Kapitel 69
Seine schwarzen Augen folgten der jungen Carrow aus dem Raum. Der Tag war bisher nicht so schlimm, wie er befürchtet hatte, was natürlich an ihrem sehr abwechslungsreichen Verhalten lag, das ihn gleichsam erstaunte wie amüsierte.
Bereits, als sie den Raum betreten hatte, hatte er gewusst, dass es ein interessanter Tag werden würde, schien die junge Miss Carrow nicht gewillt, ungehört zu bleiben. Sich derart über die Wünsche ihres Vaters hinwegzusetzen und ihren Standpunkt rein durch die Kleidung klar zu machen, nötigte ihm ungewollt Respekt ab.
Insbesondere, weil es offensichtlich war, wie nervös sie war. Nun, offensichtlich für ihn. Sie war aufgewühlt und ihre Stimmung, ihre Gedanken, wurden immer wütender und erreichten alsbald einen Tiefstand, doch ihrem Gesicht war fast nichts anzusehen. In so jungen Jahren bereits eine so gute Maske zu haben, war ungewöhnlich.
Doch schien diese in letzter Zeit immer stärker zu bröckeln. Er hatte sehr wohl bemerkt, wie sehr sie seine Worte bei ihrem letzten Zusammentreffen getroffen hatten und er hatte sich schnell von ihrem blassen Gesicht und den großen starren Augen abwenden müssen, in denen Tränen und Unsicherheit gestanden hatten. Denn er hatte gespürt, wie ihre Verletzlichkeit ihn erreicht hatte und den Bruchteil einer Sekunde hatte er nicht mit Sicherheit sagen können, dass er sich nicht entschuldigen und sie trösten würde.
Nach dem Essen hatte er sich innerlich schmunzelnd auf die Couch gesetzt, die Beine überschlagen und gespannt darauf gewartet, dass Avessa ihre Gedanken und Emotionen nicht mehr zurückhalten konnte. Es war amüsant zu beobachten, wie sie von ihnen überschwemmt wurde. Sie, die nie wirklich gelernt hatte, mit ihnen umzugehen.
Er hatte gesehen, wie es in Lucius Augen gefunkelt hatte, wusste er ziemlich genau, dass es seinen Freund beeindruckte, wie sie sich Gehör verschaffte, ebenso wie ihn, doch war es Snape auch klar, dass Lucius ganz anders reagiert hätte, wenn Draco sich derart verhalten hätte. Und das, obwohl er sich wünschte, dass Draco zu einem starken Charakter heranwuchs.
Zu sehen, wie Lucius schon zuvor geschwankt hatte zwischen Vergnügen und Empörung über die sehr freie Meinungsäußerung der kleinen Gryffindor, war ihre Gedanken ihn betreffend wert gewesen, fand er persönlich es zudem interessant, dass sie die Szene im Zaubertrankunterricht noch so präsent vor Augen gehabt hatte...er selbst hatte da gar nicht mehr dran gedacht.
Nun, Avessa schien trotz aller familiären Schwierigkeiten, einen starken Willen zu haben und ihr Vater war ihr gegenüber auch recht entgegenkommend. Dennoch sah Aaron erst nicht danach aus, als würde er ihren Ausbruch einfach akzeptieren und so hatte er eingegriffen. Er wusste, Aaron brauchte einen Moment, sich zu sammeln und so hatte er die Heilung seiner Tochter übernommen.
Erneut waren mit ihr nicht nur die Emotionen, sondern auch die Magie durchgegangen, denn ihren Zauberstab hatte sie nicht dabeigehabt, da war er sicher, kannte er die Gepflogenheiten im Hause Carrow, an die die Kinder sich zu halten hatten.
Ihre Hand war ungewöhnlich kalt gewesen und bestätigte ihm, dass der Ausbruch sie Kraft gekostet hatte, die zum Teil aus dem Körper gespeist wurde und es reizte ihn immer mehr, mehr über ihre Art der magischen Verbindung herauszufinden. Zumal sie stark auf den Heilungszauber reagiert hatte, den er praktisch kaum ausführen musste, da war sie schon geheilt gewesen.
Die Gedanken, die sie in dem kurzen Moment durchfuhren und ihr fast verträumtes Lächeln, hatten auch ihn zum Schmunzeln gebracht, war es, wie er zugeben musste, erhebend, eine so offensichtlich positive Wirkung auf jemanden zu haben – vor allem, weil er es nun wirklich nicht darauf anlegte und sie ihm an diesem Tag schon die unterschiedlichsten wütenden Gedanken zugedacht hatte.
Nun verließ sie mit den anderen Jugendlichen den Raum und er runzelte leicht die Stirn, Aaron entgegenblickend, der lächelnd zu ihnen zurückkam. „Wolltest du etwas Besonderes mit uns besprechen, Aaron?", fragte auch Lucius, doch Aaron setzte sich nur mit einem breiten Grinsen hin und rief einen Hauselfen, ihn nach einer Flasche seines besten Feuerwhiskeys zu schicken.
