Kapitel 76

Erst einmal mussten sich George und Fred wirklich keine Sorgen um Avessa machen. Nachdem die Zwillinge ihr das Buch mit einer feierlichen Geste übergeben hatten, waren sie vorerst abgemeldet, da sich Avessa direkt in eine Ecke verzog und sich dem Rezept widmete.

Ihr Finger fuhr die Zutatenliste entlang und ein zufriedenes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Die meisten Zutaten hatte sie und die anderen gab es in den Laboren. Sie musste nur beim nächsten Unterricht etwas davon einstecken. Das würde sie schon schaffen.

Dann sah sie nachdenklich ins Feuer. Sie hatte erst am Donnerstag Zaubertränke. Wenn sie dann erst den Trank aufsetzen würde, würde er nur rechtzeitig zum Spiel fertig werden, wenn sie ihn direkt richtig machte. Sicherlich würde sie das tun, aber ein Restrisiko blieb. Daher wäre es besser, die Zutaten schon direkt Morgen zu haben.

Frustriert stieß sie Luft aus der Nase aus und ließ das Buch sinken. Sie musste mit George und Fred reden, vielleicht hatten sie eine Idee. Dass diese Idee wahrscheinlich den Einbruch in Snapes Räumlichkeiten oder die Labore selbst beinhalten würde, ignorierte sie gekonnt und klappte das Buch zu. Vielleicht hatten die beiden ja die benötigten Zutaten.

„Nein, Silver, leider nicht." Fred hob entschuldigend die Hände und sie seufzte, das Buch umklammernd. „Mist. Das wäre so gut gewesen. Ich würde am Liebsten heute Abend noch anfangen. Aber ich habe kein Mondsteinpulver mehr. Alraune, Nieswurz und Einhornhorn habe ich noch und Stachelschweinstacheln auch. Nur der Mondstein fehlt."

Fred warf George einen Blick zu und schmunzelte. „Dann sollten wir dir wohl helfen, hm?", meinte er gönnerisch und erhob sich zeitgleich mit George, der nickte und Avessa in einen Sessel drückte. „Warte hier, dann kannst du so tun, als wüsstest du von nichts, wenn wir erwischt werden", sagte er mit einem theatralischen Seufzen und wollte sich mit Fred auf den Weg nach draußen machen.

Doch hatten die beiden ihre Rechnung ohne Avessa gemacht, die direkt wieder aufstand und das Buch in ihre Tasche steckte. „Vergesst es. Ich brauche das Pulver, also werde ich definitiv dabei sein."

Abenteuerlust blitzte in ihren Augen auf, was die beiden einen verschmitzten Blick tauschen ließ. „Ich mag es, wenn sie böse ist", sagte Fred und George nickte. „Oh, durchaus. Wir haben wohl einen schlechten Einfluss auf sie."

Freds Grinsen wurde breiter. „Das lass mal ja nicht ihre Brüder hören", lachte er und Avessa zog eine Grimasse. „Lasst die am besten mal aus dem Spiel. Wenn die mich bei sowas erwischen..." Sie wurde blass und George legte einen Arm um ihre Schultern. „Keine Bange, Silver. Genau aus dem Grund bleibst du ja hier. Wir wissen, wie wir unbemerkt..."

Fred unterbrach ihn. „Je weniger sie weiß, desto besser", beschied er und George nickte. „Du bist so weise, wie du gutaussehend bist, Freddie." Sie grinsten sich an und wollten sich abwenden, als Avessa sie erneut aufhielt, die Arme in die Seiten gestemmt. „Vergesst es! Ihr begebt euch meinetwegen sicher nicht alleine in Gefahr!"

Die Zwillinge sahen sich an und seufzten gerührt. „Naaaw, du bist so süß, Silver", gurrte Fred und George nickte. „Wirklich lieb, aber ohne dich kommen wir eh schneller voran." – „Ja, wir wissen, wie man sich unbemerkt durch die Schule schleicht und..." – „...an Orte kommt, an die man eigentlich nicht sollte", beendete George ihren Satz, ohne zu genau zu werden.

Avessa schnaubte und reckte hoheitsvoll ihr Kinn. „Ich bin schon sooft nachts unterwegs gewesen, dass..." Doch schnitten ihr die Zwillinge das Wort ab und sahen ungewöhnlich ernst aus. „Avessa, wir meinen es ausnahmsweise mal ernst", sagte Fred. „Ja, wir werden allein gehen", setzte George hinzu und strich ihr über den Kopf, was sie fauchen und die Brüder grinsen ließ.

„Und nun lass uns endlich los." Diesmal verschwanden sie, ohne, dass Avessa sie aufhielt, die ihnen empört nachsah. Die beiden konnten sowas von vergessen, dass sie sie allein gehen ließ! Sie konnte ihnen helfen! Erspüren, ob jemand in der Nähe war, zum Beispiel. Gut, das wussten sie nicht, aber, dennoch...auch ohne Empathie war sie hilfreich!

