Kapitel 5

Das Schloss war atemberaubend. Ganz anders als Durmstrang. Höher, verschnörkelter, ausgefallener und...hatte sie höher erwähnt? Sie schluckte, als sie die dicken Mauern hinaufblickte und war froh, dass die Slytherins die Kerker bewohnten und nicht in einem der Türme hausten. Sie würde sterben, müsste sie dort oben schlafen! Auch von innen war das Schloss einfach nur wunderschön, fand sie. Nicht zu überladen oder gar pompös. Und dennoch irgendwie...wohnlich mit all den Bildern und Rüstungen, den Fackeln und den Treppen, die ständig die Richtung wechselten.

Sie folgte den anderen in die Große Halle und als sie hineinkam, ging ihr Blick staunend nach oben. Der Nachthimmel. Tausende von Sternen und darunter Kerzen. Überhaupt waren überall Kerzen und Fackeln und da Avessa Feuer liebte, fühlte sie sich gleich heimisch in dem diffusen Licht. Ihre Augen funkelten, als sie ihren Brüdern an den Slytherintisch folgte. Auch wenn sie noch nicht zugeordnet war - irgendwo musste sie ja vorerst sitzen.

Schwarze Augen folgten dem jungen Mädchen mit der geraden Haltung und den anmutigen Bewegungen. Man sah ihr das Selbstbewusstsein deutlich an, ebenso ihre Abstammung, die wahrscheinlich einen guten Teil dazu beigetragen hatte. Er wusste nicht, warum sie seinen Blick so auf sich zog, doch in dem Moment, als sie die Große Halle betreten hatte, hatte er seinen Disput mit Dumbledore unterbrochen, der zum Glück seinerseits von dem Grund ihres Meinungsaustausches begrüßt wurde und nicht merkte, wie sein Blick wie gebannt zu ihr gezogen wurde und auf ihr liegen blieb, er jeden Zentimeter ihrer Erscheinung in sich aufzusaugen schien. Sie war...wer war sie? Sie ging zum Slytherintisch, aber er hatte sie noch nie in seinem Haus gesehen.

Dann trafen sich ihre Blicke und seine Augen verengten sich, konnte er immer noch nicht erkennen, was an ihr ihn so anzog. Sie war schließlich eine Schülerin! Nur ein Kind! Und es war auch nicht so etwas Profanes wie körperliche Anziehung. Es ging tiefer und er würde noch ergründen, was an ihr es war, das ihn so fesselte. Unwillkürlich blickte er in ihren Kopf, nahm einiges ihrer Gedanken auf, ihres Wesens und eine Augenbraue hob sich, als ihm klar wurde, wer sie war. Nun, das versprach interessant zu werden.

Avessa sah zu dem Tisch, der am Kopfende der vier langen Haustische quer stand und an dem schon viele Lehrer saßen. Sie erkannte Professor Lupin und lächelte sacht, doch wurde ihr Blick von einem anderen Professor eingefangen, der sie schon angestarrt hatte, als sie hineingekommen war, wie ihr nun bewusstwurde. Er war groß und hatte schwarzes schulterlanges Haar, eine leichte Hakennase und stechend schwarze Augen. Ihre eigenen weiteten sich leicht und ihr Atem wurde verhalten, als ihr Herz zu pochen begann. Wer war das und warum starrte er sie so an? Und warum reagierte sie so auf ihn?! "Was ist, Avessa?", fragte Alaric und sah stirnrunzelnd zu ihr hinab. "Du siehst, als hättest Du einen Geist gesehen...und die kommen doch erst später", meinte Elijah und schien ebenfalls ein wenig besorgt.

Sie straffte sich und beendete den Blickkontakt zu dem Professor, der ihr bis auf den Grund ihrer Seele geschaut hatte, wie ihr schien. Ehrlich gesagt wusste sie auch gar nicht, warum sie sich so verhielt. Er war...nur ein Professor!

Ärgerlich zuckte sie die Schultern. "Nichts. Ich glaube, ich habe lediglich Hunger." Ihre Brüder betrachteten sie noch einen Moment fast argwöhnisch, dann den Lehrertisch zu dem sie gestarrt hatte, doch konnten sie nichts Ungewöhnliches entdecken und so widmeten sie sich wieder ihren sozialen Kontakten, denn im Gegensatz zu ihrer Schwester waren sie sehr gut darin, solche zu knüpfen und auch zu pflegen.

Alle wurden ruhiger, als die großen Flügeltüren sich erneut öffneten und eine Horde kleiner Erstklässler reingelassen wurde, angeführt von einer hochgewachsenen streng blickenden Hexe, die Avessa sofort sympathisch war. Sie konnte mit Hexen nichts anfangen, die zu lieb oder zu mütterlich waren. Diese schien weder das eine noch das andere und Avessa fragte sich, was sie wohl unterrichtete.

Die kleine Schar kam zwischen den Haustischen und dem Lehrertisch zum Stehen, vor dem ein Stuhl stand, auf dem ein alter zerknautschter Hut lag. Ein Kind nach dem anderen nahm auf dem Stuhl Platz. Dann wurde ihnen der Hut auf den Kopf gesetzt. Avessa wusste, dass es der Sprechende Hut war, ein Hut, der von den Gründern Hogwarts mit einem Teil ihrer selbst verzaubert worden war, um an Ihrer statt die Kinder auf die entsprechenden Häuser zu verteilen, da sie nicht ewig da sein würden, es zu tun.