„Nein, meine Freunde...ich wollte nur eine Weile die Kinder loswerden. Verzeiht, dass meine Jüngste derart dramatisch war. Ihr fehlt sicher eine Mutter, mit der sie über...nun...all den Mädchenkram reden kann. Ich bin da, so leid es mir tut, nicht der Richtige für."
Snape grinste leicht. „Nicht wirklich, Aaron, nein...aber ich denke, auch eine Mutter würde da nicht viel bringen...sie ist in der Pubertät." Aaron sah ihn stirnrunzelnd an. „Bitte...sie ist noch ein Kind!" Lucius lachte. „Helena war nur ein Jahr älter, als du sie geschwängert hast", sagte er stichelnd und lachte über den schockierten Ausdruck auf Aarons Gesicht und auch Snape schmunzelte.
„Lucius! Das...das war etwas Anderes. Eine andere Zeit. Avessa ist noch klein." Snape konnte nicht anders, als in seinen Whiskey zu schauen, den er leicht schwenkte und mitzusticheln. „Nun, ich habe gehört, dass sie die meiste Zeit mit Jungs verbringt. Die Weasley-Zwillinge sind immer in ihrer Nähe zu finden."
Lucius grinste diabolisch und nickte zustimmend. „Und du weißt, Aaron, Gryffindors haben es nicht so mit Etikette und nötigem An- und Abstand..." Snape lachte dunkel auf und Aaron knirschte mit den Zähnen. „Die Weasleys?!", fragte er und deutliche Verachtung und Ekel schwangen in seiner Stimme mit.
Snape nickte langsam und nahm einen Schluck. „Nun, wie soll sie ihnen entkommen? Es sind alles Gryffindors und...was weiß ich, wie viele. Aber mach dir keine Sorgen, sie sind in einem anderen Jahrgang..." Dann entschied er, das Thema zu wechseln.
„Du sagtest, Ihr habt einen Kräutergarten?" Aaron lächelte stolz. „Oh ja, er ist exquisit. Avessa hat ihn angelegt, nachdem sie mir die Erlaubnis dazu aus dem Kreuz geleiert hatte...Wie ich sagte, ist Zaubertränke eben ihre Passion." Ein sanftes Lächeln lag auf den Zügen des sonst eher strengen Mannes und Snape nickte, sich erhebend.
„Und sie hat ein außergewöhnliches Talent dafür, Aaron. Offensichtlich und dankenswerterweise für mich, hat sie das Talent deiner Tante geerbt. Wenigstens eine Carrow, die es, wenn sie so weiter macht, in meinen UTZ Kurs schafft. Aber nun würde ich mir den Garten gern ansehen, wenn du erlaubst?", fragte er mit seiner üblichen sachlichen Stimme.
Aaron winkte lässig mit der Hand. „Aber sicher, Severus. Ich weiß, dass du diese eigenartige Leidenschaft mit meiner Tochter teilst. Geh nur, vielleicht sind die Kinder noch da, dann kann dir Avessa alles zeigen."
Er ging aus dem Salon und ließ sich von einem Hauselfen den Weg hinaus zeigen. Hinter dem großen Wintergarten ging es in einen riesigen wunderschön angelegten Garten, eher eine Parkanlage, ebenso wie bei den Malfoys. Nur war dieser...strukturierter, schlichter in seiner Imposanz als der der Malfoys, in denen weiße Pfauen umherliefen und Narzissa ihren ganz eigenen Geschmack an Farben auslebte – natürlich durch die Arbeit von Elfen.
Es würde ihn interessieren, ob Avessa es selbst tat. Als er den Elfen danach fragte, verneigte dieser sich tief und nickte. „Oh ja, Mister Snape, die junge Mistress lässt uns da nicht helfen, sie sagt, die Kräuter und Pflanzen seien an sie gewöhnt." Snape meinte Unverständnis und Tadel herauszuhören und schmunzelte. Er wusste aber, was Avessa meinte.
Schnell fand er hinter einem Pavillon, der als Eingang diente, den kleinen Kräutergarten, auch wenn er gar nicht so klein war und schlenderte hindurch. Mit jedem Schritt wuchs sein Erstaunen, war der Garten unglaublich umsichtig angelegt worden und mit sehr erlesenen Kräutern und Pflanzen ausgestattet. Sein Respekt vor der kleinen Carrow wuchs, hatte sie offensichtlich sehr genau gewusst, was sie da tat und dabei nicht nur auf passende Licht- und Temperaturverhältnisse geachtet, sondern auch auf die Synergien unter den Pflanzen und Kräutern.
Einige vertrugen sich nicht und andere wuchsen in der Nähe von dritten wiederum viel besser und wie es schien, hatte Avessa sogar ein wenig selbst experimentiert. Wie im Unterricht auch, schien sie ein intuitives Verständnis für das Wesen der Zutaten und Kräuter zu haben. Eine Bewegung im Augenwinkel ließ ihn aufblicken.