Ginny schlenderte zu ihr und sah auf das Portraitloch, das sich gerade hinter den Zwillingen schloss. „Du siehst sauer aus, Avessa. Was haben die beiden denn getan?" Das ‚schon wieder' schwang in ihrer Frage mit und Avessa musste schmunzeln. Dann aber seufzte sie frustriert und warf Ginny einen kurzen Blick zu, unsicher, ob und was sie sagen sollte.

„Ach, sie...sie wollen etwas für mich...besorgen und...lassen mich nicht mitgehen", sagte sie ausweichend und Ginny lächelte verschmitzt. „Das klingt nicht ganz legal", meinte sie und hob eine Hand, als Avessa protestieren wollte. „Wir reden hier von meinen Brüdern, Avessa. Ich kenne sie. Wenn sie nicht wollen, dass du mitkommst, ist es etwas, bei dem sie Ärger bekommen können."

Avessa nickte leicht und seufzte. „Und deswegen wollte ich sie nicht allein gehen lassen, Ginny. Wenn sie Ärger bekommen, dann ist es meine Schuld." Ginny schnaubte und zuckte mit den Achseln. „Sie sind schon groß, Avessa. Und entscheiden für sich selbst. Du müsstest sie nicht anstiften zu sowas, das machen die schon von sich aus."

Dann grinste sie breiter. „Und sie mögen dich. Sehr sogar." Avessa wurde rot bei dem leicht schmachtenden Tonfall der Zwölfjährigen und zog eine Schulter an, wusste aber nichts zu erwidern. Zum Glück enthob sie Ginny dieser Notwendigkeit, die sie kichernd betrachtete. „Ich finde das voll süß. Ich habe sie echt noch nie so erlebt. Also nimm an, dass sie etwas für dich tun wollen. Du kannst es eh nicht verhindern. Es sind Fred und George."

Sie zwinkerte Avessa nochmal zu und ging dann die Treppe hoch zum Schlafsaal. „Gute Nacht, Avessa." Das blonde Mädchen sah der kleinen Rothaarigen hinterher und hob eine Hand. „Gute Nacht, Ginny. Schlaf gut...", setzte sie murmelnd hinzu und machte es sich dann vor dem Kamin gemütlich, über Ginnys Worte nachzudenken.

Sie durfte die beiden vielleicht nicht begleiten, aber sie würde hier auf sie warten!

Lange warten musste sie nicht, da kamen die beiden schon wieder herein und grinsten breit, als sie sie sahen. Mit einer Verbeugung überreichten sie ihr ein Beutelchen, in dem eindeutig Mondsteinpulver war, das erkannte sie an dem leichten Glitzern auf dem Stoff.

„Und nun schau nicht so verkniffen, Silver", ordnete Fred an. „Ja, es ging so viel schneller. Fred und ich sind aufeinander eingestellt", bekräftigte George und zwinkerte ihr zu. „Wir wollten dich eben auch nicht in die Gefahr bringen, dass Snape dich dabei erwischt", sagte er achselzuckend.

„Ja, es wird ja schon schwer genug zu erklären, warum du plötzlich und ohne einen Trank von ihm beim Spiel zuschauen kannst." Avessa sah Fred betroffen an. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. „Shit, du hast recht!" Ihre offensichtliche Bestürzung ließ die Brüder lachen und Fred wuschelte ihr durchs Haar, die Hand schnell wegziehend, als sie danach schlug.

„He, nicht immer diese Gewalt", witzelte er und lächelte dann. „Sag einfach, du hast einen Aufmunterungszauber benutzt", schlug er dann vor. „Jaah, wenn er dich überhaupt anspricht", setzte George hinzu und sie nickte langsam, an ihrer Unterlippe kauend. „Ja, es...es geht ja auch eigentlich keinen an...", sagte sie schwach und sah dann nochmal auf das Beutelchen.

Glückliche Aufregung durchfuhr sie und sie sah strahlend zu den beiden Jungs auf, die sie dann spontan in eine feste Umarmung zog, sodass die beiden rechts und links von ihr ächzten. „Danke Euch", raunte sie und gab dann jedem von ihnen einen Kuss auf die Wange, bevor sie herumwirbelte und in Richtung Schlafsaal huschte.

„Bis Morgen, Jungs!", rief sie von der Treppe und verschwand. Fred und George sahen ihr einen Moment nach, dann grinsten sie sich ein wenig dümmlich an. „Hat sich doch gelohnt, ihr das Pulver zu besorgen", meinte George und Fred nickte. „Eindeutig." Dann reckte er das Kinn. „Mich hat sie übrigens fester gedrückt..." George schnaubte, als sie in Richtung ihres eigenen Schlafsaals gingen. „Dafür hat sie mich viel inniger geküsst..."


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