Avessa spürte Aufregung und fragte sich, ob sie auch dort vorn hätte sein müssen, doch als der letzte Erstklässler mit einem lauten "HUFFLEPUFF!" vom Hut entlassen und mit einem tosenden Applaus am Tisch neben den Slytherins in Empfang genommen worden war, sah die hochgewachsene Hexe sich um und ein Zauberer mit langen weißen Haaren und einem ebenso langen weißen Bart erhob sich.

Avessa hatte ihn schon die ganze Zeit immer wieder beobachtet und gemutmaßt, Albus Dumbledore vor sich zu haben. Er war, im Gegensatz zu dem, was ihre Brüder immer erzählt hatten, eine beeindruckende Erscheinung. Nicht unbedingt sein Äußeres, wobei auch das recht ungewöhnlich war. Zusätzlich aber umgab ihn eine Aura, die von der Stärke und Zauberkraft zeugte, die ihm von allen zugeschrieben wurde. Jeder wusste, dass Albus Dumbledore ein mächtiger Zauberer war, das leugnete nicht mal ihre Familie.

Er sah sich lächelnd um und Avessa spürte, wie sie es ungewollt erwiderte. So mächtig wie Dumbledore zweifelsohne war, wirkte er doch ein wenig, wie ein freundlicher Großvater mit großem Herzen. Avessa schnitt innerlich eine Grimasse. Kein Wunder, dass ihre Brüder schlecht von ihm sprachen. 'Ein großes Herz' zu haben, war bei ihnen nicht unbedingt ein Grund, jemanden zu mögen oder zu respektieren. Zumal er sich eh viel zu sehr für Muggelgeborene einsetzte, wie sie meinten.

"Es ergibt sich, dass wir zusätzlich zu den Erstklässlern noch eine neue Schülerin an unserer Schule begrüßen dürfen. Miss Avessa Carrow! Sie hat die letzten zwei Jahre in Durmstrang verbracht, wird nun aber den Rest ihrer schulischen Laufbahn, die hoffentlich erfolgreich und angenehm für sie wird, bei uns verbringen." Erneut erhob sich ein Getuschel und Avessa seufzte. Hatten nicht alle bereits im Zug genug getuschelt? "Kommen Sie bitte nach vorn, Miss Carrow", sagte Dumbledore freundlich und wies ihr den Stuhl beim Hut.

Sie erhob sich und strich sich den Umhang glatt. "Bis gleich", sagte Elijah, doch Alaric sah sie nur bedeutungsvoll an, als wolle er ihr sagen, es bloß nicht zu versauen. Sie zischte leise und ging gemessenen Schrittes und wie immer sehr aufrecht zum Stuhl. Schon früh hatte sie bemerkt, dass eine selbstbewusste Haltung ihr half, sich auch so zu fühlen.

Ihr Herz pochte dennoch heftig und sie versuchte, die ganzen Augen zu ignorieren, die sie anstarrten, in ihnen die verschiedensten Emotionen. Dennoch erblickte sie an dem Tisch der Gryffindors die beiden Weasley Zwillinge, die ihr ein aufmunterndes Lächeln zuwarfen, welches sie aber nicht erwiderte. Das hübsche klare Gesicht des jungen Mädchens blieb unbewegt, auch als sie sich setzte und die Hexe ihr den Sprechenden Hut auf den Kopf setzte.

"Oooh...eine Carrow..." sagte eine männlich klingende Stimme in ihrem Kopf. „Hmm... interessant... Jaja..., alles da, was man für Slytherin braucht. Ein helles Köpfchen! Hell genug für Ravenclaw, aber ooooh, viel Widerspenstigkeit. Hihi. Listig ist sie auch. Mit einer guten Portion Selbstbewusstsein und der Angewohnheit, sich über Regeln hinwegzusetzen... Ja. Genau richtig für Slytherin, doch..." er verstummte und schien einen Moment zu grübeln.

„Mutig ist sie, sehr mutig! Und so impulsiv, so viele Emotionen, auch wenn sie versucht, es zu unterdrücken..." Avessa zog die Augenbrauen hoch. "Was soll das heißen?" fragte sie perplex. Der Hut kicherte und sie meinte, die Schüler draußen tuscheln zu hören, weil es so lange dauerte. Sie wurde nervös. Warum nur hatte er nicht direkt Slytherin gerufen? "Weil Du viel eher eine... GRYFFINDOR!...bist."

Avessas Herz sank in die Hose und sie erstarrte, während die Hexe ihr mit einem ebenfalls etwas ungläubigen Blick den Hut vom Kopf nahm. Doch fasste diese sich schneller und lächelte ihr schmal aber warm zu und deutete zum Gryffindortisch. Avessa selbst fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen und die Stille, die im Schloss herrschte, machte es nicht besser, waren die anderen Schüler immer mit Applaus zu ihrem Tisch geleitet worden.

Sie sah zu ihren Brüdern, welche wutentbrannt wirkten, auch wenn sie versuchten, sich zu beherrschen. Doch spürte sie ihre Enttäuschung, die Wut, den Vorwurf. Dicht neben ihnen sah sie Draco und seine Freunde. Er wirkte erst völlig verdattert, bevor er ihr einen angeekelten Blick zuwarf und sich abwandte. Ihr Blick ging zu ihrem neuen Haus. Gryffindor?! Ernsthaft?! Warum ausgerechnet GRYFFINDOR?!

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