Kapitel 78
Glücklicherweise hatte Professor Flittwick ihre Entschuldigung angenommen und ihr lediglich aufgetragen, den Stoff nachzuholen, was aber bei ihrem „bisherigen Talent und Fleiß kein Problem darstellen sollte".
George und Fred hatten natürlich direkt zugestimmt, einen der Tränke am kommenden Tag mit in den Zaubertrankunterricht zu nehmen und für ihren auszugeben, doch Lee hatte eingewandt, dass Professor Snape es doch sofort herausfinden würde, dass sie geschummelt hätten. „Er sieht doch, was ihr im Unterricht fabriziert. Und dann plötzlich einen perfekten Trank abgeben? Ich weiß ja nicht. Damit macht ihr ihn nur drauf aufmerksam, dass etwas im Busch ist."
Avessa und die Zwillinge tauschten einige Blicke und seufzten dann, hatte Lee definitiv recht. Dieser sah Avessa an. „Warum hast du den Trank überhaupt gebraut?", fragte er neugierig und als Avessas Wangen ein wenig dunkler wurden, blickte er amüsiert zu den Zwillingen. „Na kommt, was verschweigt ihr mir?" Die Zwillinge sahen Avessa an und sie seufzte erneut.
„Ich...ich habe Höhenangst...", nuschelte sie und schien damit bei Lee einige Verwirrung hervorzurufen, bevor es deutlich ‚Klick' machte. „Ah, jetzt fällt der Knut! Deswegen schaust du keine Spiele! Und mit dem Trank kannst du!", rief er und Avessa wedelte verärgert mit der Hand vor seinem Mund. „Shhhhh!", machte sie. „Das muss nicht jeder wissen, okay?" Lee nickte und lächelte entschuldigend.
„Aber das ist doch nichts Schlimmes, Silver", meinte er dann locker. „Jeder hat irgendwelche Dinge, die er nicht so gut kann." Avessa sah ihn an und wieder mal zog Erstaunen durch sie, dass er nicht lachte, oder sie deswegen aufzog.
Fred und George grinsten zufrieden. "Haben wir dir auch schon gesagt, Silver." Sie nickte. "Jaja, ich weiß..." Sie dachte nach und machte dann eine unwillige Geste mit der Hand. „Ach und ich muss ihn nicht testen lassen. Der Trank ist gelungen, da gibt es keinen Zweifel." Erneut nickte sie diesmal bekräftigend, und damit war das Thema erledigt.
Der Rest der Woche verging wie im Flug und als sie am Morgen des Spiels aufwachte, wurde ihr bewusst, dass sie schon länger als das erforderliche halbe Jahr an der Schule und damit bei den Gryffindors war. Die von ihr prophezeiten Unruhen waren ausgeblieben. Und im Gegensatz zu ihren Erwartungen, fühlte sie sich sehr wohl unter den Löwen und konnte sich kaum mehr vorstellen, das Haus zu wechseln.
Aber musste sie das denn überhaupt? Ihr Vater hatte akzeptiert, wo sie nun war und das allein zählte. Zumal Dumbledore sie sicher nicht wechseln lassen würde, selbst wenn sie ihn fragte. Und wenn sie ehrlich war, hatte sie nicht vor, es zu tun. Diese Entscheidung nun so bewusst zu treffen, nahm ihr eine Last vom Herzen und so stand sie mit einem breiten Lächeln auf.
Die Gryffindors waren völlig aus dem Häuschen, da heute endlich das Spiel anstand. Die ganze Woche schon hatten sie sich noch übler mit den Slytherins in den Haaren gehabt als sonst. Ganz Hogwarts schien in Kampfesstimmung zu sein und die Feindschaft zwischen den Häusern der Löwen und der Schlangen generell und zwischen Harry und Draco im Besonderen, loderte so hell wie nie.
Avessa fand beide albern. In Durmstrang hatte es diese blöde Feindschaft unter den Schülern nicht gegeben und sie musste ehrlich zugeben, dass sie nicht verstand, wie die Professoren das auch noch schüren und unterstützen konnten. Denn das taten sie, auch wenn Professor McGonagall ihr gesagt hatte, dass alle Häuser ihre Vorteile hatten und keins besser war, als das andere.
Dennoch tat sie nichts dagegen, dass dieser krasse Kampf tobte. Manchmal hatte Avessa das Gefühl, dass man in dem Moment, in dem man ein Gryffindor wurde, aus Prinzip die Slytherins hassen musste. Und andersrum. Dass sie selbst mittlerweile mit Draco eine lockere, naja, nicht unbedingt Freundschaft, aber zumindest keine Feindschaft mehr verband, hatte ihr mehr als nur einen unwilligen Blick einiger Löwen eingehandelt.
