den Minister wandte. „Miss Carrow scheint der irrigen Annahme erlegen zu sein, Black habe ihnen geholfen..."
„Und das hat er auch!", giftete Avessa ihn direkt mit funkelnden Augen an, empört, so unhöflich unterbrochen zu werden. Auch, wenn eine kleine Stimme in ihr flüsterte, dass Professor Snape ein Lehrer war und es vor dem Minister zudem sicher nicht gut aussah, wenn sie diesem keinen Respekt zollte.
Ihre Wangen wurden dunkler und sie senkte kurz den Blick. „Entschuldigen Sie, Professor Snape. Ich wollte Sie nicht so anfahren." Fudge lächelte gönnerhaft und sie beeilte sich, fortzufahren. „Es ist nur so, dass Sie zu dem Zeitpunkt ja bewusstlos waren und nicht mitbekommen haben, was passiert ist..."
Der Minister ließ Snape nicht zu Wort kommen, sondern wandte sich direkt an Avessa. „Das mag alles sein, Miss Carrow. Es ändert jedoch nichts an den Taten, die er vor dreizehn Jahren begangen und deretwegen er in Askaban gelandet ist. Dem Gefängnis, aus dem er widerrechtlich ausgebrochen ist, um Harry Potter zu töten."
„Aber dann hätte er es doch getan!", rief sie und biss sich auf die Lippen, die Finger im Umhang verkrampft. „Er war doch direkt neben ihm, als ich auf die Gruppe traf! Er, Hermine und Harry sind doch zusammen gegangen. Und sie haben gelächelt. Es war keine gefährliche Si-„
Doch hatte der Minister genug gehört. „Madam Pomfrey sollte sich um dich kümmern, Kind. Du scheinst recht verwirrt. Vielleicht ein Schock?", sagte er abwesend und deutete Madam Pomfrey, sich auch Avessas anzunehmen.
Natürlich war die Heilerin direkt zur Stelle und scheuchte sie in den Krankenflügel, in dem schon Harry und Hermine in Betten verfrachtet worden waren. „Leg disch 'in", ordnete sie an und wuselte davon, einige Tränke oder Ähnliches zu holen, wie Avessa vermutete.
Sie setzte sich auf das Bett neben Hermine, weigerte sich aber, sich hinzulegen. Ihr Blick glitt von Hermine und Harry zu Ron, der auf einem Bett gegenüber lag und ebenfalls zu schlafen schien und als die Heilerin zurückkam, stand sie direkt wieder auf.
„S'il vous plaît, Madame", begann sie mit bettelndem Blick. „Mir geht es gut. Ich war nur durch Zufall am Schlossportal, als alle wiederkamen. Dürfte ich eventuell zu der Eulerei, dass ich meinem Vater schreiben kann, dass es mir gut geht? Ich nehme an, der Minister wird seinen Sieg im Ministerium schnell verkünden und wenn mein Vater davon hört, macht er sich eventuell Sorgen."
Madame Pomfrey sah sie ein wenig abwesend an, richtete dann den Zauberstab auf Avessa und murmelte einen Spruch. Dann nickte sie und wandte sich wieder Harry und Hermine zu. „Sie sind nur ein wenig von innen unterkühlt. Sowas kann dursch die Nä'e von Dementoren ausgelöst werden. In meinem Büro liegt ein wenig Chocolat. Essen Sie die, dann dürfen Sie ge'en. Isch 'abe wahrlisch genug zu tun."
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