Kapitel 50
„So strebsam...ist dir gar nicht kalt?" Avessa sah erschrocken auf, hatte sie sich so auf die spannende Abhandlung konzentriert, dass sie nicht bemerkt hatte, wie Lupin zu ihr getreten war. Ihre Augen weiteten sich, als sie ihn sah und nach einem kurzen Blick zur Sonne sprang sie auf. „Oh, es tut mir leid, Professor! Ich habe die Zeit vergessen!", japste sie und er lachte. „Ganz ruhig, Avessa...wir können auch hier reden." Er ließ sich ebenfalls unter dem Baum nieder, was sie irritiert blinzeln ließ, und sah auf ihre Bücher, die Augenbrauen wölbend.
„Verwandlung?", fragte er neugierig und sie packte schnell die Bücher zusammen..."Uhm...ja, ich...habe ein Faible dafür", sagte sie und biss sich auf die Unterlippe, als Lupin eins der Bücher in die Hand nahm, bevor sie es weglegen konnte. Er besah sich den Titel und blickte zu ihr auf. "Animagi, hm?"
Avessa bemühte sich um eine ausdruckslose Miene und setzte sich wieder auf ihren Mantel. "Jaaa.", sagte sie gedehnt. „Wir haben das Thema im Unterricht...", sagte sie ausweichend und er sah sie einen Moment an, bevor er nickte. "Das ist aber schon eine recht fortgeschrittene Lektüre. Du scheinst in jedem Fach mehr zu machen, als erwartet wird, hm?"
Erneut hob sie eine Schulter und sah ihn an, entspannte sich aber in der ruhigen Gegenwart ihres Professors. "Naja, das ist das Mindeste für ein Erwartungen übertroffen... Ich strebe aber ein O an, Sir." Er seufzt und lächelte. "Das ist bewundernswert... Apropos..." Er schmunzelte. "Wie steht es um den Aufsatz für unsere nächste Stunde?"
"Der ist fertig, Professor... Wenn Sie wollen, gebe ich ihn Ihnen gleich noch?" Avessa sah ihn fragend an und er lachte leise. "Warum hatte ich das nur erwartet?" Sie lächelte ein wenig verlegen. "Nun, ich hatte bei den Malfoys ein wenig Zeit..." sie sah über den See und er lachte erneut. "Natürlich, natürlich..."
Ein verschmitzter Blick seiner sonst so beherrschten Schülerin, die selten eine Gefühlsregung zeigte, traf ihn. "Die Bibliothek ist wirklich unglaublich!", schwärmte sie und er lächelte warm. "Es freut mich, wenn der Aufenthalt nicht so schlimm war, wie du befürchtet hast... Naja, bis auf das Ende." Er seufzte und setzte sich auf, sie betrachtend. "Womit wir beim Thema wären... Wie ich von Professor McGonagall erfahren habe, erinnerst du dich immer noch nicht?"
Als sie ihm nicht antwortete, neigte er den Kopf, ihr ins Gesicht zu schauen. "Avessa? Geht es dir gut?" Sie starrte auf den Waldrand, der ihnen bereits nah war und nickte ernst, bevor sie sacht und etwas irritiert lächelte. "Der Hund... Ich habe ihn schon oft gesehen hier... Kennen sie ihn?" Sie sah zu ihm und sein Blick schnellte zur Seite, während er alarmiert aufsprang. "Wo? Wo, Avessa?!", rief er streng und sie zuckte unter dem scharfen Tonfall zusammen, steckte sein Schreck sie an. Er schien wütend zu sein und stellte sich leicht vor sie.
Sie erhob sich ebenfalls schnell und sah zu der Stelle, wo sie ihn eben noch gesehen hatte, doch war er verschwunden. So zuckte sie mit den Schultern. "Er ist fort. Wie immer", sagte sie. "Warum, was...ist los, Sir?" Sie rieb sich über die Oberarme und merkte erst jetzt, wie kalt sie war. Schnell hüllte sie sich in ihren Mantel.
Lupin sah sie ernst an, versuchte sich aber dann an einem Lächeln und senkte den Zauberstab. "Ach, schon gut. Vielleicht war es Fang?" Avessa zog eine Augenbraue hoch, wusste sie genau, dass er ihr auswich und sie verschränkte die Arme. "Nein, Sir... Es war nicht Hagrids Saurüde, sondern ein großer, sehr schöner schwarzer Wolfshund, wenn ich tippen sollte, so nah war er mir nie." Sie sah nachdenklich auf die Stelle, an der er gesessen hatte.