Und Vorwürfe von Ron. Immer wieder sprach er sie während sie für Seidenschnabel recherchierten darauf an und konnte überhaupt nicht verstehen, wie sie auch nur ein gutes Haar an einem Slytherin lassen konnte.
Nun war der Tag des Spiels endlich da und Avessa war erleichtert, konnte sie die ständige Nervosität und Aufregung aus allen Ecken kaum noch ertragen. Dennoch musste sie zugeben, dass auch sie gespannt war, wie es ausgehen würde – und, dass sie auf einen Sieg ihres Hauses hoffte. So ganz frei von Konkurrenzdenken unter den Häusern war sie wohl auch nicht.
Beim Frühstück konnten die Spieler kaum etwas essen und Harry sah aus, als habe er gar nicht geschlafen. „Was ist, Avessa, kommst du heute mit?", fragte Hermine und Ron nickte begeistert. „Ja, Avessa, komm schon. Das ist das wichtigste Spiel des Jahres!"
Avessa tauschte ein verschwörerisches Grinsen mit den Zwillingen und nickte. „Aye, ich komme mit!" Aufregung durchzuckte sie und Freude, als sie eben die auf den Gesichtern ihrer Freunde sah. Lee legte einen Arm um sie. „Klasse, Avessa, du wirst sehen, es wird dir so sehr gefallen, dass du nie wieder ein Spiel verpassen wirst!" Er zwinkerte ihr zu und sie lächelte, doch zog sie da bereits Fred aus dem Arm seines Freundes.
„Nanana, Jordan...", kam es von George, der sich auf Avessas andere Seite stellte. Diese rollte mit den Augen und folgte der Mannschaft aus der Großen Halle, ein aufgeregtes Lächeln auf den Lippen, ob der ganzen freudigen Erregung und Nervosität aller um sie herum.
"Und denk dran, fang den Schatz auf keinen Fall, bevor wir nicht mindestens sechzig Punkte vorne liegen...", hörte sie die Stimme von Oliver Wood neben sich, der Harry anblickte und sie konnte nicht anders, als mit allen anderen "...Sonst gewinnen wir zwar das Spiel, verlieren aber den Hauspokal." im Chor zu intonieren.
Alle lachten - bis auf Wood natürlich, der jeden böse ins Auge fasste. "Das ist eben sehr wichtig!"
Sie kamen gutgelaunt die Schlossgründe hinab zum Quidditchfeld und das Kribbeln in Avessas Magen wurde immer heftiger. Ihre kalten Finger krallten sich um die Phiole in ihrer Umhangtasche und sie ließ sich etwas zurückfallen, um so spät wie möglich den Trank zu nehmen. Wer wusste schon, wie lange das Spiel dauern würde?
Die Zwillinge wurden ebenfalls langsamer. "Na, kalte Füße?", fragte Fred und sein sanfter Tonfall ließ sie lächelnd den Kopf schütteln, statt ihn anzufauchen. "Nein, aber ich will nicht mitten im Spiel plötzlich bemerken, dass der Trank nicht mehr wirkt."
George musste lachen. "Das wäre in der Tat nicht gut." Avessa war zu aufgeregt, um ihm einen vernichtenden Blick zuzuwerfen und nickte nur. George lächelte. "Keine Bange, Silver, das letzte Mal hielt er mehr als drei Stunden, das reicht locker." Fred nickte zustimmend und riss dann die Augen auf. "Wenn das Spiel schnell vorüber ist, können wir dich danach kurz fliegen lassen. Also bevor wir bis zum Umfallen feiern."
Avessa, die sich das zu diesem Zeitpunkt nicht im mindesten vorstellen konnte, verzog zweifelnd die Miene, sodass die Brüder lachen mussten. "Das wird schon, Silver. Lass den Trank mal machen." Sie schlossen zu den anderen auf und wollten gerade die Wege zu Tribüne und Umkleide einschlagen, als ein Ruf ertönte.
"Avessa!"
Sie drehte ihren Kopf und sah ihren Bruder Elijah in voller Montur im Durchgang zum Quidditchfeld stehen. Ihre Augen weiteten sich. Was machte er... Er spielt Quidditch für Slytherin, du Idiotin! Wie hatte sie verdrängen können, dass er heute ebenfalls spielen würde?! War sie dumm?!
