Kapitel 62

Avessa blieb einen Moment stehen, mehrfach blinzelnd. Es rauschte in ihren Ohren und dann hörte sie das Tuscheln, spürte die sensationsgierigen und spöttischen Empfindungen ihrer Mitschüler, die die nicht eben leise ausgesprochenen Worte des Professors mitbekommen hatten und die es begrüßten, dass sie sie abbekommen hatten.

Sie schluckte und ihre Sicht verschwamm ein wenig, doch blockte sie die Tränen ab und verbarg ihre Emotionen hinter einer starren Maske. Ja, sie war eine Carrow. Und Carrows weinten nicht. Schon gar nicht vor anderen. Beweg dich, Vessa...nicht stehen bleiben...das wirkt schwach.

So setzte sie einen Fuß vor den anderen und verließ über die große Treppe und die Eingangshalle das Schloss, den Schülern zum Feld folgend. Ihr Blick war starr und sie fühlte sich ein wenig wie in Watte gepackt, auch wenn der Trank zum Glück...oder in diesem Fall gerade Pech...nachgelassen hatte. Ihr Herz pochte wild, als sei sie gerannt und es schmerzte in ihrer Brust, in ihrem Magen...

Warum hatte er das gesagt? Warum... Sie atmete zittrig durch. War sie wirklich so, wie er sagte? Ihre Gedanken gingen das Gespräch durch, jedes Gespräch, dass sie und Professor Snape gehabt hatten und sie spürte eine Enge in der Brust. Sie beschloss, nicht mehr darüber nachzudenken und sah zum Quidditchfeld, bei dem sie mittlerweile angekommen war. Auf einem Querbalken am Rand des Feldes fand sie Platz, dessen Gerüst die erste Tribüne bildete und...tat nichts.

Langsam aber sicher füllten sich die Ränge und das Geschnatter der Schüler wurde lauter, die Emotionen aufgeheizter und dann kamen die Mannschaften aufs Feld. Die Schüler pfiffen und schrien, klatschen, doch Avessa bekam nicht viel mit davon, hatte sie sich abgeschottet und in sich zurückgezogen.

Sie hörte Lees Stimme, die anfing, das Spiel zu kommentieren und immer wieder zum Feuerblitz abzuschweifen, sodass ihn Professor McGonagall immer wieder und immer gereizter ermahnen musste, beim Spiel zu bleiben...und sie sah ganz weit oben die kleinen Punkte hin und her flitzen, konnte sie beobachten, ohne Angst zu bekommen, aber auch ohne wirklich viel zu erkennen.

Dennoch blieb sie sitzen. Es war schön, hier unten zu sein. Allein und ungesehen. Dann sah sie, wie zwei Punkte in einen Sturzflug gingen...Harry und der andere Sucher, nahm sie an. Ihr wurde nun doch ein wenig schlecht, so schnell, wie die beiden der Erde entgegenrasten. Das goldene Glitzern sah sie nur sehr kurz, aber es war wunderschön. Der Schnatz?

Dann zog Harry auch noch den Zauberstab, und etwas silbrigweißes verließ ihn und raste auf eine Stelle abseits des Feldes zu, die Avessa nicht einsehen konnte. Doch hatte die Aktion sie aus ihrer Starre geweckt und sie sprang auf, dem Patronus, denn es musste einer gewesen sein, zu folgen. Dabei hast du gar keine Dementoren gespürt...

Als sie um die Ecke bog, sah sie einen Haufen aus schwarzem Stoff, der sich wild bewegte und dann ein paar Köpfe. Slytherins! Crabbe...Goyle und...Draco! Sie schnaubte und zog sich schnell an die Seite zurück, als noch mehr zu ihnen rannten und lachten. Das Spiel schien vorüber. Und sie hatte keine Ahnung, wer gewonnen hatte.

Sie sah sich um und sah die Gryffindors jubeln und sie lächelte sacht, als sie die Stimme von Professor McGonagall hörte, die voller Wut mit den Slytherins sprach und ihnen 50 Punkte abzog, Strafarbeiten aushalste und Dumbledore dazu holte...das sah echt nicht gut aus für Draco und seine Freunde. Aber es war auch echt mies gewesen, sich als Dementoren zu verkleiden, um Harry abzulenken! Harry hätte sich verletzen können.