"Ich sehe ihn des Öfteren hier, wenn ich lerne und..." sie brach verlegen ab, doch Lupin sah sie aufmunternd an. "Ja?" Avessa hob eine Schulter. "Ich habe das Gefühl, er schaut mir beim Lernen zu und...Ich fühle mich sicher... Ich weiß, das klingt albern, aber... Ich spüre nichts Negatives von ihm ausgehen..." Sie versuchte, die Unsicherheit in ihrem Blick zu verschleiern, als sie zu ihm aufsah. Er lächelte ein wenig schmerzlich und sah ebenfalls zum Wald.
"Empathie ist bei Tieren so eine Sache, Avessa... Sie können in einem Moment noch total ruhig sein und friedlich und im nächsten Moment..." Sie runzelte die Stirn. "Ja... Aber es ist nur ein Hund, Professor... Kein Wolf oder Bär... Oder Werwolf...", setzte sie leise hinzu und er sah sie an.
"Nun, du wirst dennoch nicht mehr hier alleine hinkommen", sagte er entschieden und deutete auf das Portal. "Nun lass uns reingehen, wenn ich recht informiert bin, hast du gleich um fünf den Termin bei Professor Snape."
Sie sah zum Himmel und nickte, packte ihre Tasche, während er wartete und sich umsah. Dann gingen sie zusammen zum Schloss. Als sie sich getrennt hatten, fiel Avessa auf, dass sie gar nicht mehr über den Abend bei den Malfoys gesprochen hatten... Oder darüber, ob sie wieder zum Unterricht durfte.
"Herein!", kam die schneidende Stimme Professor Snapes und ihr Herz begann zu pochen. Himmel, sie musste lernen, ruhiger bei ihm zu bleiben! Sie öffnete die Tür und trat ein, respektvoll den Kopf neigend. "Guten Abend, Sir." Snapes Augen wanderten ausdruckslos über sie und Missfallen bildete sich in ihnen. "Sie sehen unterkühlt aus, Miss Carrow", sagte er und sie zog eine Augenbraue hoch. "Nun, ich war in der Tat eine Weile an der frischen Luft, Sir", erwiderte sie kühl. Was ging es ihn an?!
Er zuckte kurz mit der Augenbraue, doch ließ er das Thema direkt wieder fallen. "Die Professoren Dumbledore und McGonagall wünschen, dass ich Sie mir anschaue, um zu sagen, ob Sie wieder am Unterricht teilnehmen können." Sein durchdringender Blick durchbohrte sie und sicher entging ihm nicht der unzufriedene Zug um ihren schmalen Mund. "Ich halte das für völlig überflüssig."
Ihre Augen weiteten sich überrascht und seine Lippen kräuselten sich leicht. Er erhob sich und trat hinter seinem Schreibtisch hervor, sich dann mit verschränkten Armen dagegen lehnend und sie über die Hakennase hinweg betrachtend.
"Das überrascht Sie, Miss Carrow?"
Sie nickte. "Nun... Ja, Professor", sagte sie und erwiderte seinen Blick ohne auszuweichen. "Ich hatte gedacht, Sie sind sich alle einig."
Snape stieß ein kurzes spöttisches Lachen aus. "Nein, Miss Carrow. Durchaus nicht immer. Davon abgesehen, dass ich Besseres zu tun habe, als mich mit Ihnen und Ihrer Fähigkeit auseinanderzusetzen, dem Unterricht zu folgen...", ihre Miene verhärtete sich, ebenso wie seine, "...bin ich der Meinung, dass sie nicht geschützt werden müssen. Ihr Geist ist nicht so schwach, wie meine Kollegen glauben. Das ist zumindest meine Meinung."
Avessa entgleisten die Züge, hatte sie mit allem gerechnet, nur nicht damit. Sie räusperte sich und versuchte, sich zu sammeln, sah dann forschend zu ihm auf. "Dann sind Sie nicht der Meinung, dass ich mich nur nicht erinnern 'will'?" Die obsidianfarbenen Augen des Hauslehrers der Slytherins schienen sie mit dem festen Blick zu bannen.
"Nein, Miss Carrow, das denke ich in der Tat nicht", sagte er ruhig und seine dunkle samtene Stimme hallte in ihr wider und ließ ein Gefühl der Wärme in ihrem Magen aufgehen.