Entsetzen machte sich in ihr breit, als ihr klar wurde, dass er sich sicher wundern dürfte, warum sie plötzlich keine Höhenangst mehr hatte. Ihre Kehle wurde trocken. Sie wandte sich an die Zwillinge und die anderen.
"Geht ihr ruhig schonmal, ich komme nach. Und euch drei viel Erfolg!" Sie warf Harry, Fred und George ein Lächeln zu, bevor sie endlich zu ihrem Bruder hastete, der ihr ungeduldig entgegensah.
Mit Unwillen sah er zu den Löwen, die sich eher zögerlich abwandten und schüttelte dann seufzend den Kopf, bevor er sie mit einem leichten Lächeln betrachtete. "Du bist echt mit denen befreundet, hm?", fragte er, klang aber eher resigniert, als wütend.
So hob Avessa nur leicht eine Schulter, immer noch auf der Hut. "Ja, Eli, das bin ich...irgendwie." Ihr Bruder musste lachen. "Du hörst dich ebenso überrascht an". Sie lächelte scheu, war ihr seine Laune suspekt.
Das schien auch er zu merken, denn er sah schnell das Feld hinab. "Okay, ich muss eigentlich schon unten sein. Aber als ich dich gesehen habe..." Er zögerte, bevor ein Ruck durch ihn ging. "Es tut mir leid", sagte er und sah sie an, die ihm einen erstaunten Blick zuwarf. "Was...", begann Avessa.
"Das zu Hause. Ich... Es ist mit mir durchgegangen. Ich wollte dich nicht... Doch, wollte ich. Aber es tut mir leid, dass ich es wollte. Und, dass ich es getan habe. Dich geschlagen", setzte er hinzu und musste bei Avessas kugelrunden Augen grinsen. "Salazar, Vessa, du bist doch sonst so schlau."
Sie blinzelte und nickte. "Ja, ich... Ich denke, das habe ich nur nicht erwartet...", sagte sie leise und spürte, wie ihr Inneres warm wurde. Ihr Bruder hatte sich entschuldigt. Bei ihr. Und er meinte es ernst. Ein strahlendes Lächeln legte sich auf ihre Miene, das Elijahs Grinsen etwas verlegen machte. Aber auch zufrieden.
Erneut sah er das Feld hinab. "Ich weiß, du bist nicht meinetwegen hier, aber... Es freut mich dennoch, dass du endlich mal ein Spiel von mir sehen wirst." Er zwinkerte ihr zu und sie lachte leise, wenn auch immer noch völlig irritiert von seiner Art. Er war wie früher. Bevor die Brüder alles, was in ihrem Leben schlecht lief, ihrer Schwester anlasteten.
Dann sah Elijah sie prüfend an. "Wieso kannst du es überhaupt?" Avessa errötete und hob die Schultern. "Oh, ach... Ein Aufmunterungszauber...", sagte sie ausweichend und ihr Bruder lachte. "Der wäre zum einen nicht stark genug für das, was du hast und zum anderen kannst du immer noch nicht lügen, Schwesterchen. Also?", fragte er neugierig, doch mit der typischen Festigkeit in der Stimme, die deutlich machte, dass er absolut davon ausging, das Recht zu haben, es zu wissen.
Avessa seufzte und zeigte ihm die Phiole. "Trank des Friedens", erklärte sie und Elijah pfiff durch die Zähne. "Nicht schlecht, Schwesterchen. Nicht schlecht. Von Snape?" Avessa schnaubte. "Als ob der mir sowas geben würde." Ihr Bruder grinste. "Stimmt. Also?" Avessa zuckte mit einer Schulter und reckte das Kinn. "Selbstgemacht."
Staunen und Respekt zeigten sich auf Elijahs Miene. "Na, hoffentlich bist du so gut, wie Snape zu Vater sagte. So, ich muss los, sonst fangen die ohne mich an. Viel Spaß Avessa. Und lass den nicht Alaric sehen." Er deutete auf den Trank und zwinkerte ihr nochmal zu, rannte dann das Feld hinab zu den Umkleiden.
Avessa sah ihm noch einen Moment lächelnd nach, bevor sie sich auf den Weg in Richtung Tribünen machte. Zwar war sie zutiefst verwirrt von Elijahs Verhalten, doch war ihr zeitgleich so leicht ums Herz, dass sie fast meinte, den Trank überhaupt nicht zu benötigten. Naja... Fast...
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top