Kapitel 54

Avessa hatte nicht wirklich viel verstanden, von dem, was die beiden Professoren da besprochen hatten und als Snapes Stimme plötzlich lauter wurde, kurz, bevor er die Tür aufriss, huschte sie schnell um die Ecke in eine Nische.

Sie sah ihn in Richtung der Kerker rauschen und krauste nachdenklich die Stirn. Snape hasste Lupin und dennoch hatte er ihm bereits zum zweiten Mal einen Trank gemacht, dessen Wirksamkeit nachließ, wenn er erkaltete...

Ihre Augen weiteten sich. Der letzte war an dem Tag gewesen, als sie sich mit ihrem Vater getroffen hatte – kurz vor Vollmond...Wie jetzt...Oh, Merlin... Schnellen Schrittes ging sie in die Bibliothek und verbrachte da noch die nächsten zwei Stunden, bis ihr klar wurde, dass sie das Abendbrot verpassen würde, wenn sie sich nicht beeilen würde.

So kam sie in die Große Halle, als bereits die meisten fertig waren und unwillkürlich ging ihr Blick als erstes zum Lehrertisch und nicht wie sonst zum Tisch der Slytherins. Lupin war nicht da, doch Snape, der seinen Blick über die Schüler schweifen ließ, einen verkniffenen Ausdruck im Gesicht, als hoffe er nur darauf, jemanden bei etwas Verbotenem zu erwischen.

„Lass ihn dich nicht mit so einem Gesichtsausdruck erwischen...", raunte eine amüsierte Stimme ihr ins Ohr und sie errötete leicht, als sie herumwirbelte. „Was für ein Ausdruck?", fragte sie Draco, der grinsend neben ihr stand. Er hatte sie in den letzten Wochen in Ruhe gelassen und sogar verhindert, dass es zu Ärger zwischen ihr und Pansy kam – fast die einzige Slytherin, die sonst immer lautstark gegen sie hetzte – solange Avessas Brüder nicht da waren.

Was Draco damit bezweckte wusste sie nicht, würde es aber noch herausbekommen. Erneut lachte er leise. „Und nun starrst du mich genauso an...als hätten wir etwas verbrochen, was du uns nur noch nicht nachweisen kannst." Sie blinzelte irritiert und musste dann auch grinsen.

„Na und? Da hab ich zumindest bei dir bestimmt recht.", stichelte sie und Draco schnaubte. „Als ob, Carrow..." Er zwinkerte ihr zu und ging dann zu seinem Tisch. Hat er dir ernsthaft gerade zugezwinkert? Ich dachte, ihr könnt euch nicht ausstehen? Nachdenklich wandte sich Avessa zum Gryffindortisch. Es stimmte, Draco und sie hassten sich...auch wenn sie dafür genauso wenig ein bestimmtes Ereignis ausmachen konnte wie bei der missglückten Beziehung zu ihren Brüdern.

Außerdem war er seit den Weihnachtsferien irgendwie...eher so, wie als sie klein waren. Da hatten sie sich echt mal gut verstanden... Sie setzte sich still an den Tisch der Gryffindors und sah sich auf dem Tisch um. Ihr fiel auf, dass sie das Mittagessen ausgelassen hatte und ihr Magen machte sich mit einem Knurren bemerkbar.

„War das deiner?!", fragte Fred, der sich gerade neben sie gesetzt hatte und sie presste verlegen die Lippen aufeinander, als er und George, der den Platz links von ihr einnahm, laut lachten. „Silver, du fütterst ihn offensichtlich zu selten", sagte George und Fred nickte. „Du solltest mal mit zu uns nach Hause kommen. Unsere Mom würde es lieben, dich die ganze Zeit zu mästen."

Erneut lachten die beiden und Avessa erwischte sich bei dem Wunsch, ihre Mutter kennenzulernen und zu sehen, wie die beiden lebten. Sie stellte es sich chaotisch, laut und anstrengend vor. Eben genauso, wie die Zwillinge waren. Doch würde das niemals geschehen. Bevor ihr Vater sie in den Ferien oder wann auch immer zu den Weasleys lassen würde, da...nein. Es gab keine noch so abwegige Bedingung, die nicht von der absoluten Unmöglichkeit der Tatsache übertroffen wurde, sie könne die Ferien bei den Weasleys verbringen.

So gingen die Tage dahin ohne, dass sie etwas von ihrem Vater gehört oder mit ihren Brüdern gesprochen hatte. Lupin unterrichtete Harry seit einiger Zeit in der Anwendung des Patronus und sie und der ‚Junge, der überlebte' hatten sich einen Abend lange darüber unterhalten; auch wenn sie ihm nicht erzählte, dass nicht nur er jemanden verloren hatte.

Es war schon Februar, als sie die Treppe zum Gemeinschaftsraum hinaufkam und hörte, wie Neville mit Sir Cadogan, dem Ritter aus dem Gemälde, das nun vor dem Portraitloch hing, debattierte. Besser gesagt flehte er ihn an, ihm die Passwörter zu sagen, die er sich für diese Woche überlegt hatte.

Nach langem Hin und Her, hatte Avessa keine Lust mehr zu warten und stellte sich dazu. „Hagestolz", sagte sie und als das Portrait zur Seite schwang, blickte sie den Ritter, der sich vor ihr verbeugte, nochmal an. „Nun sagt sie ihm schon, Sir Cadogan...sonst diskutiert Ihr jeden Tag aufs Neue mit ihm." Sir Cadogan wollte aufbegehren, doch auf einen Blick des Mädchens verbeugte er sich erneut. „Nun, ausnahmsweise...weil Ihr es seid, Holde!", tönte er und sie sah noch das erleichterte Lächeln Nevilles, bevor sie hineinging.

Lee kam ihr entgegen und lächelte. „Hey, Silver...hier, den hat eine Eule vorhin gebracht." Er reichte ihr einen Brief, der mit dem Wappen der Carrows versiegelt war und sie fühlte ihr Herz in die Hose rutschen. Nun war es soweit. Ihr Vater hatte von dem Vorfall gehört und wollte mit ihr sprechen. Sie setzte sich nervös in einen Sessel direkt am Kamin und erbrach vorsichtig das grüne Siegel.

Schaden minimieren?! Was sollte das denn heißen? Sie hatte nichts falsch gemacht! Wirklich nicht? wisperte ihre innere Stimme bohrend und sie nagte an ihrer Unterlippe. Nun, wenn sie ehrlich war, hatte sie sich schon unwohl gefühlt, die Malfoys so sang- und klanglos verlassen zu haben, aber... Professor Snape und Professor Dumbledore...alle hatten gesagt, sie bleibe nun in der Schule.

Und sie hatte ihnen einen Brief geschrieben. Der unbeantwortet blieb. Außer der Aussage McGonagalls, dass sie dich grüßen lassen, hast du nichts. Verdammt! Sie seufzte schwer und schloss die Augen. Warum? Warum hatte sie mit Draco gehen müssen? Dann setzte sie sich auf. Draco! Ihn konnte sie fragen, wie schlimm seine Eltern gekränkt waren!

Sie stopfte den Brief in ihre Tasche, die voller Bücher war und brachte diese dann schnell in den Schlafsaal, bevor sie den Gemeinschaftsraum wieder verließ, auf die Suche nach Draco zu gehen. Sie hatte zwar keine Ahnung, wo sie ihn finden sollte, aber...es würde ihr eh keine Ruhe lassen, also konnte sie ruhig durchs Schloss streifen bis zum Abendessen.

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