"Und warum erinnere ich mich nicht? Ihrer Meinung nach?", fragte sie, ohne sich etwas von den Empfindungen anmerken zu lassen. Zwischen Snapes Augen entstand eine Stelle Falte und Avessa fürchtete schon, er würde ihr nicht antworten.
Dann stieß er sich abrupt vom Schreibtisch ab und rauschte ins Nebenzimmer. "Kommen Sie, Miss Carrow." Sie folgte ihm in ein Zimmer, das eindeutig zu seinen Privatgemächern gehörte und welches sie nach kurzer Unsicherheit als das identifizierte, in dem sie erwacht war.
Er deutete auf die Couch. "Setzen Sie sich", sagte er und stellte sich an den Kamin. Ein Schwenk seines Zauberstabes reichte und ein munteres Feuer begann zu prasseln. Avessa erschauderte wohlig, als die Hitze sie traf. Sie meinte, ein Schmunzeln zu sehen, als er sich in den Sessel setzte, die Beine überschlug und die Fingerspitzen aneinanderlegte, sie betrachtend.
"Meiner Meinung nach, Miss Carrow, hat es einfache physische Gründe", sagte er nüchtern und sein Blick wurde kurz nachdenklich, was sie dazu veranlasste, ihn auffordernd anzusehen. Er senkte die Hände und sie hatte den irrigen Eindruck, dass sein Blick weicher wurde.
"Sie haben über einen nicht unerheblichen Zeitraum sehr große Schmerzen aushalten müssen, da ist es nicht verwunderlich, wenn das Gehirn die unmittelbar zurück liegenden Ereignisse nicht richtig speichert." Sie runzelte irritiert die Stirn. "Schmerzen, Sir?"
Er nickte. "Offensichtlich waren Sie mit dem jungen Mister Malfoy bei Freunden von ihm, wo sie beide die so unfassbar dumme Handlung vollführt haben, ihnen unbekannte Tränke zu sich zu nehmen."
Avessas Augen blitzten auf und sie sah ihn kalt an. "Haben Sie mich gerade dumm genannt, Professor Snape?!", herrschte Sie ihn an und er erwiderte ihren Blick ungerührt.
"Ich sagte, Sie beide haben dumm gehandelt, Miss Carrow, das ist etwas Anderes. Ich weiß, Gryffindors haben selten ein Talent für Nuancen, doch dachte ich, bei Ihnen sei es anders."
Ihre Wangen begannen zu brennen und sie schlug die Augen nieder, beschämt und wütend auf sich selbst. Ihre Finger verkrallten sich in ihrem Umhang. Wie immer schaffte es Professor Snape zielsicher, dass sie sich fühlte, wie eine dumme Erstklässlerin.
Sie presste die Lippen aufeinander und atmete tief durch, sah dann aber auf und nickte. "Sie haben recht, verzeihen Sie, Professor. Es ist nur etwas...beunruhigend, so etwas zu hören, wenn man sich an rein gar nichts erinnert, Sir."
Zu ihrer Verwunderung nickte Snape nur und sah sie an. "Wollen Sie mehr wissen?" Avessa nickte. "Natürlich!" Sein Blick lag kurz tadelnd auf ihr, doch als sie diesmal nicht nachgab, schüttelte er nur leicht den Kopf und sie meinte, ein Schmunzeln um seine Mundwinkel zucken zu sehen.
"Nun, während Mister Malfoy offensichtlich einen recht harmlosen Trank abbekommen hat, wurde Ihnen ein bisher unbekannter Trank gegeben, der so nicht hätte rumstehen dürfen, wo Jugendliche rankommen." Snape wirkte wütend und sein Wangenmuskeln zuckte.
Avessa wurde leicht unruhig. „Unbekannt, Sir? Selbst Ihnen?", fragte sie nachdenklich und Snape sah sie etwas erstaunt an, konnte aber keine falsche Schmeichelei bei ihr erkennen. Offenbar meinte sie es wohl ernst.
„Nun...Um der Wahrheit die Ehre zu geben, habe ich ihn in der Tat erkannt. Aber nur, weil ich wusste, womit der Vater der Jungen, bei denen Sie den Abend verbracht haben, experimentiert", stellte er sachlich fest und Avessa runzelte die Stirn.
„Experimente...?", fragte sie unsicher und Snape nickte unbeeindruckt. „Mit Flüchen. In ihrem Fall dem Cruciatus-Fluch. Der Trank hat nahezu identische Auswirkungen."