„Party! Im Gemeinschaftsraum!", grölte Freds Stimme und alle jubelten. Avessa bog schnell in eine andere Richtung ab, hatte sie noch keine Lust auf ausgelassene Stimmung und Party. Sie ging in Richtung Verbotenem Wald und Hagrids Hütte, als sie aufgehalten wurde.

„Du sollst nicht allein umherstreifen, Avessa...", sagte eine sanfte Stimme und als sie sich umwandte, sah sie Professor Lupin auf sich zukommen. Ihre verschränkten Arme wurden ein wenig fester um sie geschlungen und ihr Blick war von Vorsicht geprägt, hatte sie ihn seit dem letzten Treffen zwar bereits wieder im Unterricht gehabt, aber noch nicht privat gesprochen.

Er verzog ein wenig schmerzlich das Gesicht und blieb stehen. „Es tut mir leid, wie ich dich angefahren habe, beim letzten Mal. Ich...mache mir nur Sorgen und es ist nicht schön zu sehen, wie dich das gar nicht interessiert." Sie senkte betreten den Blick und die Spannung verließ sie. Er meinte es ehrlich, aber sie hatte da gerade keinen Nerv für.

„Ich nehme Sie sehr wohl ernst, Professor...", sagte sie sanft. „Nur leider nimmt mich niemand ernst. Auch Sie nicht. Ich sage Ihnen, dass der Hund harmlos ist. Er tut mir nichts. Doch interessiert jemanden, was ich denke, wovon ich überzeugt bin? Nein...ich bin ja nur eine dumme Schülerin..." Dann fiel ihr auf, dass sie schon wieder das tat, was Snape ihr vorhin vorgeworfen hatte und sie wandte sich ab, Tränen in den Augen.

Warum musste sie immer Widerworte geben? Hielt sie sich wirklich für etwas Besseres? Meinte sie, weil sie eine Carrow war, dürfe sie alles selbst entscheiden, wisse besser, wie man etwas tun sollte...? Dabei hasste sie es, auf ihren Namen reduziert zu werden. Und eigentlich wusste sie auch, dass es nicht so war, aber...ob sie es wollte oder nicht, war ihr Snapes Meinung wichtig. Sehr wichtig. Nur deswegen beschäftigten sie seine Worte so sehr...und verletzten sie.

„Avessa?", fragte Lupin sanft und kam dichter. „Was ist denn los mit dir?" Sie zuckte mit den Schultern und sah ihn dann an. „Nichts, Sir. Verzeihen Sie. Ich...ich will gar nicht immer widersprechen oder Anweisungen umgehen. Ich...gehe hinein. Entschuldigen Sie mich." Sie wandte sich ab und ging schnellen Schrittes zum Portal, Lupin mit besorgtem Gesicht hinter sich lassend, der dann aber ebenfalls den Weg ins Schloss antrat.

Er hatte sehr wohl gehört, was Severus ihr vorhin an den Kopf geschmissen hatte, als er selbst gerade auf dem Weg nach draußen gewesen war. Dass sie sich nun für ihre angeblichen Widerworte entschuldigte und ihre ganze Art, ließen darauf schließen, wie sehr die Worte sie aufwühlten...und verletzt hatten.

Dass Severus aber auch immer derart unsensibel und absichtlich verletzend sein musste. Was hatte er nur immer davon? Er musste wissen, wie wichtig seine Meinung der jungen Carrow war, war es mehr als offensichtlich. Und eigentlich wirkte es auf Lupin, dass auch Severus ein besonderes Interesse an ihr zeigte. Er schien sich um sie zu sorgen, sie schützen zu wollen.

Oder warum war er immer in der Nähe, wenn etwas Ungewöhnliches passierte? Wobei...zu den Malfoys wurde er gerufen...ebenso hatte Madam Pince ihm Bescheid gegeben, als sie sah, dass es Slytherins waren, die Ärger machten...also doch nur Zufall? Lupin ging nachdenklich zum Schloss zurück.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top