Avessa und Draco waren in den Pavillon getreten, der mit wunderschönen Ranken besetzt war. Das Mädchen setzte sich und Draco lehnte sich grinsend an einen Balken. „Na, was ist? Erschöpft?" Sie stieß einen kurzen Lacher aus und strich sich das Haar aus dem Gesicht, von dem sich immer wieder ein paar golden und silbrig aufblitzende Strähnen in ihr Gesicht verirrten.
„Wärst du das nicht?", fragte sie ihn und er verzog nachdenklich den Mund. „Ja, wahrscheinlich schon." Dann grinste er. „Ich habe eigentlich die ganze Zeit damit gerechnet, dass Leute vom Ministerium das Anwesen stürmen würden." Avessa lachte leise. „Ja, ich auch...warte...warum haben sie nicht?", fragte sie nachdenklich. Draco zuckte mit den Achseln. „Keine Ahnung...vielleicht, weil du nicht wirklich gezaubert hast? Ich meine...lass es eine magische Eruption gewesen sein, das ist kein echter Zauber, denke ich."
Der Junge war gar nicht so dumm, wie Lucius manchmal befürchtete. Im Gegenteil. Snape wusste, wie begabt und intelligent er war, nur leider ließ er sich meist von seiner Selbstgefälligkeit und Arroganz leiten, was es ihm unnötig schwer machte.
Avessa schien ähnlich zu denken. „Das...klingt logisch, Draco", sagte sie und er lachte unwillkürlich auf. „Hey, warum klingst du dabei so überrascht?" Sie errötete leicht und hob eine Schulter. „Entschuldige...so meinte ich es gar nicht. Ich war eher überrascht, dass ich nicht darauf gekommen bin." Sie legte die Hände über die Augen und atmete tief durch.
Draco sah sie an. „Das passiert dir zurzeit häufiger, hm? Ich meine das mit der Magie..." Sie sah auf und biss sich auf die Unterlippe, eine Geste, die Snape bei den meisten Schülern enervierend fand. „Ja, irgendwie schon. Ich...ich weiß nicht, warum."
„Vielleicht hat es etwas mit...na ja, mit dem...Trank zu tun?", fragte Draco langsam und sie sah aus großen Augen zu ihm. „Wieso der Trank?" Auch Snape, der sich eigentlich schon hatte abwenden wollen, blieb unwillkürlich stehen, war die Idee nicht abwegig. Er sah, wie Draco etwas unsicher zu Avessa sah.
„Na ja...ich dachte vielleicht...also...diese Schmerzen sind, wenn ich die Bücher richtig deute, extrem." Avessa hob die Schultern. „Ich kann mich nicht erinnern, aber ja...das habe ich auch gelesen...sie können im Ernstfall entweder zum Tod oder zum Verlust des Geistes führen", sagte sie sehr leise und ihre melodische Stimme klang etwas unsicher, was Snape die Stirn runzeln ließ.
„Richtig", erwiderte Draco. „Aber was, wenn...sie aufgrund der Heftigkeit und Schwere auch auf die Magie Auswirkungen haben?" Avessa machte große Augen und erhob sich aufgeregt. Irgendwie war es erfrischend, sie zu beobachten, wenn eine Erkenntnis oder eine Idee sie gepackt hatte und er musste sich eingestehen, dass er ihre ruhige Konzentration beim Lernen und Nachdenken das ein oder andere Mal bereits beobachtet hatte im Unterricht. Dieses Mädchen liebte Wissen. Eine Eigenschaft, die er durchaus zu schätzen wusste, deckte sie sich mit der seinen.
„Natürlich! Draco, du bist gerade...wie so ein Ravenclaw." Draco schnitt eine Grimasse und sie kicherte. „Wie auch immer. Das ergibt total Sinn! Ich meine...meine Muskeln haben auch immer noch mal Zuckungen und mir ist oft schlecht, sodass ich nichts essen mag. Ich nehme an, das ist, weil sich alles so verkrampft hat, als ich unter den Auswirkungen des Trankes war...", sagte sie mit nachdenklicher Stimme, während Draco sie von ihr unbemerkt, betroffen anblickte bei den Worten.
„Warum also sollte nicht auch meine mentale...Kontrolle geschwächt sein?", murmelte sie weiter und Snape entfernte sich langsam, weiter durch den Garten zu schlendern, in Gedanken bei diesen neuen Ideen. Sie würden bedeuten, dass es nichts derart Außergewöhnliches an ihrer Magie gab, wie er gedacht hatte... Er spürte Enttäuschung und doch hatte er auch das Gefühl, dass es nicht ganz stimmte...irgendwas...
Und dann fiel es ihm ein. Es konnte nicht nur an dem Trank liegen...die Eruptionen, gekoppelt an ihre Empfindungen? Ja. Aber die Sache mit dem Arm im Feuer war vor Weihnachten passiert...oder? Er ging weiter, die Pflanzen kaum beachtend und die Stimmen der Jugendlichen eher im Hintergrund wahrnehmend.
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