„Oh...", war alles, was Avessa hervorbrachte, hielt sie ihre Empfindungen zurück, bis sie wusste, wie sie reagieren wollte. Sie starrte eine Weile in die Flammen, während Professor Snape das junge Mädchen ansah und ihre Reaktion genau beobachtete.
Schließlich zuckte Avessa mit den Schultern. „Nun, dann ist es ja nicht schlimm, dass ich mich nicht erinnere, sind Schmerzen nichts Erinnerungswürdiges", sagte sie pragmatisch, was Snape ein nicht mehr zu unterdrückendes Schmunzeln entlockte.
„Wie ich es gesagt habe, sind Sie durchaus in der Lage, mit den Informationen klar zu kommen", sagte er und wirkte zufrieden, was in ihr unsinnigerweise großen Stolz hervorrief. Sie lächelte sacht und sah ihn dann mit ihren ernsten grauen Augen wie sooft forschend an.
„Sie sind der Einzige, der mich nicht für so schwach hält, wie es scheint. Danke", sagte sie aufrichtig und ihr Blick wurde inniger. „Und...ich habe es noch nicht gesagt...Danke für ihre Hilfe, Sir. Wenn ich das so höre, wäre ich ohne Sie wohl nicht so glimpflich davongekommen."
Snapes Augenbrauen gingen in die Höhe und er sah sie missbilligend an. „Sie sind eine Schülerin, Miss Carrow und waren zudem Gast im Hause eines Freundes. Es war meine Pflicht zu helfen", sagte er etwas zu ruppig und auch Avessas Augenbrauen wölbten sich.
„Ich hatte nie etwas Anderes unterstellen wollen, ist es sehr offensichtlich, dass Sie es nicht getan haben, weil wir so gut miteinander klar kommen...Dennoch bin ich Ihnen sehr dankbar und Sie werden damit leben müssen!", setzte sie nach einem kühl vorgetragenen Anfang fast trotzig hinzu.
Snapes Miene blieb ungerührt, nur seine Stirn schien sich etwas zu umwölken. Und obwohl Avessa dies ein wenig nervös machte, hatte es keinen Einfluss auf das starke Gefühl der Sicherheit, welches sie in letzter Zeit in der Gegenwart des Meisters der Zaubertränke empfand.
„Nun, wie auch immer. Ich werde...Ihre Hauslehrerin informieren, dass ich es durchaus für unangebracht halte, Sie Unterricht verpassen zu lassen", sagte er ölig.
Hast du gehört? Er hat bei ‚Hauslehrerin' gezögert. Ob er es bedauert, dass du nicht in sein Haus gekommen bist? Sie versuchte krampfhaft, die Stimme zu ignorieren, waren ihr derlei Gedanken höchst unangenehm. Zudem sah Snape sie schon wieder mit diesem wissenden Blick an, als würde er alle ihre Gedanken und Empfindungen kennen...Oh, Merlin...
"Das ist doch in ihrem Interesse, Miss Carrow, oder?", fragte der Professor fast ein wenig süffisant ein weiteres Mal und sie sah ihn irritiert an, bevor ihr Gehirn nachkam und sie nicken ließ. "Natürlich, Sir. Sehr entgegen. Sagen Sie... Wo genau waren Draco und ich an dem Abend?" Snape sah sie über seinen Nasenrücken hinweg durchdringend an.
"Bei Theodore und Yorick Nott, Miss Carrow. Allerdings rate ich Ihnen von Repressalien gegen sie ab, da es, laut Mister Malfoys Aussage, auf einer freiwilligen Handlung Ihrerseits beruht. Er war es übrigens, der sie und die leeren Fläschchen nach Malfoy Manor zurückgebracht hat. Angesichts der Umstände eine recht geistesgegenwärtige Tat."
Avessa zog erstaunt die Augenbrauen hoch, notierte sich diese Information aber innerlich für später. Dann erhob sie sich und nickte. "Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Professor."
Snape nickte knapp und erhob sich ebenfalls. "Der Schulleiter wünschte es", sagte er fast missbilligend und ging voraus zum Ausgang, während Avessa ihm etwas kopfschüttelnd folgte. Snape verwirrte sie zutiefst. Immer, wenn sie dachte, ihn nun endlich einschätzen zu können, änderte er wieder die Richtung...
Doch, dass er es nur getan hatte, weil eben die Umstände so gewesen waren, wie sie waren glaubte Avessa nur bedingt. Auch wenn sie nicht spüren konnte, was er empfand, spürte sie deutlich, dass da mehr war.
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